Kenner der Szene sind mit Roland Van Campenhouts musikalischem Schaffenswerk bestens vertraut und sparen auch nicht mit viel Lob. Zurecht, wie ich meine.
Etwa Mitte der Sechziger nahm seine musikalische Laufbahn mit der Gründung einer Skiffle- und Folkgruppe seinen Anfang, da war er bereits 20 Jahre alt. Das Gitarrespielen hat er sich selbst beigebracht. Doch Ende der Sechziger interessierte er sich mehr und mehr für den Blues, wurde in den Siebzigern Mitglied der Rory Gallagher-Band und bereiste mit ihm die Welt.
Außerdem arbeitete er mit vielen anderen Künstlern zusammen in verschiedenen Projekten.
Somit hatte er Gelegenheit, musikalische Einflüsse aller Art kennenzulernen und aufzusaugen wie ein Schwamm. Diese sollten Jahre später in sein Spiel mit einfließen.
Campenhout sprengt alle musikalischen Ketten. Ihn in eine stillistische 'Schublade' zu stecken, würde ihm nicht gerecht werden. Dennoch bleibt der Blues Dreh- und Angelpunkt in seinen Kompositionen.
Seine Diskografie umfasst mittlerweile stolze 28 Alben, das erste erschien 1971 mit dem Titel "A Tune for You". Nun erweitert er diese mit dem Livealbum "Roland & The Deep Blue Sea", welches am 25.07.24 erscheint. Warum erwähne ich dieses Datum so explizit? Weil diese Veröffentlichung nicht allein ein Grund zum Feiern ist, denn Roland Van Campenhout wird an diesem Tag 80 Jahre alt! Da darf man ruhig mal das Glas erheben.
Sechs Songs befinden sich auf dem Album, darunter fünf zwischen neun und elf Minuten lang. Somit kommt die Platte auf eine beachtliche Gesamtspielzeit von fast 52 Minuten.
Das stampfende Intro des Openers lässt kurz Erinnerungen an Argents " Hold Your Head Up" aufkeimen, bis es mit einer psychedelischen Gitarre und mitreißenden Riffs sowie zwischendrin immer wieder aufwallenden Wah-Wah-Klängen brilliert. Das Keyboard bekommt Gelegenheit für ein umfwerfendes Solo und gegen Ende des Songs gibt die Rhythmusfraktion den Startschuss für ein ausführliches Duell zwischen Keyboard und Gitarre. Da steppt doch glatt der Bär!
"Turn Around And Take Me Home" beginnt mit einem völlig entspannten Keyboard. Doch dann schleicht sich ganz langsam die Gitarre ein, der Bass knurrt vor sich hin und Roland Van Campenhout haucht Plant-mäßig ins Mikro. Hergott! Man könnte tatsächlich meinen, Robert himself hat hier den Gesangspart übernommen. Hin und wieder schimmert ein kleines bisschen Led Zeppelins "No Quarter" durch, selbst das eine oder andere 'orientalische Tupferl' fehlt nicht. Doch gegen Songende gibt es noch einmal wilde Saiten-Exzesse und das Ganze endet beinahe in einer Kakophonie aus Drum, Bass und Gitarre.
Bei dem folgenden Intro zu "Fish In The Deep Blue Sea" ist gleichfalls wieder etwas "Hold Your Head Up" zu hören, doch dieses Mal ist es eher eine Slow Motion-Version. Doch im weiteren Verlauf wird daraus ein psychedelischer Blues Rock-Jam allererster Sahne. Der Protagonist hat dieses Traditional komplett zu seinem eigenen Song umarrangiert.
Bis jetzt habe ich übrigens noch nicht viel davon gehört, dass die Platte eine Liveaufnahme sein soll, doch plötzlich ist sowohl mittendrin sowie am Songende aufbrausender Beifall zu hören.
Wie bisher auch ist in "Midnight Star" wiederum eine auffallend gelungene Bassarbeit auszumachen. Dieses Stück lebt von einem wunderbaren Doors-Feeling.
Der Band darf man insgesamt eine hervorragende Jam-Arbeit bescheinigen, bis – ja bis nach einem kurzen Drumsolo plötzlich zur Rock-Attacke 'geblasen' wird. Interessant hier der leicht nasale Gesang, der einem Dylan nicht unähnlich ist.
Grateful Dead meets Led Zeppelin? Könnte man wirklich meinen, denn sehr Zep-mäßig beginnt "Wake Up All The Death". Doch der anschließende Instrumental-Part hat alle Attribute, die eher an Grateful Dead gemahnen. Reichlich Gitarren-Echoes, ellenlange Gitarrenparts, flirrende, fast ausufernde Keyboardklänge und eine vor sich hin blubbernde Rhythmusgruppe bestimmen den Song. Es wird über zehn Minuten lang gejamt, bis sich die Balken biegen.
Die Vocals haben auch hier wieder sehr Plant’sche Vibes.
Der Duktus liegt natürlich, wie sollte es anders sein, auf der famosen Gitarrenarbeit Roland Van Campenhouts. Genial!
Der finale Track auf der Platte fällt mit seinem Südstaaten-Flair und einer Spiellänge von nur über drei Minuten etwas aus dem Rahmen, komplettiert damit aber ein faszinierendes Live-Album.
Wenn ich hier Vergleiche zu verschiedenen bekannten Bands und Musikern gezogen habe, dann nur deshalb, um diese Platte all denjenigen schmackhaft zu machen, die noch nie etwas von Roland Van Campenhout gehört haben (sollten).
Doch am Ende ist es sein Werk, ein gelungenes Werk, ein sehr schönes Geschenk an seine Fans zu seinem 80. Geburtstag. RockTimes gratuliert ganz herzlich.
Line-up Roland Van Campenhout:
Roland Van Campenhout (Gitarre & Gesang)
Mirko Banovic (Bassgitarre)
Bruno Fevery (Gitarre)
Serge Feys (Keyboards)
Teun Verbruggen (Schlagzeug)
Tracklist "Roland & The Deep Blue Sea":
- Out On The Rolling Sea (9:36)
- Turn Around And Take Me Home (9:50)
- Fish In The Deep Blue Sea (8:54)
- Midnight Star (10:44)
- Wake Up All The Death (10:03)
- Under The Sea And Above (3:33)
Gesamtspielzeit: 51:55, Erscheinungsjahr: 2024
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