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Songs To The Siren / 2019 – CD-Review

Songs To The Siren / 2019 – CD-Review

Neues aus dem Hause Michael Mann bedeutet immer Spannung, denn ob nun mit Waiting For Luise, den Rusty Nails oder eben Songs To The Siren: den Arrangements bzw. den Interpretationen ist immer eines gemeinsam und zwar die Art der Darbietung.

Kann man den Rusty Nails mehr Rock attestieren, so sind die anderen beiden Projekte eher den ruhigeren Klängen zuzuordnen. Und da Michael sowie sicherlich auch seine Compadres ein Faible für die Künstler abseits des Mainstream haben, gibt es da immer wunderbare Ausgrabungen von Leuten, die man nicht alltäglich auf dem Schirm hat. Leute wie z. B. Nick Drake, Tim Buckley, Steve Earle, Van Morrison, John Prine oder Lou Reed. Und ja, im Repertoire der Musiker finden sich viele Covers, aber das ist bei diesen Leuten absolut nichts Negatives.

Cover zu spielen wird von mir generell nicht negativ gesehen. Es gibt so viele geile Nummern, da muss es für jeden Musiker eine Freude sein, die Stücke der eigenen Helden selbst zu spielen. Und da sind wir beim Schlüsselwort: Spielen. Vorliegendes Album – die Kenner werden es an der Trackliste erkennen – ist bis auf zwei fehlende Stücke das dritte Album von Velvet Underground aus dem Jahr 1969 und somit weist der Name "2019" auf das 50jährige Jubiäum hin. Und es passt in die Setliste von Songs To The Siren, denn dieses dritte VU-Album ist nach dem Ausstieg John Cales ein sehr zugängliches und fast intimes Stück Musikgeschichte. Das Covern solcher Songs bzw. solcher Künstler ist sowieso weit vom Nachspielen der üblichen Verdächtigen entfernt. Zumal nachspielen bei den vorliegenden Protagonisten absolut unpassend ausgedrückt ist, denn solange ich Michael und dessen Output nun kenne – und das sind immerhin schon 16 Jahre -, ist da stets diese feine, sorgfältige und respektvolle Herangehensweise.

Die eigene Handschrift ist unbedingt zu erkennen. Und was mich immer mal wieder überrascht, ist die Tatsache, dass die Originale nicht immer die besseren Versionen sind. Das auch von Velvet Underground klasse intonierte "The Story Of My Life" erfährt durch Songs To The Siren eine total andere Ausrichtung. Es wird langsamer und intensiver gespielt. Für mich ein absolutes Highlight und erneut Berechtigung, sich an fremdem Repertoire zu bedienen. Nächstes Beispiel? "Some Kinda Love". Dieses Lied erfährt durch STSS eine enorme Tiefe, woran gerade auch die eingesetzten Tasten stark beteiligt sind. Auch Michaels Stimme, wie ich schon öfters angemerkt habe, ist für diese Art von Musik geradezu prädestiniert. Eine harte Zärtlichkeit, Zerbrechlichkeit ohne kaputt zu wirken, Einfühlsamkeit ohne sich zu prostituieren … das alles drückt sein Gesang aus; und ja, damit kann man weder Purple, Queen oder Heep covern, wobei ich jetzt ein paar Namen der weiter oben als übliche Verdächtige bezeichnete benannt habe.

Nein, diese Stimme ist für anderes Material und für Musik, die abseits der ausgetretenen Pfade auf Kenner und Genießer wartet. "Pale Blue Eyes", veredelt durch Ankes backing vocals, ist ebenso ein Paradebeispiel für den Tiefgang dieser Musik und bei allem Lob für die Band, auch eine ehrliche und anerkennende Referenz an die Originalinterpreten. Dazu tragen auch und gerade die unaufgeregten aber punktsicheren Spielweisen der Musiker bei. Neben Michael Mann sind das in erster Linie die Stammleute Mathias Schüller und Peer Sitter. Adäquaten Support bekommen sie von Anke Sitter und Mark Seidel. Dass da mehr als eine Gitarre am Werk ist, macht das Ganze mehr als rund.

Obwohl auf eigene Art dargeboten, zeigen die Stücke aber auch die Klasse der Platte von Velvet Underground. Dass Lou Reed für weit mehr, als das allseits bekannte "Walk On The Wild Side" steht, wird auf angenehme Weise vermittelt. Und dass man sich Stücken eines Künstlers wie er einer war annimmt, ist toll. Deep Purple kann ja schließlich jeder …

"2019" sollte man am besten Abends auf der Veranda mit einem guten Glas Rotwein genießen. "Ocean", "Jesus", "Candy Says" und so weiter entfalten dann ihre Wirkung auf des Hörers Seele am besten. Natürlich ist der Bandname der Liebe zum Werk eines Musikers geschuldet und daher darf neben den VU-Nummern etwas von Tim Buckley nicht fehlen. Als Bonustrack gibt es als elfte Nummer, die übrigens wie Nummer zehn nicht im Booklet aufgeführt ist, Buckleys "Songs To The Siren" (was auch sonst?). Die Musiker von Songs To The Siren spielen das gleichnamige Stück mit etwas mehr Verve als dem Original innewohnt. Und auch das passt. Bleibt Track Nummer zehn, der mich veranlasste, Michael zu kontaktieren. Des Rätsels Lösung ist der Regen, der bei den Aufnahmen vor dem Studio niederprasselte. Den hat man nämlich aufgenommen und ich habe mir erlaubt, die Trackliste damit zu ergänzen.

Und jetzt will ich noch etwas geraderücken: Natürlich kann NICHT jeder Byron, Gillan oder Mercury. Aber auch nicht jeder kann Lou, Tim oder Van.
Mr. Mann und seine Männer haben sich für letztere entschieden. Weil sie es können und weil sie diese Musik lieben.


Line-up Songs To The Siren:

Michael Mann (vocal, acoustic guitar, bariton, elctric guitar, harmonium)
Mathias Schüller (drums, electric guitar, bass guitar, vocals)
Peer Sitter (bass guitar, acoustic guitar)

Gäste:
Anke Sitter (piano, background vocals – #4)
Mark Seidel (electric guitar)

Tracklist "2019":

  1. Candy Says
  2. What Goes On
  3. Some Kinda Love
  4. Pale Blue Eyes
  5. Jesus
  6. Beginning To See The Light
  7. I’m Set Free
  8. The Story Of My Life
  9. Ocean
  10. Rain (Hidden Track)
  11. Song To The Siren (Hidden Track)

Gesamtspielzeit: 45:27, Erscheinungsjahr 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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