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Rory Gallagher / All Around Man – Live In London – 2CD-Review

Rory Gallagher - "All Around Man - Live In London" - 2CD-Review

So unverwüstlich die irische Legende Rory Gallagher zu Lebzeiten äußerlich auch erschien, so gab es dennoch bereits spätestens seit Ende der siebziger Jahren die ersten ernstzunehmenden gesundheitlichen Probleme. Der gute Rory, dessen einzige Schwäche gewesen sein soll, dass sein Glas nie leer sein durfte, bekam von irgendwelchen Ärzten Pillen verschrieben. Zunächst gegen seine Flugangst, dann zusätzlich gegen dies und das und dann immer mehr und mehr und mehr … Ob es daran gelegen hat, oder an der Tatsache, dass das Interesse am Blues Rock in den Achtzigern allgemein nicht mehr so stark vorhanden war? Jedenfalls veröffentlichte der Ausnahme-Gitarrist (das Live-Album "Stage Struck" von 1980 mal ausgenommen) mit "Jinx" (1982) sowie "Defender" (1987) in jenem Jahrzehnt gerade mal zwei Platten, während es in der Dekade davor zeitweise auch mal zwei in einem Jahr waren.

Jedenfalls zog es den Mann von der Grünen Insel 1989 wieder ins Aufnahmestudio, wobei diesmal alles ein wenig anders war. Rory war bis dahin immer bekannt dafür, seine Platten sehr schnell und dadurch mit viel Spontaneität versehenen Aufnahmen einzspielen. Für das damals neue Werk "Fresh Evidence" (1990) verbrachte er dagegen geschlagene sechs Monate hinter verschlossenen Türen. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, konnte er nach Abschluss der Arbeiten kaum erwarten, wieder auf der Bühne zu stehen. Die auf "All Around Men…" zu findenden Aufnahmen stammen von zwei Konzerten am 28. und 29. Dezember 1990 im Town & Country Club in London und starten vielversprechend. "Continental Op" (vom Album "Defender") kommt mit viel Power und Wucht, ganz so, wie man Gallagher liebte und liebt. Mit den Nummern "Heaven’s Gate", "Don’t Start Me Talkin'", "The Loop", "Kid Gloves" oder "The King Of Zydeco" konzentrierte sich der Protagonist – natürlich mit gutem Recht – erstmal auf Material seiner letzten beiden Alben, immer wieder mal aufgelockert von eigenen Song-Klassikern der Marke "Tattoo’d Lady", "Out On The Western Plain" oder "Moonchild".

Auch der zweite Teil, sprich die zweite CD, beginnt mit einem Hammer, hier in der Form von "Shadow Play", dem, nach "I Wonder Who", gleich der nächste namens "Shin Kicker" hinterher geschoben wurde. Und es ist gar keine Frage, dass auch Tracks wie etwa "When My Baby She Left Me", "Messin' With The Kid" von seinem Solo-Debüt oder der "Ghost Blues" richtig stark kommen. Rory Gallagher war auf der Bühne eine Macht, nach der auf Festivals oder auch als Haupt-Act des Abends niemand mehr auf die gerne auf Bühne wollte, weil dieses Level an Intensität nahezu unerreichbar war. Deshalb ist es auch Jammern auf sehr hohem Niveau, wenn ich festhalte, dass mich dieses neue Album nicht zu 100 Prozent abholt, sprich, zu überzeugen vermag. Möglicherweise ist es die Song-Auswahl, möglicherweise hatte sich Rory seine eigene Messlatte in den vorangegangenen zwanzig Jahren selbst zu hoch gelegt oder er hatte (verständlicherweise) wirklich nicht mehr ganz so die Kraft, wie noch die Jahre zuvor. Kein Vergleich zur supergeilen Doppel-CD Check Shirt Wizzard mit Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1977 oder "Stage Struck" (1980).

Aber nochmal, und da wiederhole ich mich gerne: Das ist Jammern auf hohem Niveau, denn klar ist auch, dass ich vollkommen aus dem Häuschen gewesen wäre, würde es sich bei "All Around Man…" um die erste Scheibe handeln, die ich von diesem legendären und nach wie vor unvergessenen Musiker in der Anlage gehabt hätte. Auch knapp dreißig Jahre nach dem Tod des Iren hat der Verfasser dieser Zeilen keinen vergleichbaren Gitarristen und Songwriter kennengelernt, der das technische Können in Verbingung mit starkem Songwriting sowie dieser Urgewalt, dieser unzähmbaren Spielfreude auf der Bühne erreichen, geschweige denn übertreffen konnte. Deshalb sollte man "All Around Man – Live In London" auch als das nehmen, was es ist: Ein gutes, wenn auch nicht sensationelles Live-Album von Rory Gallagher, das sich trotz ein paar Abzügen in der B-Note als eine würdevolle Ergänzung in die (hoffentlich bei jedem/r bereits vorhandene) Sammlung einreiht!


Line-up Rory Gallagher:

Rory Gallagher (guitar, vocals)
Gerry McAvoy (bass)
Brendan O’Neill (drums)
Mark Feltham (harmonica)
Geraint Watkins (piano, organ, accordion)

Tracklist "All Around Man …":

CD 1:

  1. Continental Op
  2. Heaven’s Gate
  3. Don’t Start Me Talkin'
  4. Kid Gloves
  5. Mean Disposition
  6. The Loop
  7. Tattoo’d Lady
  8. The King Of Zydeco
  9. Moonchild
  10. Out On The Western Plains
  11. Ride On, Red, Ride On
  12. Walkin' Blues
  13. Empire State Express


CD 2:

  1. Shadow Play
  2. I Wonder Who
  3. Shin Kicker
  4. Middle Name
  5. When My Baby She Left Me
  6. Ghost Blues
  7. Messin' With The Kid
  8. Keep A Knockin'
  9. Bullfrog Blues
  10. All Around Men

Gesamtspielzeit: 61:53 (CD 1), 46:49 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2023 (1990)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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