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Seeking Raven / Lonely Art + The Ending Collage – CD-Reviews

CD-Review zu Seeking Raven - The Ending Collage

Wie unterschiedlich doch zwei CDs der gleichen Band (oder besser des gleichen Projekts) sein können. Zusätzlich zu ihrem neuen Album "The Ending Collage" überließen uns Seeking Raven auch noch ein Exemplar des Vorgängers "Lonely Art". Gemeinsam ist beiden Werken von Seeking Raven ihr Mastermind János Romualdo Krusenbaum. Der Multiinstrumentalist aus Kamp-Lintford begann als Sechsjähriger Klavier zu lernen, im Lauf der nächsten 20 Jahre kamen weiter Keyboards, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Blockflöte dazu. Dass Krusenbaum so richtig was kann, hat er bereits auf Joe Materas Album Terra Firma bewiesen. So verwundert es auch nicht, dass er "Lonely Art" allein geschrieben und eingespielt hat. Der amerikanische Toningenieur James Strickler hat beide Alben gemischt und gemastert. Für Live-Gigs hat sich Seeking Raven mittlerweile als festes Trio mit Jan Jerig am Bass und Martin Zang am Schlagzeug formiert.

CD-Rezension zu Seeking Raven - Lonely ArtLonely Art

Das Debüt von 2012 kommt düster daher. Eine tiefschwarze Rabensilhouette vor grauem Hintergrund ziert die Vorderseite des Covers. Schwer schleppend, wird hier Prog, Metal und ein Hauch Gothic einmal quer durch den Garten präsentiert. Alles, was da so wächst und gerne genommen wird, wird sorgsam gepflückt, geputzt und in den großen Topf geworfen. Gut umrühren, einen kräftigen Schuß Epos rein, aufkochen und dabei immer mal wieder vor sich hingrowlen lassen. Klargesang und fieses Geflüster runden die gesangliche Seite ab. Mit ein paar Sprenkeln mittelalterlicher Weisen aufgießen und mit romantischen Flötenpassagen an wummerndem Schlagzeug verfeinern. Dahinter eine Grundlagen aus schleppender Karawane im Wechsel mit ratternden Drums. Die Elektrische darf sich ausgiebig austoben. Bass und Schlagzeug sorgen für rumpelnden Groove. Abwechslungsreich werden die Zutaten immer wieder neu kombiniert, durchgehend auf die härtere Art.

Technisch ist schon hier alles fein gemacht. Nicht ganz abwegig ist eine Parallele zu Pain Of Salvation und Kristoffer Gildenlöw. Denn der Zweitling zeigt sich von einer anderen Seite.

The Ending Collage

Schon rein äüßerlich kommt "The Ending Collage" heller und freundlicher rüber. Das Coverartwork auf der Außenseite erinnert an eine Kinderbuchilllustration im Stil von Maurice Sendak ("Wo die wilden Kerle wohnen"), eine Person im Ruderboot fliegt über die Dächer einer kleinen Stadt einer wolkenverhangenen Sonne entgegen. Innen wird es dann ganz farbenfroh, die Silhouette eines Paares zeichnet sich schwarz vor einem Abendhimmel in gelb-orange-rot-violett-blau ab.

Verspielt und leicht startet der Opener "Road To The City" mit einer verhallten Stimme und klimpernden Keyboards. Das hält aber nicht lange an, denn die dazukommenden Gitarren sind verrauscht und verzerrt. Der ganze Song wechselt zwischen Idyll mit fast Kinderliedflair und Alternative Rock hin und her. Das "Requiem" klingt getragen und feierlich, wird aber mit kleinen Akzenten flirrender Unruhe durchsetzt. "A Second Chance" hat im Hintergrund ein 'Treppchen zum Himmel' stehen, kriegt aber die Kurve zur Eigenständigkeit dann doch immer wieder. Mehrstimmiger Gesang lässt bei "Rose" (und weiteren Titeln) an die Pilzköpfe oder sogar weiter zurück in die 20er mit Comedian Harmonists und Konsorten denken. Der Ausklang von "The High Art Of Flying" lässt mich in seiner Dynamik kurz an Queen denken. Großes Erzählkino leitet "It’s Okay" ein, im Kopf läuft ein Abenteuerfilm mit Pferden, Wäldern und mehr oder weniger edlen Herren.

