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Roger Waters / Us + Them – Blu-ray-Review

Roger Waters - Us and them Blu-ray

Roger Waters gehört zwar zu den Gründungsmitgliedern von Pink Floyd, verließ die Band jedoch 1983 nach The Final Cut, das stark von ihm geprägt war – ebenso wie der Vorgänger "The Wall". Letzteres führte er als gigantisches Spektakel 1990 in Berlin (mit Bezug zum Mauerfall) auf, was typische Eigenschaften von ihm zeigte: Neigung zu aufwändigen Inszenierungen und gesellschaftskritischen Inhalten. Womit er sich nicht immer beliebt machte und teilweise auch kritisiert wurde für politische Aussagen. Ein Grundthema von ihm ist die Wirkung der Gesellschaft auf den Einzelnen, Entfremdung, Gleichmachung, außerdem Kriege und die Zerstörung des Planeten, den es zu retten gilt.

2017 / 2018 ging Roger Waters auf große "Us + Them"-Tour, wobei er 156 Shows vor insgesamt über 2,3 Millionen Menschen absolvierte. Unter der Regie von Roger Waters und Sean Evans entstand ein Mitschnitt, der erwartungsgemäß in perfekter Umsetzung/Visualisierung einiges an Show Elementen zeigt, zudem noch Inhalt/Botschaften vermittelt.
Das Ergebnis ist ein Erlebnis, das einerseits atemberaubend, andererseits emotional aufwühlend ist. "Us + Them" ist ein mehrschichtiges Werk, das neben dem erwähnten, qualitativ hochwertigem Songmaterial, gigantische Optik bietet, die jedoch nicht nur zum Selbstzweck existiert, sondern zum Nachdenken anregt – nebst Staunen.

Das zweistündige Werk beginnt mit dem Anblick einer Person, die am Strand sitzt. Über dem Meer baut sich langsam ein Gewitter auf, dann folgt der Schwenk zur Bühne und es wird ersichtlich, dass das Gesehene im Hintergrund in einer Größe ablief, bei der so manche Kinos neidisch werden könnten. Das komplette Konzert lang ist dort etwas zu sehen, gefilmte Szenen, Zeichentrick/Animationen, manchmal auch die Musiker, teilweise in andere Motive hineingeblendet. Allein das ist schon sehr kunstvoll und gelungen, doch das ist bei Weitem noch nicht alles.

Die musikalische Reise beginnt mit der Dark Side Of The Moon, von der die erste Seite größtenteils gespielt wird, unterbrochen von "One Of These Days". Da ist also das grandiose "Time" dabei, aber auch "The Great Gig In The Sky", das ich eigentlich gar nicht so mag. Doch die Umsetzung hier, die Überblendung der beiden Sängerinnen mit Glitzerkleidung zum sternenübersäten Hintergrundbild, das ist wirklich gelungen.
Nach "Welcome To The Machine" widmet sich Roger seiner Soloscheibe "Is This The Life We Really Want" (2017), dabei läuft unter anderem der Videoclip zu "The Last Refugee".

Dann schwenkt er zurück zu Pink Floyd und Wish You Were Here gefolgt von drei Stücken aus der "The Wall". Wie im Film gibt es dazu Animationen, aber nicht die alten von damals, sondern neue. Außerdem treten Kinder auf, stehen zunächst in orangen Overalls (wie im Gefängnis), die Köpfe bedeckt wie bei einer Hinrichtung auf der Bühne. Dann entledigen sie sich beiden und zeigen sich in Jeans und T-Shirts mit dem Aufdruck 'Resist' und tanzen befreit. Hier steckt schon einiges an Aussage drin.

Soweit wäre das schon ein klasse Konzert, doch nun wird showmäßig mächtig aufgebaut und das Bisherige übertrumpft. In der Mitte der Halle senkt sich ein Rahmen, auf dem sich dann eine Konstruktion entfaltet, die an das Cover der Animals erinnert. Ja, genau, die Fabrik, sogar mit rauchenden Schornsteinen. Nun widmet sich Roger Waters dem Konzept mit der Tieranalogie, die an George Orwells "Farm der Tiere" angelehnt ist und die Songs "Dogs" und "Pigs (Three Different Ones)" kommen. Dafür gibt es eine auf der Bühne gespielte Szene, bei der Musiker Schweinemasken tragen und Sekt trinken.

