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Rockicks / Keep On Rockin' – A Retrospective Anthology – 2CD-Review

Rockicks - "Keep On Rockin' - A Retrospective Anthology" - CD-Review

Dieses Review könnte auch mit der Unterschrift 'Über eine bärenstarke Band, die niemand kennt, oder: manchmal ist das Leben ungerecht, Teil 553' laufen. Im Jahr 1974 ereignete es sich, dass der aus dem US-Bundesstaat Michigan stammende Gitarrist und Sänger Jerry Zubal sowie der aus Georgia stammende Bassist und Sänger Sammy Pate Jr. sich mehr oder weniger zufällig in der Musiker-Szene von Los Angeles trafen und sich musikalisch wie menschlich auf Anhieb ganz wunderbar verstanden. Eine weitere Zufallsbegegnung führte zu dem Gitarristen und Sänger Brian Naughton und sehr bald schon wurde klar, dass es nur noch an einem Drummer fehlte, um die Welt im Sturm zu erobern. Der wurde dann auch relativ schnell in der Person von Rick Altschuler gefunden und das Quartett machte sich ohne Umwege ans Werk. Die vorliegende Compilation "Keep On Rockin'" enthält sämtliche Studioaufnahmen der Band verteilt auf zwei Silberlingen, wobei 24 der 28 Songs aus den Jahren 1976 und 1977 stammen.

Warum ungerecht? Ganz einfach deshalb, weil diese Combo eine richtig coole Mischung aus bluesigem Rock und bärenstarken Riffs am Start hatte, dazu drei Lead-Sänger und zeitweise einen höllengeilen Groove auffuhr, was in Kombination einfach nur tierischen Spaß macht. Wenn man sich diese Tracks so anhört, wechseln sich (im positivsten Sinne) Stones-mäßige Riffs mit bärenstarken Double-Leads der Marke Wishbone Ash ab. Wenn man nun auf Vergleiche steht, dann ist allerdings Foghat die Truppe, die mir am passendsten erscheint. Die Rockicks konnten es aber auch mit viel Feeling, wie das wehmütige "She’s Coming Soon" beweist. Als Hauptsänger erwies sich Jerry Zubal (etwa zwei Drittel der Stücke), während sich Naughton und Pate das verbleibende Drittel teilten. Auch hier also viel Abwechslung, was diesem Doppeldecker noch zusätzliches Feuer verleiht. Der Schlagzeuger Rick Altschuler war zwar ab etwa 1977 (oder in Scheiben ausgedrückt ab CD 2) schon wieder Geschichte, wird im Booklet aber als einziger 'wirklicher' Drummer der Band gewürdigt.

Hinsichtlich des Sounds, der ja auch alles andere als unwichtig ist, kommt dieses mysteriöse Element hinzu, das die Rockicks wie eine Mischung aus Garagen-Band und (wenn vielleicht auch unfreiwillig) psychedelischen Hardrockern klingen lässt. Vielleicht ist es aber auch gerade dieser Sound, der den großen Erfolg verhinderte. Vielleicht der Umstand, dass diese Mucke zur damaligen Zeit von nicht gerade wenigen Bands in Umlauf gebracht wurde? Lag es am fehlenden Management? Am fehlenden letzten Quäntchen persönlichem Einsatz der Musiker selbst oder einfach nur am fehlenden Glück? Letzten Endes ist es müßig sich über nicht mehr zu verändernde Fakten noch den Kopf zu zerbrechen, aber eines ist auch klar: An den Songs und den Einspielungen kann es nicht gelegen haben, denn die dürften ein gefundenes Fressen für jeden Rock-Fan sein, der speziell auf die siebziger Jahre abfährt. Anfang der Neunziger schien die Band nochmal einen Anlauf gewagt zu haben, da hier aus dieser Zeit nochmal drei Titel vertreten sind (beim letzten Track handelt es sich um eine kurze Radio-Werbung für das wohl erste Album der Band).

Zurückkommen werden die Rockicks ganz sicher nicht mehr, denn nach Rick Altschuler (2004) ist im Jahr 2012 auch Brian Naughton verstorben. Dennoch handelt es sich bei "Keep On Rockin'" um ein sehr geiles Zeitdokument einer Band, die viel mehr verdient gehabt hätte, als sie letzten Endes erreichte. In meinem CD-Regal bekommt sie auf jeden Fall einen Ehrenplatz. Die Tracks bleiben nicht umgehend im Ohr hängen. Sie lassen den Rock-Fan der Ecken und Kanten aber immer mit dem Gefühl zurück, noch ein weiteres Mal gehört werden zu wollen. Mal ein Ohr riskieren? Dann unbedingt "Hot And Cold", "Highway Gypsy", "Do Or Die" sowie "She’s Coming Soon" (oder was immer ihr auch finden könnt) anchecken!

Ein kleiner Schatz, der sich lohnt gehoben zu werden!


