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Shoot / On The Frontier – LP-Review

Shoot ‎/ On The Frontier – LP-Review

Über die Yardbirds muss man an dieser Stelle wohl kaum noch etwas erzählen. Diese Band, wie Kollege Markus in seinem Review im Juni dieses Jahres zu Live At The BBC schrieb, »nimmt bis heute eine Ausnahmestellung in der britischen Rock-Historie ein.« Wohl wahr, denn neben vielen Klassikern, die bis dato unverzichtbarer Teil vieler privater Playlisten in den Rockhaushalten sind, kann man die 1962 gegründete Truppe auch als Talentschmiede bezeichnen, da sie Startpunkt für einige Gitarristen war, die später selbst den Rockolymp erkletterten.

Zwei der Gründungsmitglieder, der Drummer Jim McCarty sowie Sänger Keith Relf, gründeten 1968 die Band Renaissance und brachten mit dem gleichnamigen Album und "Illusion" zwei Platten heraus. Allerdings löste sich Renaissance zwei Jahre später auf, um in komplett anderer Besetzung wieder weiterzumachen (McCarty stand dieser neuen Formation allerdings noch eine Weile als Komponist zur Seite). Jim gründete dann die Band Shoot, die, und das mag man angesichts der Klasse von "On The Frontier" kaum glauben, nur diese eine Platte veröffentlichte.

Das Line-up von Shoot kann sich sehen lassen. Neben Jim McCarty, der mittlerweile das Schlagzeug mit Keyboard und Mikro getauscht hatte, waren das Gitarrist Dave Green, der von der psychedelischen Progband Raw Material kam; eine Gruppe, deren zwei Alben, wie das vorliegende von Shoot, durchaus als vergessene Perlen zu bezeichnen sind. Den Bass bediente Bill Russell und Graig Collinge (Ex Manfred Mann Chapter Three sowie World War) saß hinter der Schießbude. Daneben, und das verleiht "On The Frontier" diese besondere Würze mit Country- und Jazzanleihen, hören wir Gebläse, Steel Pedal und Dobro.

Bereits der Opener "Neon Life" verströmt ein angenehmes Jazzprog-Feeling durch den Einsatz des Saxofons. Hinzu gesellt sich gekonnte und dienliche Gitarrenarbeit sowie eine packende Gesangsmelodie. Überhaupt kann man der Platte attestieren, dass die Gesangsmelodieführung sehr harmonisch ist. Ab und an geht es mehrstimmig zur Sache und in Verbindung mit den Bläsern entstehen dann Songs wie z. B. "Living Blind", "On The Frontier" oder "Sepia Sister". Erstgenannter lässt an eine Symbiose aus C,S&N sowie Colosseum denken. Allerdings ohne die vokale 'Süße' C,S&Ns und ohne die instrumentale Jazzigkeit Colosseums. Die Gitarre groovt relaxt, dazu startet das Stück mit klasse Orgelintro und Gebläse. "On The Frontier" mutiert zu einem Country Rock-Jam, der Truppen wie der Marshall Tucker Band nicht unähnlich ist. Diese Nummer fand sich auch auf dem Rennaisance-Abum "Ashes Are Burning" aus dem gleichen Jahr. "Sepia Sister" gemahnt gesanglich wieder an C,S&N und hat ansonsten einen Touch QMS im Arrangement.

Man spürt zu jeder Zeit das Alter der Musik – und zwar auf äußerst angenehme Weise. Sie klingt wie ein alter Bekannter, was durch das Medium noch verstärkt wird, denn Sireena hat diese vergessene Perle in Vinyl gepresst; in farbiges und limitiertes noch dazu. Der "Midnight Train" rattert mit Banjo und Geige durch jammige Country-Lanschaften, während das stellenweise von Bass und Percussion geführte "Mean Customer" ein psychedelisches Ambiente verbreitet. Die Vielfalt, "Old Time Religion" z. B. ist Piano und Geige dominiert, an Dargebotenem ist beachtlich und immer wieder muss ich den Gesang bzw. dessen Harmonie und Treffsicherheit erwähnen.

Dass diese Mischung aus Jazzrock, Psychedelic, Westcoast, Folk und Country einfach toll ist, wurde auch damals festgestellt. Bei ihrem ersten Auftritt 1972 in einer John Peel Session. Kurz danach ging es in die heiligen Hallen der Abbey Road Studios in London, um "On The Frontier" aufzunehmen. Laut Info sollen die Kritiken »euphorisch« gewesen sein, was ich absolut nachvollziehen kann. Besonders im Mittelwesten der USA sollen Band und Platte große Bekanntheit gehabt haben. Aber Shoot machte den Fehler, nicht genug zu touren. Und diese mangelnde Präsenz bedeutete den Todesstoß. Es wurde zwar ein Folgealbum angegangen, aber EMI stellte die Aufnahmen ein.
Schade, denn "On The Frontier" wird wahrscheinlich mein Sireena-Album des Jahres 2017.


Line-up Shoot:

Jim McCarty (lead vocals, keyboards, percussion)
Dave Greene (guitars, banjo, vocals)
Bill Russell (bass)
Craig Collinge (drums, percussion)

Additional musicians:

Lyn Dobson (horns)
Bob Birtles (horns)
B.J. Cole (pedal steel, dobro)
Graham Preskitt (violin)
Jon Tout (piano – #B4)

Tracklist "On the Frontier":

Seite A:

  1. Neon Life (3:37)
  2. Ships And Sails (3:45)
  3. Living Blind (4:45)
  4. On The Frontier (4:24)
  5. The Boogie 4:15)

Seite B:

  1. Midnight Train (3:30)
  2. Head Under Water (1:09)
  3. Sepia Sister (5:16)
  4. Old Time Religion (3:50)
  5. Mean Customer (7:30)

Gesamtspielzeit: 42:01, Erscheinungsjahr: 2017 (1973)

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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