Nachdem sich The Byrds trotz eigentlich fast durchgängig starker Alben personell fast selbst eliminiert hatten (1969, nach nur vier Jahren Band-Geschichte, war lediglich noch Roger McGuinn von der Original-Besetzung übrig), ließen ab etwa 1970 auch die Verkaufszahlen kräftig nach. Nachdem dann auch die 1973 vollzogene Reunion der Gründungsmitglieder und ein gleichnamiges Album (das keine guten Reviews bekam und die Musiker deshalb gar nicht erst auf Tour gingen) nichts rissen, wurde die einstige Hit-Combo noch im gleichen Jahr mehr oder weniger sang- und klanglos aufgelöst. McGuinn entschied sich dazu solo weiter zu machen, was immerhin erstmal vier weitere Scheiben (inklusive der sehr guten "Cardiff Rose") und sein Mitwirken auf Bob Dylans legendärer 'Rolling Thunder Revue'-Tour mit sich brachte. Vermutlich davon angestachelt, hatte der gute Roger wohl auch wieder Bock auf eine feste Band, für die er sich den Gitarristen Rick Vito, den Bassisten Charlie Harrison (der ein Jahr später bei bei der Band Poco einstieg) sowie den Drummer Greg Thomas ins Boot holte. Roger McGuinn’s Thunderbyrd war geboren.
1977 erschien das Album Thunderbyrd und im Zuge dessen wurde die Band auch nach Deutschland eingeflogen, um eine von drei Acts der ersten europaweit ausgestrahlten Rockpalast-Nächte zu sein. Die Voraussetzungen waren nicht gerade die besten, da die Band noch extrem unter Jetlag litt und zudem bis in die frühen Morgenstunden des 24. Juli warten musste, bis sie auf die Bühne steigen konnte. Gemunkelt wurde zudem, dass da eine nicht zu unterschätzende Quantität an pulverisierten Wachhaltern im Spiel war. Umso erstaunlicher, dass das Quartett dennoch eine absolut mitreißende Show abzog. Kannte ich die Byrds zwar immer schon (naja, wer kennt zumindest deren Mega-Hits "Mr. Tambourine Man" sowie "Turn, Turn, Turn" auch nicht?), so wurde mein persönliches starkes Interesse an ihr vor knapp dreißig Jahren durch die Platte Untitled im Allgemeinen und durch die dieses Doppel-Album eröffnende Nummer "Lover Of The Bayou" im Speziellen geweckt. Mit genau diesem Stück startete dann auch der Auftritt in der Essener Grugahalle.
Nicht nur, dass die vier Musiker total aufgedreht wirken (inklusive McGuinns fast aus dem Kopf quellenden Augäpfeln), mit einem Opening wie dem bereits genannten Track und dazu Tom Pettys fantastischem "American Girl" sowie dem Byrds-Klassiker "Mr. Spaceman" konnte eigentlich auch gar nichts mehr schief gehen. Die Rhythmus-Abteilung rockt ungehemmt, ist sehr tight und Rick Vito wirkt, als würde er um sein Leben spielen. Apropos Rick Vito, der durfte sich mit "Juice Head" sowie "Midnight Dew" auch als Sänger präsentieren, während der Löwenanteil diesbezüglich natürlich bei Roger McGuinn blieb. Immerhin fünf der neun Songs von "Thunderbyrd" wurden gebracht, während der Rest des Programms größtenteils aus dem Byrds-Repertoire stammte. Der Percussionist Sam Clayton von Little Feat legt einen Gastauftritt bei "Dixie Highway" hin und mit "Shoot Him" ist hier eine wohl sehr rare Nummer aus McGuinns Backkatalog vertreten. Etwas seltsam mutet an, dass die Songwriting Credits für "American Girl", "Midnight Dew" sowie "Feel A Whole Lot Better" (aus der Feder von Gene Clark) auf dem Booklet mit »Unknown« angegeben sind, was sehr wahrscheinlich rechtliche Gründe haben wird.
Als letzter Titel schloss dann das mit knapp sieben Minuten Spielzeit im Vergleich zum "Untitled"-Album recht kurz geratene "Eight Miles High" den Abend, oder besser gesagt die Nacht, ab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt in den Morgenstunden dürften dann allerdings nicht nur die Band, sondern auch das Publikum total durch gewesen sein. "Live At Rockpalast 1977" macht jedenfalls sowohl in der CD- wie auch der DVD-Version einen Höllenspaß und lohnt sich allemal. Der Sound mag zwar nicht optimal sein, dafür wurde er aber authentisch eins zu eins vom Konzert übernommen und vermittelt deshalb echtes Live-Feeling.
Nach diesem einen Album war Roger McGuinn’s Thunderbyrd nur kurze Zeit später allerdings schon wieder Geschichte, da der Bandleader es vorzog, sich wieder mit seinen Ex-Byrds-Kollegen Chris Hillman und Gene Clark zu verbünden. Dieses Projekt (McGuinn-Hillman-Clark) hielt jedoch ebenfalls nur wenige Jahre und drei Alben, wobei Clark bereits auf der zweiten Scheibe nur noch halbherzig und auf einem Bruchteil der Tracks zu hören ist, bevor er entnervt das Handtuch warf.
Line-up Roger McGuinn’s Thunderbyrd:
Roger McGuinn (guitar, lead vocals)
Rick Vito (guitar, background vocals, lead vocals – #6,8)
Charlie Harrison (bass, background vocals)
Greg Thomas (drums)
With:
Sam Clayton (percussion – #9)
Tracklist "Live At Rockpalast 1977":
- Lover Of The Bayou
- American Girl
- Mr. Spaceman
- Why Baby Why/Tiffany Queen
- Golden Loom
- Juice Head
- Chestnut Mare
- Midnight Dew
- Dixie Highway
- We Can Do It All Over Again
- Shoot Him
- Feel A Whole Lot Better
- Turn, Turn, Turn
- Mr. Tambourine Man
- Eight Miles High
Gesamtspielzeit: 71:57 (CD), 74:00 (DVD)
Neueste Kommentare