Sehr folkig klingt "The Vanishing Of The Little People" mit Flötenparts, romantischer Akustikgitarre und beschwingtem Grundrhythmus. "Dance Darling Dance" geht ganz tief unter die Haut. Die Gastsängerin Alina Krüger ergänzt die Männerstimme und setzt einen interessanten und wohldosierten Akzent. Was die da tanzen und warum sie gegen Ende so sehr stöhnen muss, bleibt der Fantasie des Hörers überlassen. Vielleicht war es ja einfach nur heiß und das Donnern am Ende des Songs war nur das erleichternde Gewitter…

Hoppala, Kneipenstimmung macht sich in "Truth" breit. Irgendein Pub in Irland, Schottland oder Auenland stellt die passende Kulisse für diesen Schunkler dar und die Humpen, aus denen gesoffen wird, sind aus massivem Holz. Ganz anders dagegen die Stimmung bei "Brave New World". Passend zur literarischen Vorlage kriecht hier Beklemmung, Angst aber auch Wut aus den Lautsprechern – gut umgesetzt!

Alles in allem legen Seeking Raven hier gleich zwei interessante Alben vor. Geht der Erstling noch stark in die harte Kante, so können am Zweitling auch Liebhaber der nicht ganz so brachialen Töne Gefallen finden. Auf beiden Werken sind vielfältigste Einflüsse und Effekte verarbeitet. Beide verlangen, dass man sich auf sie konzentriert und einlässt, als Hintergrundgeplätscher sind sie eher nicht gedacht.

Ein paar kleine Kritikpunkte möchte ich dennoch anbringen: Ein 'Gimmick' am Ende eines Songs kann nett oder auch witzig sein, der Effekt nutzt sich aber auch irgendwann ab. Verschiedene Stile und Einflüsse zu mischen ist spannend, manchmal ist es mir etwas zu viel des Guten. Die eingeschlagene Richtung stimmt aber auf jeden Fall und auch wenn auf den ersten Eindruck die Alben sehr unterschiedlich wirken, zeigen sich beim wiederholten und aufmerksamen Hören doch Gemeinsamkeiten. Auch wenn der rote Faden manchmal noch überdeckt wird, kann man ihn doch durchgehend erkennen.


Line-Up Seeking Raven (2012):

János Krusenbaum (vocals, all instruments)

Line-Up Seeking Raven (2016):

János Krusenbaum (vocals, bass, guitar, drums, keys)
Jan Jerig (bass, backing vocals)
Martin Zang (drums, samples, backing vocals)

additional musicians:
Georg Krusenbaum (acoustic guitar, Bodhrán – #2, 9)
Réka Krusenbaum (english flutes, thin whistle)
Alina Krüger (vocals – #10)
Patrick Gros, Max Krüger (vocals – #7)

Tracklist "Lonely Art":

  1. Searching For Those Eyes
  2. Lonely Art
  3. Becoming A Hermit
  4. Untold Stories
  5. Rising Sun
  6. Momo The Woodfire
  7. Sad Clockwork
  8. Mother Of All
  9. Prelude Of Truth
  10. Chaos Town
  11. Seven Fountains
  12. The Last Walz

Gesamtspielzeit: 52:26, Erscheinungsjahr: 2012

Trackliste "The Ending Collage":

  1. Road To The City
  2. Requiem
  3. The River Lethe
  4. A Second Chance
  5. Rose
  6. The High Art Of Flying
  7. It’s Okay
  8. Summer Days
  9. Vanishing Of The Little People
  10. Dance, Darling, Dance
  11. Truth
  12. I, The Raven
  13. Brave New World
  14. The Movie’s End

Gesamtspielzeit:  54:23, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Sabine Feickert

Hauptgenres: Rock, Deutschrock, Mittelalter, 'leise Töne'
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