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Slawek Semeniuk / Slavic Horizons – CD-Review

Slawek Semeniuk / Slavic Horizons

Slawek Semeniuk ist in Polen geboren und aufgewachsen, lebt aber in der Region zwischen Düsseldorf und Aachen. Er studierte an der Musikakademie in Maastricht, Holland und ist als Bassist seit vielen Jahren in verschiedenen Formationen sowohl im Studio als auch live unterwegs. Wir werden ihn auf "Slavic Horizons" vornehmlich in der Fusion, teilweise mit deutlichem Überhang zum Jazz erleben, doch seine prägnanteste Konstante der letzten Jahre war eher der australische Bluesrocker Rob Tognoni, den er seit 2015 immer wieder begleitet und seit vier Jahren fest zu dessen Band zu zählen ist.

2014 brachte Slawek sein erstes Solo-Album, "Synthdrone", heraus und spielt außerdem und unter anderem in der Thorsten Praest Band mit Ulf Stricker ein Fusions-Trio. Beide Musiker hat er für dieses, sein zweites Album, im Line-up und wenn man die Eigenständigkeit von Bass und Drums auf diesem Album näher verfolgt, wie sie quasi interaktiv und instinktiv agieren, dann mag man daraus durchaus Vertrautheit und perfekte Abstimmung ableiten. So wie eine gut eingespielte Viererkette in der Abwehr einer erfolgreichen Fußball-Mannschaft.

Gurgelnder Bass, eine kratzig geslidete Gitarre und dann ein fettes Setting mit Saxofon, wohin mag das führen? "Libra" lässt uns gut eine Minute rätseln darüber, was auf uns zukommt. "Apollo 11.5" weist eher schon den Weg, der Song leitet mitten hinein in eine aufregende Welt der Fusion mit expressiven Gitarren und ausschwärmendem Saxofon, während im Hintergrund teils wilde Gefechte zwischen Bass und Drums ausgetragen werden. "Slavic Horizons" wird uns eine Fülle instrumentaler Schönheit und Virtuosität präsentieren, doch das steht dem Schöpfer der Musik gar nicht im Sinn. Er stellt nämlich die Arrangements der Kompositionen über alles, nachzulesen im Netz. Hören kann man das, denn das siebenköpfige Ensemble agiert ausdrücklich team- und songorientiert, wir werden mitgenommen auf eine Reise durch ein Feld prächtiger Farbkleckse aus jazzigen Blüten, die sich gerne von slawisch traditioneller Musik befruchten lassen. Das macht jede Menge Spaß und erinnert an Künstler mit ähnlichen Ansätzen, so wie Nguyen Le beispielsweise seine vietnamesische Herkunft in seine Musik einfließen lässt oder Terje Rypdal, dem man immer nachsagt, seine heimischen norwegischen Berge und Fjorde hätten seine Musik geprägt.

"04:37" spielt herrlich mit unseren Emotionen. Das melancholisch, träumerische Keyboard-Intro wird gekontert von einem düsteren Gitarrenspiel und einem irgendwie beängstigenden entschleunigten Rhythmus. Passend dazu gibt Slawek ein Solo auf den (bei ihm fünf) starken Saiten. Rhythmische Brüche werden durch Saxophon und Gitarre orchestriert, der verschleppte Grundrhythmus, bei dem immer wieder ein Takt zu fehlen scheint, macht den Reiz dieser Nummer aus. "Glass Puzzle" hält danach wesentlich gefälliger groovend dagegen und setzt eher auf schillernd ausgeschmückte Harmonien und Soli. "Paramount", vielleicht ja titelgemäß ein Hinweis auf ein ganz anderes Genre, klingt wie eine nächtliche Wanderung durch eine große fremde Stadt, ein Soundtrack für einen imaginären Film. Hier steht der Bass ein wenig mehr im Vordergrund und wird elegant, aber dezent akzentuierend von Sax und Keys ausgeschmückt.

Slawek Semeniuk baut anstatt einem Spannungsbogen durchgängiger Konzepte eher eine Kette bunter Perlen aneinander, die Nummern strahlen eine ruhig friedliche Atmosphäre aus wie ein sanft dahinfließender Strom. Wer einmal Bilder des Lichterfestes auf dem Ganges gesehen hat, wenn Millionen Lichtquellen über den abendlichen Fluss dahintreiben, bekommt eine Vorstellung von dieser Stimmung.

