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Rooftop Getaway / The War In My Head – Digital-Review

Rooftop Getaway / The War In My Head

»Punker an die Front«, schrieb Ulli innerhalb der RockTimes-Redaktion, nachdem das neue Album von Rooftop Getaway uns zur Rezension angeboten wurde. Nein, ich bin kein Punker!

Punkige Riff- und Schlag-Beschleunigungen treffen wir hier durchaus an, die mich hin und wieder an den Wave aus der Post-Punk-Ära erinnern. Mitunter begegnet uns auch ein wenig Annäherung an metallische Licks – doch alles in allem haben wir es auf "The War In My Head" mit frischem energetischen Alternative Rock zu tun, in den die anderen Spielarten sehr geschickt einfließen. Und das ist tatsächlich mein Ding.

Was die Musik aber zusammenhält, sind die melodischen und sehr gut zugänglichen Hooklines, die sich mit den härteren Attitüden der Musik wie eine stimmige Gewürzmischung in einer guten Soße ergänzen. Genau diese Eigenschaften verschaffen der Band eine weit gefasste Bandbreite und lassen  ihre Musik aus reinem Sparten-Denken ausbrechen. Gut für die Zeit nach Corona, wenn die Bühnen wieder zugänglich werden, mit dieser Musik sollten sich zahlreiche Festivals verschiedener Ausprägungen identifizieren können.

Rooftop Getaway stammen aus dem Raum Mannheim, wo eine sehr lebendige Szene seit Jahren existiert und wo ich einst intensive Kontakte pflegte. Ich erinnere mich noch gut daran, als mein alter Freund Mitja Besen mit seiner Band Sophies Earthquake damals gemeinsam mit den Österreichern von Triptonus im 7er Club auftrat – ein Kontakt, an dem ich nicht ganz unschuldig war. Wie gerne wäre ich damals nach Mannheim gereist. Erinnerungen an eine coole Zeit.

"Desensititezed" läuft fünfeinhalb Minuten und ist damit die längste Nummer gleich zu Beginn. Die zahlreichen Breaks und Stimmungswechsel, die fast wie aus einer Hookline des legendären Rainbirds-Songs "Blueprint" zu wachsen scheinen, fallen über uns her wie eine ungestüme Lawine. Klare Gitarren und fast progressive Sprünge, meine Herren, da will man uns in ein paar Minuten zeigen, wo überall im Keller der Hammer hängt. Jungs, beruhigt Euch!

"Stay Strong" beschränkt sich insofern darauf, aus einem eher getragenen Auftakt eine temporeiche Verschärfung einzubauen und mit "Lights Out" tauchen wir weiter hinab in die stimmungsvollen Tiefen dieser Musik, doch die knackigen Breaks bleiben uns treu, hier gravierend in den Zeilen »imagine war« und den stilisierten Maschinengewehr-Salven, die die Drums herauf beschwören, »between the gunshots«. Gewollt oder ungewollt verleihen diese abrupt schwenkenden Wechsel dem Ganzen eine gewisse Hektik und Unstetigkeit. Wir werden ein bisschen wie die berühmte Sau durchs Dorf getrieben.

"Fallen Again" mit ein bisschen Chili Peppers-Flair bleibt für meinen Geschmack erstmals einigermaßen bei sich selbst und beschränkt sich darauf, eine eingeschlagene Stimmung zu entwickeln. Das langsam aufbauende Finale hat Eier, der charismatische Gesang lässt sich von den schönen Gitarren antörnen – und umgekehrt. Aus dem schon zitierten Background entwickelt sich "Against The World" zu einem stimmigen Kracher, der aber durch allzu abrupte Breaks aus meiner Sicht zu sehr aus seiner Atmosphäre gerissen wird. Hier wäre weniger mehr. Man muss nicht die Rhythmik der Rockmusik in jedem Song neu erfinden.
Dafür entspannt sich "Hey You" insgesamt zu einer stimmigen und einschlägigen Nummer und emanzipiert sich mit seinem geilen, treibenden Drive zu einer runden Sache.

Das Beste kommt zum Schluss? Fette Vocals, geile Gitarren und ein aufbrausendes rhythmisches Treiben schenken uns mit "Not Enough" einen geilen finalen Crash, fetziger Alternativ Rock mit der feinen Dosis Melodie, die uns das ganze Gericht schmackhaft macht. Eine stimmungsvolle Nummer mit einem feinen Crescendo zum Finale, die Jungs haben ihre Hausaufgaben gemacht.

Yep, Deutschland bringt gerade in diesen Tagen viele coole Projekte ans Licht und ich kann ihnen allen nur wünschen, dass wir gemeinsam diese beknackten Tage bald überstanden haben werden und das, was wir lieben, endlich nicht mehr nur auf kleinen kreiselnden Scheiben zu hören bekommen. Denn solche Musik möchte raus auf die Bühnen und live vorstellig werden. Rooftop Getaway ist so ein Projekt und eigentlich haben sie einen geilen Club gleich vor der Haustür.

Kraftvoll dynamischer Rock, alternativ und gelegentlich ein bisschen punkig und aus meiner Sicht eher im Post Punk verankert, überrollt uns als tempoorientiertes Chamäleon. Für mein Empfinden könnte man die mitunter fast zu aufgeregten Rhythmuswechsel ein wenig einbremsen und sich mehr auf die Atmosphäre eines Songs konzentrieren, denn die Musik kommt gut rüber. Konzentriert Euch auf das Wesentliche, dann werden wir noch viel Freude an Euch haben.


Line-up Rooftop Getaway:

Björn (vocals)
Christian (lead guitar, vocals)
Michael (guitar)
Stephan (bass)
Ricardo (drums)

Tracklist "The War In My Head":

  1. Desensitized
  2. Stay Strong
  3. Lights Out
  4. Fallen Again
  5. Against The World
  6. Hey You
  7. Not Enough
  8. Gesamtspielzeit: 29:01, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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1 Kommentar

  1. Manni

    Ach, nach all diesen zugeordneten Attributen muss die Frage aus Shakespeare’s "O Romeo, Romeo!" auch lauten:

    Brother, Where Art Thou?

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