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Slingshot / Pieces In Relation – EP-Review

Slingshot / Pieces In Relation

Tu Felix Austria,
Quid Tibi Mecum?

Nein, das soll keine Lateinprotzerei werden, 38 Jahre, nachdem ich in der Abi-Prüfung letztmals mit der verstaubten Sprache behelligt worden bin. Es ist nur der Versuch eines abgewandelten Zitats und einer halbwegs eleganten Umschreibung des Gedankens, dass mich wieder einmal eine österreichische Band mit ihrem Ende konfrontiert. Dabei waren Slingshot mir mit ihrem Zweitling, A Variation In Shape, doch so nahe ans Herz gerückt – die Wiener. Ausgerechnet mir, dem Ein-bisschen-Salzburger.

Und so beweisen sie auf dieser finalisierenden EP noch einmal ihre hervorstechenden Merkmale. Kaum eine Band in der Herde der Stonerbands verbindet klassische Siebziger Sounds derart geschickt mit den aus dem Grunge befruchteten Tönen der Neunziger und findet dazwischen immer wieder zu melodisch mitreißenden, fast ein wenig progressiven Klängen, wie ich sie einst in Salzburg so sehr habe schätzen lernen dürfen. Dass die Band noch dazu ein großartiges Songwriting mit faszinierenden Texten beherrscht, habe ich schon bei einer früheren Besprechung beschreiben können.

So bekommen wir gleich in "Quicksand" eine geile Wüstennummer mit lässigem Groove und leicht Eddie Vedder-geölten Refrains. Grunge gets up in smoke. Ein kurzer Gitarrenkreisel scheint artig bei den Meistern (Colour Haze) aus München anzuklopfen, Stefan Kogleks Einfluss auf die Szene ist halt immens, dem kann sich keiner entziehen. Umso herrlicher, dass wir gleich in der nächsten Nummer  endgültig retrogeschwängert werden, Siena Root oder die Blues Pills mögen hier Pate stehen. "Scratched Record" hat einen sehr coolen psychedelischen Drive und ist mein Favorit auf dem Album.

Und dann das: Ein rosaroter Ferrari? Mit diesem herrlich provozierenden Titel, "Pink Ferrari", wird es fast ein wenig jamrockig. Spätestens jetzt erschließt sich dem Zuhörer, dass die Jungs von Slingshot ein sehr weites Spektrum haben – vielleicht ein zu weites.

"Flash&Bones" ist dann noch einmal so eine lässig groovende Chimäre, die mit ihrer ausdrucksstarken Melodik Vergleiche zu einer anderen österreichischen Band nahe legen, zu der ich am Ende noch einmal mit nostalgischer Verklärung zurückkehren möchte. Hier an dieser Stelle stelle ich erst einmal fest, wie stark diese letzte neue Nummer nachwirkt, denn die nächsten beiden Stücke sind dann Live-Einspielungen von den ersten beiden Alben. Dabei klingt "Master Of Disaster" für mich wie der Pearl Jam-Song, den Pearl Jam selbst nie gespielt haben. Dieses Lied reißt einfach mit, das ist Grunge in perfekter Form und dafür musste man nicht in den Madison Square Garden reisen. Österreich hat es schon immer gut mit mir gemeint.

Ganz zum Schluss "Silverdragon Queen" vom ersten Album, A Period Of Reflection. Auch hier finden wir wieder funkig harte Sounds, die in meiner Jugend hätten entstanden sein können, befeuert abermals von riffigen Sperrfeuern aus einer Dekade zwei Jahrzehnte danach. Doch der Song birgt auch irgendwie eine wunderbare Reminiszenz auf die sanften Klänge eines österreichischen Drachens, der mich einst verrückt machte. Zwischendrin klingt es wirklich fast ein wenig wie bei Been Obscenes legendärem "Demons". Und das bringt mich wieder in die Ausgangslage und das Thema Abschied. Mist, nun muss ich doch noch ein Taschentuch zur Hand nehmen, in einer Zeit, wo halb Deutschland nur noch Klopapier kauft.

So liegt es scheinbar wieder einmal an mir, den Deckel drauf zu legen. Wie einst bei Been Obscene, deren letztem Auftritt ich einst beiwohnen durfte und ich weiß heute noch nur zu gut um die Tränen meiner Freunde hinter der Bühne. Nicht anders war es mir ergangen, als ich kurz zuvor vom bevorstehenden Ende dieser Band erfahren habe, die mir persönlich so nahe stand wie sonst nur The Machine aus Rotterdam. Für die Bandseite der Obszönen und Stoner Rock Austria hab ich damals meine Empfindungen ausführlich offenbart (unterstützt übrigens durch die tollen Fotos unserer einstigen Autoren-Kollegin Maria Ortner) und sinngemäß geschrieben, dass das Ende einer Epoche immer auch der Beginn einer neuen sein wird. Das gilt ganz gewiss auch für die Protagonisten von Slingshot, die ja selbst anmerken, dass sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln mögen.

So möchte ich Euch am Ende meine besten Wünsche sozusagen persönlich mit auf den Weg geben: Welche Vielseitigkeit in Euch steckt, habt Ihr mit Eurer Band eindrücklich bewiesen und der Weg in neue Sphären sei Euch herzlich gegönnt, obwohl ich Eure Musik als Team Slingshot gerne noch länger gehört hätte. Ich wünsche Euch ganz viel Erfolg und persönliches Glück auf diesem Eurem Weg. Eine Träne im Knopfloch werde ich dabei für mich behalten, denn Slingshot war ein geiles Projekt.
Auf geht’s Jungs, auf zu neuen Ufern. Ich freue mich, demnächst wieder von Euch zu hören.


Line-up Slingshot:

Kiko Perez (vocals)
Günther Schmid (drums)
Wolfram Weiss (keyboards)
Jonas Berger (guitar, backing vocals)
Wolfgang Pecka (bass, backing vocals)

Tracklist "Pieces In Relation":

  1. Quicksand
  2. Scratched Record
  3. Pink Ferrari
  4. Flesh&Bones
  5. Master Of Disaster (live)
  6. Silverdragon Queen (live)

Gesamtspielzeit: 28:13, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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