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Savoy Brown / Boogie Brothers – CD-Review

Die britische Band Savoy Brown wurde im Jahr 1966 von Kim Simmonds (guitar, piano, harp) als Savoy Brown Blues Band in London gegründet und war in Vielem mit den Gruppen von John Mayall vergleichbar. Wie Mayall wurde Simmonds in Newbridge, Wales geboren und war über die Jahre hinweg die einzige Konstante im Savoy Brown-Line-up. In der bis heute aktiven Band spielten im Laufe der  Jahrzehnte über hundert Musiker. Die Fluktuation hatte also absolute Hochkonjunktur. Trotzdem legte Savoy Brown in den Anfangszeiten ein unglaubliches Tempo vor, was Album-Produktionen betrifft. So ist die hier zu besprechende Scheibe "Boogie Brothers" bereits der elfte Longplayer in nur sieben Jahren. Kim Simmonds schien in den Anfangszeiten also nur so vor Kreativität zu strotzen.

Das Besondere an "Boogie Brothers" ist in jedem Fall die Besetzung an den Gitarren, denn neben Simmonds selbst schulterten Stan Webb (Chicken Shack) und Miller Anderson (Ex-Keef Hartley Band) die Sechssaiter und spielten eine packende Gitarrensession ein. Mit dabei waren außerdem noch Jim Leverton am Bass und der Schlagzeuger Eric Dillon. Dieses Album sollte das einzige in diesem Line-up bleiben und hat vielleicht auch deshalb einen ganz besonderen Status in der Bandhistory.

Die neun Titel auf dem Album glänzen durch absolute 'Arbeitsteilung' am Sechssaiter und beim Leadgesang. Die drei Topleute wechselten sich in der Rhythmus- und Leadarbeit ab und teilten sich teilweise auch innerhalb eines Songs die Soloeinlagen. Da alle drei auch hervorragende Sänger sind, weisen die Titel eine enorme Flexibilität auf. Und selbst das Songwriting wurde untereinander aufgeteilt. So stammen zwei Stücke aus der Feder von Simmonds und einmal ist Stan Webb der Komponist. Allein Miller Anderson steht fünfmal als Autor hinter einem Songtitel. Die Spielzeiten bewegen sich zwischen 2:00 und 7:08 Minuten und hätten von mir aus durchaus wesentlich länger ausfallen können.

Stampfend und riffbetont geht es mit dem "Highway Blues" los. Stan Webb ist am Mikrofon zu hören und Kim Simmonds spielt die Slidegitarre und ist für das zweite Solo verantwortlich. Ein toller Einstand! Ganz Bottleneck-orientiert geht es mit "Me And The Preacher" weiter, bei dem Simmonds herrlich singende Töne produziert und alle drei Axemen dem Harmoniegesang frönen.

Ruhig und mystisch beginnt "My Love’s Lying Down". Stan Webb lässt hier fast Sprechgesang ertönen und das erste Sechssaitersolo erinnert stark an Peter Green. So langsam steigert sich der Song und endet mit einem weitaus kräftigeren Gitarrenalleingang, für den Stan Webb verantwortlich zeichnet.

"You Don’t Love Me (You Don’t Care)" ist die einzige Coverversion des Albums. Das Stück hat einen unheimlichen Groove und bekommt durch die von Simmonds gespielte Harmonika ein ganz besonderes Flair, wobei sich Simmonds und Anderson auch ein tolles Gitarrenduell im Mittelteil liefern. Diese Mini-Jamsession ist richtig toll gemacht. Dann wird das Tempo drastisch runter gefahren. Miller Anderson an den Vocals und der Akustikgitarre und Kim Simmonds per steel guitar bestreiten "Always The Same" im Alleingang. Und das mit jeder Menge Feeling.

"Everybody Loves A Drinking Man" ist der 'Ohrwurm' des Albums. Die Gitarren ergänzen sich perfekt und geben so richtig schön Gas. Gleichzeitig animiert ein extrem eingängiger Refrain zum Mitsingen. Der Titel ist sicherlich nicht der anspruchsvollste aber dafür der eingängigste Song des ganzen Albums.

Mit "Rock’n’Roll Star" rollt das längste und stärkste Stück aus den Boxen. Miller Anderson setzt das erste Solo punktgenau und ist auch für die Lead Vocals zuständig, während Stan Webb am Ende noch ein gitarristisches Highlight obendrauf setzt. Der Song geht ab wie Hölle und ist wohl DER Anspieltipp von "Boogie Brothers". Ganz dicht gefolgt von dem stampfenden Titelsong. Alle drei Gitarren braten was das Zeug hält und Kim Simmonds setzt ein tolles Solo in den Mittelteil. Energie pur ist angesagt. Hier werden alle Register der Gitarrenkunst gezogen.

Beschlossen wird die Scheibe mit dem kurzen, instrumentalen "Threegy Blues". Noch einmal blitzt bei diesem Slow Blues das große Können der Musiker auf und fördert ein tolles Zwiegespräch zwischen Webb und Simmonds zutage. Leider ist dieser Song viel zu schnell vorbei, wie man überhaupt sagen muss, dass jeder einzelne Titel live auf der Bühne ein Highlight gewesen wäre. So müssen wir uns aber mit diesem einzigen Tondokument der wohl besten Savoy Brown-Besetzung begnügen, die jemals existiert hat. Schließlich standen die nächsten Musiker schon in der Warteschleife für die Nachfolge bei Savoy Brown.


Line-up Savoy Brown:

Kim Simmonds (guitar, slide guitar, vocals)
Miller Anderson (guitar, vocals)
Stan Webb (guitar, vocals)
Jim Leverton (bass)
Eric Dillon (drums)

Tracklist "Boogie Brothers":

  1. Highway Blues (4:04)
  2. Me And The Preacher (3:34)
  3. My Love’s Lying Down (5:53)
  4. You Don’t Love Me [You Don’t Care] (5:56)
  5. Always The Same (2:00)
  6. Everybody Loves A Drinking Man (3:04)
  7. Rock’n’Roll Star (7:08)
  8. Boogie Brothers (5:20)
  9. Threegy Blues (2:12)

Gesamzspielzeit: 38:48, Erscheinungsjahr: 1974

Über den Autor

Jürgen Bauerochse

Hauptsächlich zu besprechende Musikstile: Blues, Blues Rock, Southern Rock, Classic Rock
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