Es erwartet uns die verträumte Atmosphäre im Beinahe-Titelsong "Horizons", romantisch verstärkt durch den schönen femininen Gesang, umschmeichelt vom Saxofon und beinahe schwebend getragen von sanften Keyboards, die gemeinsam mit dem Saxofon eine schlicht schöne Hookline erschaffen. Diese bleibt im Kopf hängen. Der jazzige Mittelteil mit den taktilen Breaks erinnert mich erstmals an Al Di Meolas Musik der Neunziger. Eine Nummer zum Träumen.
Es macht Sinn, an dieser Stelle nun eine härter akzentuierte und saitenorientierte Komposition folgen zu lassen. "Amber Chasm" ist eine schöne jazzige Reflexion mit einem recht erdigen Duktus. "Sunrise Hunters" beginnt mit einem ambienten Intro wie die Tauchfahrt in geheimnisvolle Tiefen, doch die Jagd nach dem Sonnenaufgang bekommt einen leichten, fast ein wenig poppigen Grund und Boden, der natürlich verspielt variiert und gebrochen wird, schließlich sind wir hier weitgehend im Jazz unterwegs. Es ist die Leichtigkeit der Töne, ganz besonders der getasteten, die hier verzaubert.

Mitunter nimmt die Musik leicht geheimnisvolle Züge an, wenn wabernde Keyboardtöne, untergründig ausscherende Bässe und schräge Soli zusammenkommen, etwa wie in "Lunar Overdrive". Dieser Song hat ein schönes Crescendo, die Intensität wird voll ausgereizt. Coole Nummer.

Ich fühle mich in den "Slavic Horizons" sehr wohl und heimisch, erinnere mich gern an Nummern von Bernhard Reinke oder dem bereits zitierten Al Di Meola, so wie er Anfang der neunziger Jahre den Jazz interpretierte, "Kiss My Axe" war damals eine echte Rakete. Al hat mal gesagt: »Jazz ist so intellektuell; er zielt auf das Gehirn, aber rührt nicht das Herz.«
Vielleicht ist ja genau deshalb einst die Fusion entstanden, denn das Rock und Funk weit mehr auf den Bauch abzielen, dürften wohl auch die Freunde des klassischen Jazz nicht verneinen. Genau das ist Slawek Semeniuk mit seiner Musik gelungen, nämlich die unstrittig vorhandene Virtuosität der Protagonisten nicht in den Vordergrund zu stellen und statt dessen mit einnehmenden Kompositionen, mit Stimmungsmalerei in oftmals faszinierenden Klängen, die Herzen der Zuhörer zu berühren. Das ist genau die Form des Jazz, die mich antörnt. Im Internet habe ich gelesen, dass der Mann sich auch mit Filmmusik beschäftigt. Wer es schafft, mit seiner Musik derart Bilder im Kopf wach werden zu lassen, wie dies auf "Slavic Horizons" (zumindest in meiner Birne) gelungen ist, der wäre auch dort gut aufgehoben.

Witziges zum Schluss: Das Album ist mit dem Vermerk 'Parental Advisory' gekennzeichnet, in den Staaten eine freiwillige Etikettierung von Platten mit anstößigen Texten. Daher wird der Hinweis oft auch durch den Zusatz 'Explicit Content' versehen.
Bei Slawek heißt es hingegen 'Parental Advisory – Fusion Content', und das ist allemal jugendfrei.


Line-up Slawek Semeniuk:

Ulf Stricker (drums)
Moritz Schippers (keyboards)
Thorsten Praest (guitar)
Greg Torunski (saxophone)
Lukas Kuban (percussion)
Kasia Pluta (vocals)
Slawek Semeniuk (bass)

Tracklist "Slavic Horizons":

  1. Libra
  2. Apollo 11,5
  3. 04:37 A.M.
  4. Glass Puzzle
  5. Paramount
  6. Horizons
  7. Amber Chasm
  8. Sunrise Hunters
  9. Plastic Emotions
  10. Lunar Overdrive
  11. Behind The Curtain

Gesamtspielzeit: 47:36, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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