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Rory Gallagher / Deuce – 50th Anniversary Edition – 2CD-Review

Rory Gallagher - "Deuce - 50th Anniversary Edition" - 2CD-Review

Gerade erst im Review zur zuletzt erschienenen The Best Of… hatte der Verfasser dieser Zeilen zugegeben, die frühen Alben Rory Gallaghers jahrelang zu Unrecht eher stiefmütterlich behandelt zu haben. Was er mittlerweile jedoch nicht nur hinsichtlich der Band Taste, sondern auch der ersten Solo-Gehversuche des Iren wieder wett gemacht hat. Und dann flattert ihm – zu seiner Freude und passend zum Thema – auch noch die Jubiläums-Ausgabe von Gallaghers zweiter Scheibe "Deuce" aus dem Jahr 1971 ins Haus. Aber genug der Vorreden: Nach der Auflösung seiner Band Taste machte Rory zunächst im Trio-Format weiter, dem außer ihm selbst noch Gerry McAvoy (der bis ins Jahr 1991 an seiner Seite bleiben sollte) am Bass sowie Wilgar Campbell (drums) angehörten. Im Gegensatz zu seinem Solo-Debüt wollte der Frontmann im Studio dieses Mal so genau als nur möglich seinen Bühnen-Sound, sprich das Feeling seiner Live-Shows einfangen.

Rau sollte es klingen, rau und erdig, so authentisch wie nur irgend möglich. Aus diesem Grund wurde auch auf einen Produzenten verzichtet und dieser Job selbst übernommen. Rory wusste schließlich genau, was er wollte. Taktik war es auch, entweder kurz vor (seltener) bzw. kurz nach Konzerten (meistens) direkt ins Studio zu fahren und – vom Auftritt noch adrenalingeschwängert – dort weiter zu machen, wo der Dreier kurz zuvor auf den Bühnenbrettern aufgehört hatte. Und genau diesen Fakt hört man den einzelnen Tracks, die vor Atmosphäre nur so sprühen, auch an. Die Lunte wird bereits mit dem Rocker "Used To Be" gezündet, diesem einprägsamen Riff und einer unglaublich druckvollen Rhythmus-Abteilung. Mit "I’m Not Awake Yet" geht es akustisch und mit der bereits erwähnten dichten Atmosphäre weiter. Unvermeidlich entstehen Bilder oder gar ein ganzer Film vor dem geistigen Auge des Hörers.

Auch bei "Don’t Know Where I’m Going" bleibt Gallagher auf dem folkigen Weg und legt erneut einen Track der Sonderklasse vor, was die Qualität des Songwritings betrifft. Darüber hinaus kommt hier zum ersten Mal die Blues-Harp des Bandleaders zum Einsatz. Auch leicht depressive Zeichen – eine Krankheit, die den Iren in späteren Jahren deutlich stärker heimsuchte – sind hier zu erkennen. Nachdem er zunächst sein Leid geklagt hat, wendet er sich schließlich achselzuckend mit den Worten »Alright, so you don’t sympathize? I don’t expect that you should …« an seinen Gesprächspartner. Es folgt das flotte, aber nachdenkliche "Maybe I Will" und für das den ersten Teil der Scheibe abschließende "Whole Lot Of People" kommt zum ersten Mal sehr ausgiebig die Slide-Gitarre zur Geltung. Nein, hier wurde nun wirklich nicht lediglich ein Studio-Job erledigt, sondern da lodert echtes Feuer in den Einspielungen.

Es würde den Rahmen sprengen, hier auf jeden Track einzeln einzugehen. Einerseits darf man die Behauptung aufstellen, dass die zweite Seite ein Stückchen schwächer ausgefallen ist, andererseits ist das schon Jammern auf sehr hohem Niveau ("In Your Town", anybody?). Und, und jetzt kommt das große 'Und': Das Album schließt in Form von "Crest Of A Wave" mit einem der größten Rory Gallagher-Songs überhaupt! Nicht nur was die Musik, das Songwriting und den Gesang betrifft, sondern auch der Text hat es in sich. Um es kurz zu machen, geht es darum, sich nicht von einem Manager oder einer Plattenfirma vor den Karren spannen zu lassen, um mit kurzlebigen Trends und/oder Moden die schnelle Kohle zu machen, um danach wieder wie ein gebrauchtes Papiertaschentuch fallen gelassen zu werden. Ein echter Kracher zum Abschluss!

Auf der zweiten CD befinden sich Alternative Takes der Album-Songs (abzüglich "Don’t Know Where I’m Going"), die alleine deshalb schon sehr interessant sind, weil sie jeweils anders bzw. mit anderen Soli bestückt sind. Dazu kommen mit "Should’ve Learned My Lesson", "Crest Of A Wave", "I Could’ve Had Religion", "For The Last Time", "Messin' With The Kid", "Don’t Know Where I’m Going" sowie dem "Pistol Slapper Blues" sieben Nummern, die die Band im Dezember 1971 im Studio von Radio Bremen für die damalige (und heute Kult-) Sendung "Beat Club" einspielte und filmen ließ (auch veröffentlicht auf der DVD Ghost Blues). Mit 79 Minuten Spielzeit ist der zweite Silberling also prall gefüllt.

"Deuce" war nach seinem Original-Erscheinen im November 1971 nicht gerade ein großer Hit, da zunächst nur knapp 20 000 Exemplare über die Ladentische gingen. Bei den Fans des 1995 verstorbenen Musikers hatte die Scheibe jedoch immer schon den hohen Stellenwert, den sie auch verdient hat. Dem Rezensenten lag für dieses Review die Doppel-CD-Ausgabe des Albums vor, das zweite Soloalbum von Rory Gallagher kann man sich nach Wahl aber auch in den Formaten 4CDs (mit vielen weiteren Studio-Outtakes), 3-fach Vinyl oder als Einfach-Vinyl zulegen.


Line-up Rory Gallagher:

Rory Gallagher (guitars, harmonica, vocals)
Gerry McAvoy (bass)
Wilgar Campbell (drums & percussion)

Tracklist "Deuce 50th Anniversary Edition":

CD 1 – "Deuce":

  1. Used To Be
  2. I’m Not Awake Yet
  3. Don’t Know Where I’m Going
  4. Maybe I Will
  5. Whole Lot Of People
  6. In Your Town
  7. Should’ve Learned My Lesson
  8. There’s A Light
  9. Out Of My Mind
  10. Crest Of A Wave

CD 2 – "Alternate Takes & Beat Club":

  1. Used To Be
  2. I’m Not Awake Yet
  3. Maybe I Will
  4. Whole Lot Of People
  5. In Your Town
  6. Should’ve Learned My Lesson
  7. There’s A Light
  8. Out Of My Mind
  9. Crest Of A Wave
  10. Should’ve Learned My Lesson
  11. Crest Of A Wave
  12. I Could’ve Had Religion
  13. For The Last Time
  14. Messin' With The Kid
  15. Don’t Know Where I’m Going
  16. Pistol Slapper Blues (#10-16 – Radio Bremen, 21.12.1971)

Gesamtspielzeit: 47:22 (CD 1), 79:00 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2022 (1971)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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