Die Frage an Kim Simmonds, ob man Rückschlüsse aus der Covergestaltung der neuen Scheibe ziehen könnte, dass er eventuell eine Tendenz zum Makabren besitzt, beantwortet er folgendermaßen: »Blues handelt schon immer vom Teufel, Hexereien und dergleichen, zudem habe ich schon immer über diese Themen geschrieben! Mindestens drei Songs von "Witchy Feelin'" haben Einflüsse der Hoodoo-Bewegung.« Ich denke mir gerade ein kleines Augenzwinkern dazu.
Nun, Simmonds wäre nicht der erste, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Welcher Blueser kennt nicht die Geschichte von Robert Johnson, der für seine erstaunliche Fingerfertigkeit seine Seele an den Teufel verkauft haben soll. Und dass Simmonds, dessen Inspirationsquelle übrigens Buddy Guy, Otis Rush und viele andere Chicagoer Gitarristen sind, ebenfalls über eine überragende Spieltechnik verfügt, wird wohl kaum jemand abstreiten wollen.
Seit ihrer Gründung 1965 hat die Band um Gründer Kim Simmonds schon unzählige Studioscheiben veröffentlicht und doch klingen diese nie 'abgenutzt', im Gegenteil, sie haben eine gewisse Leichtigkeit, viel Gefühl und sind immer für eine Überraschung in Sachen Abwechslung gut. Vielleicht liegt es ja tatsächlich auch an den unbeständigen Mitmusikern, denn wie schrieb mein Kollege in seiner Rezension zum Album Goin' to The Delta: »Mit den restlichen Musikern, die im Laufe der Jahrzehnte mit oder als Savoy Brown auf der Bühne standen, kann man locker zwei große Reisebusse füllen.« Doch halt, was sehen meine lesebrillengestärkten Augen? Seit Voodoo Moon (2011) scheint sich eine gewisse Konstante in der Bandbesetzung eingeschlichen zu haben. Aber das kann uns völlig egal sein, denn wie sagte Helmut Kohl 1986? »Entscheidend ist, was hinten rauskommt.« – ähm…
Auch "Witchy Feelin'" ist wieder ein hörenswertes Scheibchen, hat sich seit ein paar Tagen in meinem Player häuslich eingerichtet. Schon der knackige Opener mit coolem Riff, in welchem es um die Kraft der Liebe geht, reißt mich sofort mit. "Livin' On The Bayou" weckt gleich Assoziazionen an die Dire Straits und – ja – selbst die Stimme hat frappierende Ähnlichkeit mit Mark Knopfler. Bei dem treibenden "I Can’t Stop The Blues" hab ich irgendwie Rob Tognoni im Hinterkopf und als die ersten, sanften Töne des Titelsongs – einem Slow Blues, erklingen, in welchem Drummer Garnet Grimm die Becken mit einem Besen streichelt, der Bass locker vor sich hin blubbert und Simmonds der Gitarre sanfte Töne entlockt, schoss bei mir sofort Peter Green durch den Kopf.
"Guitar Slinger" könnte ohne Weiteres auf eine Gallagher-Platte passen. Simmonds erzählt in diesem Stück, wie er »einen großartigen Gitarristen in einer alten Country Bar« sah. Dieser war wohl kein Geringerer als Roy Buchanan, den er 1969 zum ersten Mal sah.
Da ist sie endlich, die Slide, die der fast 70jährige Gitarrist hervorragend beherrscht. "Vintage Man", ein toller Slide-Boogie à la Thorogood, animiert zum mitwippen, "Standing In A Doorway", wiederum mit Slide-Gitarre, ist genau so John Campbelljohn-mäßig, wie der folgende "Memphis Blues". Selbst die Stimme erinnert mich an meinen Slide-Favoriten.
In knapp acht Minuten "Thunder, Lightning & Rain" werden sämtliche Register gezogen. Wah Wah-Gitarre, treibende Drums und ein spitzenmäßiger Tieftöner, der das Gesamtkonzept zusammenhält. Simmonds beweist, dass die Axt bei ihm in den besten Händen ist und liefert uns hier ein Lehrstück in Sachen Klampfen-Arbeit. Seine langen Solo-Parts spielt und platziert er routiniert, ohne diese jedoch überzustrapazieren. Zum Abschluss gibt es ein Instrumentalstück mit "Close To Midnight", welches noch einmal Erinnerungen an den großartigen Peter Green aufleben lässt.
Fazit: Kim Simmonds und seine Mannen haben den Blues nach wie vor im Blut und ein Album in bewährter Manier abgeliefert. Mal locker fluffig, mal knackig, mal entspannt sind die Stücke, welche vom 'Chef' persönlich geschrieben worden sind und auch das Album hat er selbst produziert. Alles in allem eine sprichwörtlich runde Scheibe, die Blues-Fans mit Sicherheit erfreuen wird.
Line-up Savoy Brown:
Kim Simmonds (guitar, vocals)
Pat DeSalvo (bass)
Garnet Grimm (drums)
Tracklist "Witchy Feelin'":
- Why Did You Hoodoo Me (5:14)
- Livin' On The Bayou (6:01)
- I Can’t Stop The Blues (5:27)
- Witchy Feelin' (4:37)
- Guitar Slinger (3:53)
- Vintage Man (3:03)
- Standing In A Doorway (5:41)
- Memphis Blues (4:37)
- Can’t Find Paradise (4:29)
- Thunder, Lightning & Rain (7:56)
- Close To Midnight (4:10)
Gesamtspielzeit: 54:56, Erscheinungsjahr: 2017
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