Die nüchterne Wahrheit ist: Sober Truth gibt es seit 2007 und sie haben in dieser Zeit drei Alben und eine EP veröffentlicht: "Riven" (2008), "Outta Hell" (2010), "New Slavery World" (2014) und "Locust Lunatic Asylum" (2017). Nun, 2019, ist "Psychosis" erschienen.
Eine weitere nüchterne Wahrheit ist: Die drei Männer und eine Frau (auch wenn es der Name Jules nicht sofort erkennen lässt – Sober Truth haben eine Bassistin) spielen modernen Metal. Wie bei vielen anderen Bands in dieser Sparte, handelt es sich hier um einen brutalen Stilmix, bei dem Geballer im Vordergrund steht. Wobei es durchaus auch melodische Elemente gibt, gerade bei den Gitarrenleads.
Ohne Intro oder Firlefanz geht es schon beim Opener "Solitude" gleich in die Vollen. Groove Metal trifft auf (modernen) Thrash. Das Schlagzeug hier wird vermutlich einige Old School-Hörer abschrecken, Trve-Metaller werden schimpfend abschalten. Nun gut, für diese ist die Musik auch nicht gedacht. Mit dem zweiten Song ("Akardos") wird es etwas ruhiger, gerade am Anfang. Ab da sind die von der Band genannten Einflüsse aus dem Progressive Rock besser erkennbar.
Sober Truth haben ihren eigenen Weg, die verschiedenen Bestandteile ihres Sounds zu mischen, manches kommt dabei kurzfristig vertraut vor, doch schon im nächsten Moment nicht mehr. Die Musik unterliegt stetigem Wandel, einerseits von der Geschwindigkeit her – von Blastbeats bis Midtempo oder sogar mal ruhigen Passagen (ich nenne hier mal die beiden kurzen Instrumentalstücke "Ode To Reality" und "Dying Dreams") ist alles dabei. Andererseits dominieren immer wieder andere Musikstile. Passend dazu setzt Torsten seine Stimme unterschiedlich ein, er brüllt, er singt, er keift und mehr.
Das Ganze ist chaotisch und wirkt (dem Titel entsprechend) psychotisch. Das spiegelt die Texte, bei denen es um »eigene Realität, die Wahrnehmungen des eigenen Umfelds und der Hinterfragung des eigenen Handelns« geht. Hier will ich noch weiter zitieren, denn darin steckt der Schlüssel zum Verstehen von "Psychosis": »Was sehen wir in dem Menschen, der uns gegenüber steht? Zeigt er uns seine Wahrheit oder eine Maske? Die innere Trauer verändert ihn, unmerklich, grausam, sie zerreißt ihn und vernarbt seine Psyche. Jeder kennt das Gefühl von Machtlosigkeit, erst zaghaft, dann mit Wucht unser Bewusstsein flutend, unaufhaltsam und gnadenlos«
Genau dieses schonungslose Fluten des Bewusstseins wurde hier in Musik umgesetzt, die Narben, der Schmerz. Hier sind es vorwiegend negative Emotionen, die auf die Hörer einstürzen, in einer Geschwindigkeit, die unserem modernen Leben entspricht. Die nackte Wahrheit, die Sober Truth uns zeigen, ist nicht schön. Doch nicht alles ist völlig hoffnungslos. "Psychosis" will anregen, sich dem Unangenehmen zu stellen, es zu überwinden und bekämpfen, will uns Kraft zum Bewältigen der Realität geben.
Ein interessanter Gedankengang, eingebettet in eigenständige und dazu passende Musik. Allerdings – die Scheibe verlangt Gefallen an bzw. wenigstens Offenheit gegenüber modernem Metal. Dann kann es reizvoll sein, die Welt wie Sober Truth zu sehen …» start the self control… feel sober«
Ansonsten bleibt mir nur noch zu erwähnen, dass der letzte Track "Collapse Unplugged" ungewöhnlich und originell ist sowie zeigt, dass die Musiker auch ganz anders können und dass sie was können.
Line-up Sober Truth:
Torsten Schramm (vocals, guitar)
Jules RoCkwell (bass)
Aaron Vogelsberg (guitar)
Sam Baw (drums)
Tracklist "Psychosis":
- Solitude (4:03)
- Akardos (4:02)
- Dark Valley (4:14)
- Ode To Reality (1:06)
- Riven (5:11)
- Horizon (4:48)
- Utopia (4:05)
- Sober (Re-Arranged) (3:22)
- Dying Dreams (1:11)
- Psychosis (6:24)
- Collapse Unplugged (4:27)
Gesamtspielzeit: 42:53, Erscheinungsjahr: 2019
5 Kommentare
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Doc Rock
21. April 2019 um 11:37 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Lässt sich komplett bei YT hören. Nein, nicht mein Ding. Furchtbar. Wo bleibt der gute alte Rock??????
Andrea Groh
22. April 2019 um 11:12 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Sober Truth machen Musik für eine ganz andere Zielgruppe. Sie wollen modern sein und die moderne Welt widerspiegeln.
Wer nach gutem alten Rock sucht, ist hier völlig falsch und findet das verständlicherweise furchtbar, bzw. höchstens den letzten Song erträglich.
Vielleicht hätte ich noch ergänzen sollen bei
… Das Schlagzeug hier wird vermutlich einige Old School-Hörer abschrecken, Trve-Metaller werden schimpfend abschalten….
dass es definitiv nichts für Fans von gutem alten Rock ist.
Aber ich dachte die Aussage Old School-Hörer reicht.
Doc Rock
23. April 2019 um 9:47 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich habs ja mal versucht. und mir 15 Minuten davon bei YT angehört, bevor ich (ab)brechen musste
.Dream Theater waren auch mal modern und spielen einen Rock, der nur wenig mit den Helden der goldenen 60ger und 70ger zu tun hat; ich mag sie trotzdem an und an.
Aber diese Band hier …. mein CD Spieler würde streiken, das würde er sich weigern, zu spielen.
Schade, wie hemmungslos monoton, einfallslos, langweilig und kläglich "moderner" Rock ist. Keine Ideen, hingeschludert, lieblos, langweilig.
Old School
23. April 2019 um 19:26 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
hemmungslos monoton, einfallslos, langweilig und kläglich — Keine Ideen, hingeschludert, lieblos, langweilig. ist klar Kollege wir fühlen uns geehrt
Andrea Groh
24. April 2019 um 14:13 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Mein CD Spieler hat das Teil abgespielt… mehrmals… 😉
Monoton – da finde ich anderes monotoner (gewollt, und manchmal mag ich das). Kläglich, hingeschludert, keine Ideen – kann ich nicht bestätigen. Hier sind Musiker am Werk, die sowohl spielen können als auch arrangieren / Songs schreiben, auch wenn deren Stil nicht allen gefällt / gefallen muss. Lieblos – nur in dem Sinne, dass die Lieblosigkeit der Gesellschaft dargestellt wird.
Meine Umschreibung wäre eher: chaotisch, psychotisch, verschiedene Stile mischend, wandlungsfähig, wütend (auf die Gesellschaft), gnadenlos überflutend wie die Informationsflut der Medien heutzutage, die moderne Welt spiegelnd.
So habe ich "Psychosis" verstanden – was dann eine gelungene Umsetzung der Gedanken ist, die ich zitiert habe.
Aber ich denke, eine weitere Diskussion bringt nichts. Geschmäcker und Erwartungen (an Musik und andere künstere Tätigkeiten) sind nun mal verschieden.