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Røsenkreütz / Divide Et Impera – CD-Review

Røsenkreütz / Divide Et Impera

Bei einer Band namens Røsenkreütz und insbesondere der Schreibweise einen italienischen Hintergrund zu vermuten, würde mehr Fantasie von mir verlangen als ich aufbringen kann. Tatsächlich stammt das Team um den Multiinstrumentalisten und Bandkopf Fabio Serra aus Verona und startete vor sechs Jahren ein erfolgreiches Debüt mit dem Album "Back To The Stars". Erklärtes Ziel und Ausrichtung der Band war eine Brücke zwischen klassischem Prog-Rock und moderneren Sounds in Richtung AOR zu schlagen. Diesen Anspruch verfolgt man offenkundig auch auf "Divide Et Impera", ein lateinisches Motto römischer Politik, na wenigstens das lässt uns ein wenig auf die Herkunft schließen.

Da mir der Erstling nicht bekannt ist, musste ich ein wenig nachforschen und feststellen, dass Fabio bei seinem Zweitschlag sein Personal um einige Gäste ergänzt hat, da kommen klassische Instrumente ebenso ins Set wie der englische Rapper Flamma. Klingt nach einem spannenden Stilmix, in der Besetzungsliste und später auch auf dem Silberling.
Das Erscheinungsdatum des Albums war ursprünglich mal für das Frühjahr angekündigt – das war vor der Corona-Pandemie, die ja bekanntlich Norditalien ganz besonders böse erwischt hat. Letztlich erschien "Divide Et Impera" am 31.07. dieses Jahres.

Die Musik entwickelt sich dem eigenen Anspruch entsprechend mal progressiv, mal in Richtung gängigem Hard Rock und einmal fast schon radiotauglich in "True Lies", vermutlich auch daher für mich der schwächste Song auf dem Album. Fette Keyboard-Soli wechseln mit sehr gefühlvollen und souveränen Klangmalereien, der Gesang ist durchgehend beeindruckend und manchmal fast ein wenig theatralisch. Die Gitarren-Soli sind sparsam verteilt, kommen dann aber mit voller Wucht und Schönheit zur Geltung. Übertriebenes Solo-Geprotze sucht man vergeblich, wie haben es hier mit sehr Team- bzw. Song-orientierten Musikern zu tun.

Einen Höhepunkt bietet quasi in der Mitte des Albums das ruhig fließende "Aurelia" mit sanften akustischen Klängen zu Beginn – Genesis lassen grüßen. Später steigert sich die Nummer in einem mitreißend quirlig mäandernden Piano-Solo, das in ein fast schon riffig düsteres Break mündet, bevor eine zarte Gesangspassage sehr eindringlich den Song beendet. Ein tolles, emotionales  Stück. Es gibt aber auch Momente, wo mich ein wenig vom Geist eines Neal Morse empfängt, nämlich in der eindrucksvollen Nummer "Imaginary Friend", die so ähnlich auch in dem großen Epos um den Pilger und seinen Sohn Platz gefunden hätte. Und dass die Gesangspassagen ein wenig Queen-Feeling vermitteln, passt dazu durchaus ins Bild – da bedient sich Neal auch ab und zu.

Schon der fette Auftakt in "Freefall" mit seinen satten Orgelwänden und verspielten Keyboard-Applikationen nimmt mich sofort mit auf die Reise und ich denke mir, alter Schwede, diese schönen Harmonien haben Gene aus dem hohen Norden. Es grüßen Kaipa und noch mehr die Flower Kings. Damit hat man meine Freundschaft sofort gewonnen. Es stellt sich schnell heraus, dass die Kompositionen weitgehend sehr raffiniert gestaltet sind, jedoch einer deutlich Song-orientierten Struktur folgen. Das wirkt organisch und gewachsen.

Mein persönlicher Kracher ist das schöne "The Candle In The Glass", wo sich aus anfangs zarten Linien zwischen akustischer Gitarre und Gesang ganz allmählich steigernd ein intensives Gefüge aus von geslideter Gitarre gestützten Strophen und einem stetigen Crescendo in den verbindenden Gitarrensoli entwickelt, bis die Haare zu Berge stehen. Die Melodik überwiegt hier eindeutig über virtuose Einzeltaten. Es geht einzig darum, die Stimmung des Stückes zu halten und den Spannungsbogen durchzuziehen. Das bewegt, ein toller Song, der so zurück genommen endet wie er begann. "I Know I Know" gehört dann sicherlich in die AOR-Schublade und punktet mit satten Soundwänden.

Im epischen Abschluss "The Collector" fühle ich mich mitunter in die chaotischen Kakophonien aus dem unvergesslichen Epos "Gates Of Delirium" von den Prog-Veteranen Yes zurückversetzt. Und zwischendrin lassen die Neo-Progger von Arena grüßen, wo man sich stark an Passagen aus meinem Lieblingsalbum "The Visitor" erinnert fühlt. Auch wieder so ein toller Kontrast zwischen wild und sanft, geil. Die melodischen Harmonien sorgen wiederholt für Gänsehautmomente, das ganze Werk ist ein wahres Drama mit vielen Stimmungsschwankungen und immer aggressiveren Breaks, die Spannungsamplitude geht rauf und runter. Da wird zum Schluss dann sogar eine gute Portion Bombast und Theatralik aufgesattelt; passt aber in die Atmosphäre, genau wie der hier sehr Queen-verwandte Gesang. Freddy hätte es sicher gefallen.

Es ist natürlich Geschmackssache, aber für mich erreicht das Album insgesamt die stärksten Momente durch die markanten Kontraste zwischen hinreißend schönen, stillen Passagen, fetzig krachenden Songstrukturen und mitunter wilden Improvisationen und Breaks wie im finalen Epos. Es ist faszinierend, wie man sich immer wieder tief in die Klangbilder anerkannter und durchaus sehr unterschiedlicher Vorbilder aus der guten alten Zeit vertieft – und da nennt Fabio ja einige prominenten Namen. Muss er nicht, man hört es heraus. Die Band schafft es aber ohne Zweifel, diese verschiedenen Einflüsse stimmig unter einen Hut zu bringen und die durchgängig gelungene Produktion sowie die musikalische Bandbreite aller Beteiligter sind ein weiterer Pluspunkt für Røsenkreütz. "Divide Et Impera" bietet modernen Prog mit vielen historischen Wurzeln, hat aber einen ausdrücklich eigenen Duktus. Erdig fette Passagen wechseln mit filigranen akustischen Spielereien. Die Kompositionen sind vielfältig und spannend, weisen aber dennoch eine gewisse Eingängigkeit auf. So lass ich mir das gefallen.


Line-up Røsenkreütz:

Fabio Serra (guitar, keyboard, vocals)
Gianni Brunelli (drums, percussion)
Gianni Sabbioni (bass, chapman stick)
Massimo Piubelli (lead vocals)
Carlo Soliman (piano, keyboards)
Eva Impellizzeri (viola, add. Keyboard, vocals)

Guests:
Evequartett (strings)
Daniela Pase (add. backing vocals)
Flamma (vocals)

Tracklist "Divide Et Impera":

  1. Freefall
  2. Imaginary Friend
  3. The Candle In The Glass
  4. I Know I Know
  5. Aurelia
  6. True Lies
  7. Sorry And
  8. The Collector

Gesamtspielzeit: 64:14, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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