Die Spannung war groß, als die südwestliche RockTimes-Abteilung in Richtung Weinheim aufbrach, um die erste Tour von Chicken Shack, der Band von und um die Gitarren-Legende Stan Webb, seit einigen Jahren zu begutachten. Aber nicht nur das, viel schwerer ins Gewicht fiel dazu, dass der Verfasser dieser Zeilen trotz einer locker zweistelligen Anzahl besuchter Konzerte von 'Stan The Man', diese Combo aus mehreren Gründen (die zu langweilig sind, um sie hier zu erläutern) seit mehr als 15 Jahren nicht mehr auf der Bühne erlebt hatte. Wie hatte er sich in der langen Zeit verändert, welche Songs würden auf dem Programm stehen? Gespickt wurde das Ganze noch dadurch, dass der gute Stan in der Zeit vor der Pause ja doch auch mal in der Kritik war, da er auf der Bühne nicht immer ganz so nüchtern gewesen sein soll. Aber alles egal, die Vorfreude bei Sabine und mir war einfach nur groß und das Cafe Central in Weinheim schien von der Größe und Akustik auch genau der richtige Laden für dieses – in Anführungsstrichen – Comeback zu sein.
Etwas verspätet ging dann um ca. 21:15 Uhr die Saal-Beleuchtung aus und die Band betrat die Bühne. Bei Stan Webb fiel zunächst ein fettes Pflaster auf seiner Stirn auf, das – wie er den Leuten in der ersten Reihe erklärte, nach einem Unfall das letzte Überbleibsel eines Krankenhaus-Aufenthaltes war. Dann ging es aber los und das Quartett mit zwei Gitarren, Bass sowie Drums begann mit dem Standard "The Thrill Is Gone" (seit etwa 1973 im Live-Programm), das von einem schwunghaften "Going Up, Going Down" gefolgt wurde. Nachdem es bei den ersten beiden Tracks noch etwas holprig zuging, war die Band dann spätestens bei "You Shook Me" auf Betriebstemperatur. Genau jener Nummer, die sowohl auf dem Jeff Beck-Album "Truth", als auch dem Debütalbum von Led Zeppelin (beide aus dem Jahr 1968) zu finden ist. Und hier legte Stan Webb zum ersten Mal so richtig los und packte gleich mehrere (sowohl mit als auch ohne Bottleneck-Röhrchen) zündende Soli aus. Nicht nur der Bassist Rob Newell, sondern auch die anderen beiden Musiker taten ihr Bestes, um den Briten optimal zu unterstützen. Denn logischerweise ist die komplette Show nach wie vor rund um den Frontmann aufgebaut.
Nach dem sehr emotional beginnenden "Sweetest Little Thing" (das sich im Mittelteil in einen Reggae wandelte) wurde dem staunenden RockTimes-Team und wahrscheinlich auch dem Rest des Publikums der Rocker "The End (Prisoner)" vom Album "That’s The Way We Are" aus dem Jahr 1978 im positivsten Sinne um die Ohren gehauen. Wow, hatte ich live bisher noch nie erlebt und Stan Webb brachte auch diese Nummer mit sehr kraftvollem Gesang, selbst wenn die Stimme an diesem Abend etwas dünner erschien als früher. Aber ganz ehrlich, der Mann ist mittlerweile 73 Jahre alt, was der nach wie vor aus seinen Stimmbändern rausholt, ist nun wirklich aller Ehren wert. Ab diesem Zeitpunkt ging es dann sowieso ab, denn direkt anschließend folgte das unzerstörbare "Poor Boy", praktisch die Visitenkarte Webbs. Und auch hier wurde das komplette Programm gefahren, gefolgt von dem immer wieder gerne gehörten "Dr. Brown", das die Band ebenfalls bereits seit Anfang/Mitte der siebziger Jahre on and off im Programm hat.
Der Hauptteil der Show wurde dann von dem großartigen "Daughter Of The Hillside" (das wie "Poor Boy" ebenfalls auf dem Meilenstein-Album Imagination Lady zu finden ist) beschlossen. Stan Webb gab hier auch nochmal Vollgas, was sowohl seine Gitarre als auch seinen Gesang angeht. Furios, mit ausgedehntem Jam versehen, enden jedoch leider auch die schönsten Tracks irgendwann. Zurück zur Zugabe riefen ein paar Unentwegte lautstark nach "I’d Rather Go Blind", worauf der Engländer jedoch scheinbar keine Lust hatte (und das auf der laufenden Tour noch gar nicht gespielt wurde). Vielmehr konterte er mit einer weiteren echten Überraschung, nämlich "Shake Your Moneymaker", das ebenfalls aus dem weiter oben genannten 1978er Album "That’s The Way We Are" stammt und vom anwesenden RockTimes-Team ebenfalls noch nie live gehört wurde.
Schließlich war ein sehr gutes, wenn ganz am Anfang vielleicht noch ein bisschen holpriges, Konzert zu Ende. Mit nur etwas mehr als neunzig Minuten etwas kurz geraten, sah deshalb jedoch niemand Anlass, sich zu beschweren. Drücken wir Stan Webb die Daumen, dass er weiterhin bei guter Gesundheit bleibt, damit wir ihn noch viel öfter auf der Bühne erleben dürfen. Angekündigt für das nächste Jahr hat er sich (bei seiner überschwänglichen Verabschiedung) jedenfalls schon.
Setlist:
- The Thrill Is Gone
- Going Up, Going Down
- You Shook Me
- Sweetest Little Thing
- The End (Prisoner)
- Poor Boy
- Dr. Brown
- Daughter Of The Hillside
- Shake Your Moneymaker
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