Dann – zu den Zeilen »Big man, pig man / Ha, ha, charade you are« wird das Gesicht von Donald Trump eingeblendet und das bereits bekannte aufblasbare Schwein losgelassen. Hierzu gab es verschiedene Varianten im Laufe der Tour, die teilweise auf herbe Kritik gestoßen sind. In Amsterdam (aufgrund des Mitschnittes?) ist das noch relativ zurückhaltend, dennoch wird klar deutlich, wem "Pigs (Three Different Ones)" gewidmet ist, auch durch Einblendungen diverser Trump-Zitate. Man könnte meinen, die Zeilen »Hey you, Whitehouse / Ha, ha, charade you…« wären schon damals in den 70ern in Vorahnung an ihn entstanden.

Inhaltlich passend geht es weiter mit "Money" und "Us And Them", also der zweiten Seite der "Dark Side Of The Moon".  Auch wenn es dann optisch harmloser wird mit einem pyramidenförmigen Prisma und vielfarbigen Laserstrahlen, das politische Statement hat gesessen. Roger Waters wendet sich gegen Unterdrückung/Unterdrücker, kritisiert Krieg und Umweltverschmutzung, setzt sich ein für Menschen(rechte) für alle, vor allem für Familien mit Kindern, für Hoffnung, für Zukunft, für das Leben. Am Ende seiner Botschaft stehen wieder zwei Songs seines letzten Solo-Werkes, "The Last Refugee" und "Déjà Vu" als Reprise.

Roger Waters - Us + Them - 2 CD Version

Roger Waters – Us + Them – 2 CD Version

»A night of statement, defiance, protest & love« – steht auf dem Cover. Egal, ob man die Ansichten von Roger Waters teilt oder nicht, "Us + Them" ist ein überwältigendes Werk geworden, das auf höchstem technischen Niveau ist, was Bild und Klang angeht. Eine außergewöhnliche Show (die zusätzlich zur Musik auch technisch und optisch durch Perfektion überzeugt) wurde für die Ewigkeit festgehalten. Mit dieser Veröffentlichung wird die Messlatte ziemlich hochgelegt und es wird nicht einfach werden, Mr. Waters das Wasser zu reichen.

Als Bonus gibt es auf der Blu-ray noch zwei weitere Live-Songs "Comfortably Numb" und "Smell The Roses" aus dem Zugabenteil der Tour, außerdem eine Documentary mit Backstage-Impressionen, bzw. Szenen von den Vorbereitungen. Hier sagt Roger, dass er sich wünscht, dass es auf der Welt weniger/kein ’sie' und 'wir' (also "Us + Them"), sondern nur ein 'wir' aller Menschen gäbe.
Neben der Blu-ray gibt es noch weitere Varianten, für mehr Infos, Trailer und das Video zu "Another Brick in the Wall Part 2" siehe hier.


Line-up Roger Waters:

Roger Waters (bass, vocals, acoustic guitar, electric guitar)

Dave Kilminster (guitars)
Bo Koster (keyboards)
Jon Carin (keyboards, guitars)
Jess Wolfe (vocals)
Holly Laessig (vocals)
Ian Ritchi (saxophone)
Gus Seyffert (guitars,bass)
Jonathan Wilson (guitars, vocals)
Joey Waronker (drums)

Tracklist "Us + Them" (Blu-ray)

  1. Intro
  2. Speak To Me
  3. Breathe
  4. One of These Days
  5. Time
  6. Breathe (Reprise)
  7. The Great Gig In The Sky
  8. Welcome To The Machine
  9. Déjà Vu
  10. The Last Refugee
  11. Picture That
  12. Wish You Were Here
  13. The Happiest Days of Our Lives
  14. Another Brick in the Wall Part 2
  15. Another Brick in the Wall Part 3
  16. Dogs
  17. Pigs (Three Different Ones)
  18. Money
  19. Us & Them
  20. Brain Damage
  21. Eclipse
  22. The Last Refugee (Reprise)
  23. Déjà Vu (Reprise)

BONUS:

  1. A Fleeting Glimpse (Documentary)
  2. Comfortably Numb (Live Performance)
  3. Smell The Roses (Live Performance)

Gesamtspielzeit: ca 148 Minuten, Erscheinungsjahr: 2020
FSK: 12

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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