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Samsara Blues Experiment / One With The Universe – CD-Review

samsara blues experiment-one with the universe

Das Samsara Blues Experiment ist zurück, und ich gebe gerne zu: sehr zu meiner Freude. Ihr Debüt-Album Long Distance Trip hatte mich 2010 vom ersten Moment an in seinen Bann gezogen, eine meiner Lieblingsplatten dieses Jahres. Aber sie kommen neuerdings als Trio. Richard Behrens, den ich vor einiger Zeit mal als Soundmann von Kadavar in Düsseldorf getroffen hatte, bewegt nicht mehr die dicken Saiten, da bedient sich jetzt der frühere zweite Gitarrist Hans Eiselt. Immerhin hat Richard die Musik seiner alten Kumpane aufgenommen und gemixt. Ansonsten geht die Mannschaft nominell unverändert ins Rennen, Thomas Vedder bedient den Schlag und der Kopf der Band Christian Peters zeichnet noch immer für Gitarre und Gesang verantwortlich. Aber eben nicht nur. Der Keyboard-Einsatz gewinnt auf "One With The Universe" an Bedeutung, sicherlich auch dem Rückzug des zweiten Sechssaiters geschuldet. Vor allem aber schenkt er uns wieder die herrliche Sitar, die dem Samsara-Sound schon immer diesen leicht indisch, spirituellen Einschlag gegeben hat.

Überhaupt scheint es mir, dass sich die Band auf ihre wahren Stärken besonnen hat, und die liegen ganz unzweifelhaft in jenen wunderbaren psychedelischen Strömungen, die sie wie kaum eine andere Formation in dieser Zeit zu entwickeln versteht. Ihre epischen Ausflüge waren schon immer meine Lieblingsnummern und zu solchen Stücken findet SBE auf "One With The Universe" erfolgreich zurück.
Was aber keinen Zweifel an der Tatsache aufkommen lassen sollte, dass die Jungs aus Berlin eben auch der Stoner-Szene entwachsen sind, auf harte Riffs verstehen sie sich genauso gut wie einen hypnotischen Drift. Dazu die intensiveren Tastenausflüge in den Arrangements, so haben wir die markanten Zutaten der Band zum neuen Album hinreichend betrachtet, steigen wir ein und werden eins mit dem Universum.

Perfekt, mit sphärischer Untermalung und ganz viel Geduld, entwickeln Samsara Blues Experiment schon im Opener "Vipassana" das Hauptthema mit seinen krachenden und doch irgendwie melodisch passenden Riffs. Das ist vielleicht die prägnanteste Eigenschaft der Band, sich alle Zeit der Welt (oder eben des Universums) zu nehmen und ein Thema langsam und voller Sorgfalt voranzutreiben. Hier übrigens driften wir überrascht in ein tolles Keyboard-Solo aus dem Dunstkreis zwischen Pink Floyd und Tangerine Dream, das sich sehr schön einbettet in die tragenden Riffs. Bei entschleunigtem Tempo bringt Christian in weiteren Exkursen eine archaische Lead-Gitarre in die klangliche Landschaft. Total zurückgenommen, fast auf einen einzelnen Ton reduziert dehnt und streckt diese Passage geradezu doomig den geneigten Zuhörer.

Und dann spricht der traurige Guru, "Sad Guru Returns"; ebenfalls – nein, noch viel deutlicher ein rifforientierter Song. Hier liegt der Stoneraspekt ganz weit vorn, eine weitgehend sehr dynamische und treibende Nummer.

Spätestens dann aber erhebt sich der Geist des Psych und driftet uns in ein rockmusikalisches Nirwana. Diese meditativen Elemente sind es, die ich an Samsara Blues Experiment so sehr schätze. Die Sitar phrasiert erstmals dezent im Hintergrund, das Tempo wechselt zwischen eher verschleppten Passagen, hier besonders schön mit der treibenden Orgeluntermalung, und wunderbaren Intensitätssteigerungen bis hin zum sanften Ausklang.

Dann ist es Zeit, abzuheben. "One With The Universe" ist nichts anderes als ein Musik gewordener Strom meditativer Energie, ganz dem Titel entsprechend. Versammelt, in sich ruhend und mit aller hingebungsvoller Entspanntheit lässt man sich Zeit, den gemächlich gleitenden Groove aufzubauen. Fast zärtliche Synthesizerklänge, puristische Bässe und mäandernde Gitarren treiben uns einer Lotusblüte gleich auf dem ewigen Fluss des Lebens mit sanftem Antrieb vorwärts, hinein in die große Transzendenz. Ganz allmählich steigert sich der Schlag und in einem rhythmischen Break wechselt die Farbe des Songs, es wird das Feld bereitet für einen ekstatischen Abflug der Sonderklasse. Wenn jetzt Christian Peters seine Sologitarre in Position bringt, dann erreichen wir den absoluten Höhepunkt des Albums. Der Junge hat es einfach drauf, vor allem, weil er eines hat, für das ich ja meinen Lieblingshelden Warren Haynes so sehr bewundere: Einfühlungsvermögen. Die Soli gehen wunderschön ab, psychedelisch fuzzig, aber immer mit einem Plan für die aktuellen harmonischen Bedürfnisse der Songs. Bei aller Wildheit bilden die Freak-Outs stets einen melodiösen Träger der Musik. Das ist wirklich großartig. Die Steigerung zum Ende hin nimmt fast erotische Ausmaße an, besonders wenn man sich dazu die schöne Cover-Art vergegenwärtigt, wo ein Menschenpaar in embryonaler Position in einer stilisierten Weltenkugel als Uterus eng verschlungen kauert. "One With The Universe" lautet ja schließlich der Titel des Albums.

"Eastern Sun & Western Moon", also eine Art Yin und Yang, bildet einen fantastischen Abschluss dieses kraftvollen und gelungen Albums und es scheint, als ob hier noch einmal die wesentlichen Aspekte der Musik der Band reflektiert werden sollen. Nach den ausgedehnten psychedelischen Exkursen zuvor stehen noch einmal heftige Riffs im Vordergrund, ein Song, mit dem man die Fans vor der Bühne mächtig auf Touren bringen wird. Am Ende driften wir mit experimentellen Sounds hinaus, die ein wenig an Kubricks "2001" erinnern – zu diesem filmischen Meisterwerk gibt es ja auch thematisch ein paar sehr interessante Schnittstellen.

Der Mix aus stonergeschwängerten Riffs und psychedelischen Drifts sowie die Kontrastrierung zwischen der wirklich sauguten Gitarre und diversen Tastenelementen überzeugt mich total. Samsara Blues Experiment sind nach drei Jahren wieder da und liefern ein großartiges Statement deutscher Underground-Musik, eigenständig, geheimnisvoll und inspirierend, ein Album mit einem ganz und gar stimmigen Konzept – und mal ehrlich, wer möchte nicht eins sein mit dem Universum?


Line-up Samsara Blues Experiment:

Christian Peters (guitar, vocals, keyboards, sitar)
Thomas Vedder (drums, percussion)
Hans Eiselt (bass, percussion)

Tracklist "One With The Universe":

  1. Vipassana
  2. Sad Guru Returns
  3. Glorious Daze
  4. One With The Universe
  5. Eastern Sun & Western Moon

Gesamtspielzeit: 48:18, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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