Line-up Rockicks:

Jerry Zubal (guitars, lead & background vocals)
Brian Naughton (guitars, background vocals, lead vocals – CD 1 – #3,7,10, CD 2 – #1,5,7,8)
Sammy Pate Jr. (bass, background vocals, lead vocals – CD 1 – #1,6,8, CD 2 – #2,10-12)
Rick Altschuler (drums – CD 1, CD 2 – #9)
Tom Cherry (drums – CD 2 – #1-8)

With:

Paul Miserantino (guitars, background vocals – CD 2 – #10-12)
Jimmy Hunter (drums – CD 2 – #11)
Dan Crabtree (acoustic guitar, bass, drums, keyboards & background vocals – CD 2 -#13)

Tracklist "Keep On Rockin’…":

CD 1:

  1. Shakin'
  2. Sweet Wealth
  3. Rock’n’Roll Band
  4. Keep On Rockin'
  5. Consideration
  6. Ballad Of Sammy Lee
  7. Sexy Steppin'
  8. Highway Gypsy
  9. Reach For The Sky
  10. Taking It All Away
  11. Let It Roll
  12. Ration Your Love
  13. Hot And Cold
  14. Takin' My Time
  15. She’s Coming Soon

CD 2:

  1. Do Or Die
  2. Fire In The Hole
  3. Here’s To The Future
  4. Takin' My Time (alternate version)
  5. High On The Mountain
  6. Hot And Cold (alternate version)
  7. Hard To Handle
  8. Paid My Dues
  9. By Your Side
  10. Jesse James
  11. Get The Lead Out
  12. Best Of Friends
  13. Consideration (alternate version)
  14. Radio Ad KMET-FM (1977)

Gesamtspielzeit: 69:21 (CD 1), 52:35 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2018 (1976 – 2005)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
News
Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

4 Kommentare

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  1. Olli

    Moin Markus, ich höre gerade dieses Kleinod etwas intensiver, nachdem mich eine Erstlauschung nicht so begeistern konnte. Aber da war ich mal gerade bis Track 4 oder 5 gekommen … schwerer Fehler.
    Nachdem ich deine Rezi gelesen hatte und ich inzwischen natürlich weiß, wie du musikalisch "tickst", dachte ich mir: "Verdammt, das Teil muss doch eigentlich ne Granate sein, wenn der Kerren das in solchen Tönen lobt. Heute also mal die volle Dröhnung und alles komplett hören!"
    Was soll ich sagen … echt irre Ausgrabung für einen Old-School-Rocker mit Faible für bluesige Grundierungen.
    Leider lässt meiner Meinung nach der Sound durchaus mal zu wünschen übrig … das ist über gewisse Strecken reine Demo-Qualität, höchstens … aber mit einer geradezu ansteckenden, infektiösen Wirkung! Foghat und Stones kommen mir dabei übrigens weniger in den Sinn … vielmehr eine Kombo namens Grand Funk Railroad – nur ohne Funk.

    Rock on, Olli

    1. Markus

      Hi Olli,

      klasse, mal wieder von dir zu hören bzw. lesen. Da haben wir offensichtlich die gleiche Meinung. Bzgl. des Sounds hatte ich die 'Garage' ja erwähnt und auch mir ging es so, dass das Teil noch nicht beim ersten Anhören gezündet hat. Dann aber doch und zwar so richtig!
      Und du hast recht, Grand Funk Railroad ist auch eine sehr passende Referenz-Band. Was die Stones angeht, fielen mir da Parallelen gerade auf der ersten CD auf. Aber natürlich hört das jeder mit seinen eigenen Ohren, was ja auch gut so ist.

      In diesem Sinne, Rock’n’Roll!
      Markus

  2. Carlo Luib-Finetti

    Hey Markus, das ist in der Tat eine Entdeckung einer "bärenstarke Band, die niemand kennt" und ein Schatz, den du da ausgehoben hast. Satte Grooves, harte Rhythmen und Licks der 70er, etwas altertümlich, aber das ist halt die Zeit und Entwicklung, die seit dem vergangen ist. Jedenfalls, wer die amerikanischen Rock-Bands aus diesen Zeiten, und da fallen mir "Doc Holiday", "Molly Hatched", "Lynyrd Skynard" oder "Point Blank" ein, mochte und noch immer gelegentlich hört ein, der ist hier genau an der richtigen Adresse. Und richtig, ich höre da auch die härtere Version der Twin Guitars von Wishbone Ash heraus.

    Tja, es ist erstaunlich und auch höchst ungerecht, wie so manche Talente es leider nicht geschafft hatten oder haben, einem größeren Publikum bekannt zu werden. Die Toten haben leider nichts mehr davon, aber wir noch Lebende dürfen das nachträglich genießen.

    1. Markus

      Hi Carlo,

      huch, wo ist denn meine Antwort auf deinen Kommentar hin verschwunden, die ich geschrieben hatte???

      Wie dem auch sei, auch dir vielen Dank für deine Worte. Und ist es nicht herrlich? Während Olli hier keine Rolling Stones und Foghat als Vergleich im Sinn hat, hätte ich im Vergleich nie an die von dir aufgeführten Southern Rock-Bands als Referenz gedacht. Auch dies unterstreicht nur wieder, dass wir alle mit unseren eigenen Ohren hören. Ist doch klasse!

      Cheers,
      Markus

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