Stefan Diestelmann (1949-2007) gehört zweifelsohne zu den Größen des Blues der ehemaligen DDR und darüber hinaus.
Er spielte den Blues mit einer ganz besonderen Note und war so etwas wie ein König der Plattenverkäufe.
Mitte der Siebzigerjahre heuerte er bei der Band Vai hu an und um mehr dem Blues nachzukommen, gründete er – über einen kleinen Engerling-Umweg – Ende des Jahrzehnts die Stefan Diestelmann Folk Blues Band.
Nicht nur als Musiker, sondern auch als Schauspieler machte sich Stefan Diestelmann einen Namen.
1984 nutzte der Künstler die Gelegenheit nach einem Auftritt in der Bundesrepublik nicht mehr in die DDR zurückzukehren.
Mitte der Neunzigerjahre beendete Stefan Diestelmann seine musikalische Karriere.
In diesem Artikel soll es um das Album "The Real Blues" gehen. Dazu schreibt Michael Mellenthin: »[…] Durch Zufall habe ich im August 2016 in meinem Archiv diese Aufnahmen von Stefan Diestelmann gefunden. Er hatte sie mir 1987 geschickt, mit der Bitte um Veröffentlichung einer Live LP auf unserem LAVA Label. Erst 2015 habe ich erfahren, dass Stefan Diestelmann verstorben war. Das hat mich nun veranlasst seinen Wunsch nachträglich zu gewähren. Nach erfolgter Genehmigung des Rechtsnachfolgers dauerte es noch einige Zeit bis wir jetzt 2019 die CD veröffentlichen konnten. […]«
Die von Michael Mellentin gefundenen »[…] Aufnahmen wurden in Österreich mitgeschnitten. […]«
Die beiden Bonus Tracks mit Bernie Ringe (Lösekes Blues Gang), wurden 1979 »[…] bei Stefan in seiner Wohnung in Ostberlin […]« aufgenommen.
Die vorliegende Platte startet mit einem Interview des Protagonisten, in dem es vornehmlich um seinen Werdegang geht. Unter anderem erwähnt er seinen dreiwöchigen Kontakt zu John Mayall und seinen Verbleib in der Bundesrepublik und Gottfried Böttger. Sehr interessant!
Musikalisch geht es mit der Robert Johnson-Nummer "Ramblin' On My Mind" los.
Dem Hörer wird von Beginn an klar, welche Gabe dem Musiker in die Wiege gelegt wurde. Fantastisch, wie Stefan Diestelmann diesen Blues deutet und auf der Gitarre brilliert. Er interpretiert diesen Song mit einer Hingabe, Brillanz und einem weitgespannten Fächer an Nuancen. Das Intermezzo wird vom Keyboard und von jazzigen Ausläufern geprägt. Die Klangqualität ist gut, aber phasenweise nicht ganz sauber.
Bei "Junior’s Wailing" geht die Post ab.
Auch hier begeistert einen nicht nur ein Stefan Diestelmann, sondern abermals der Keyboarder, auch in seinem Solo. Richtig klasse, welche Stimmung erzeugt wird. Highlight!
In T-Bone Walkers "Stormy Monday" streben die Live-Mitschnitte einem weiteren Höhepunkt zu. Knapp über neun Minuten gibt es Slow Blues-Kost, die man nicht auf der Tageskarte des Zwölftakters finden wird. Sphärisch schweben die Tastenklänge durch die Luft und dazu findet die Gitarre die perfekte Erdung. Gesanglich kommt noch ein weiterer Pluspunkt hinzu. Es ist bemerkenswert, wie sowohl die Keyboards als auch Stefan Diestelmann ihren Fantasien freien Lauf lassen. Immer wieder besuchen die beiden Musiker andere Genre, vornehmlich den Jazz. Leider muss man auch hier mit kleinen Klang-Einbußen rechnen.
Etwas ganz Spezielles ist die vokale "Every Day I Have The Blues"-Einleitung des Protagonisten. Toll! Das Stück bettet man quasi komplett in den Jazz und diese Bläser – auch mit ihren Alleingängen – sind so schön. New Orleans-Stimmung lässt grüßen.
Dann nimmt man sich dem "Trouble In Mind" von Nina Simone an.
In dieser Lesung spielt die Harp eine entscheidende Rolle und fraglos ist auch dieses Lied in den Händen der Musiker ein Höhepunkt.
Die zwei Bonus Tracks gehören zu einem Song-Trio, das Bernie Ringe »[…] 1980 […] auf seiner Solo LP […]« veröffentlichte.
Herrlich groovt die akustische Ausgabe von "Junior’s Wailing". Eine Version, die ihre Spannung aus den Rhythmuswechseln zieht. Wie gefühlvoll Stefan Diestelmann mit dem Bottleneck umgehen konnte, zeigt er im abschließenden "Don’t Send Me No Flowers", in dem Bernie Ringe den Lead-Gesang übernimmt. Das Stück endet abrupt, als hätte jemand den Stecker gezogen. So wirkt der Song unfertig.
Stefan Diestelmanns "The Real Blues" gefällt.
Die Verpackung mit einigen Bildern des Musikers ist schlicht gehalten. Es hätte dem Gesamteindruck des Albums gut getan, wenn der Text des Informationsblattes im Digipak enthalten wäre. Schade!
Line-up Stefan Diestelmann:
Stefan Diestelmann (vocals, guitar)
Bernie Ringe (harmonica – #7, vocals – #8)
Other artists unknown
Tracklist "The Real Blues":
- Intro [Interview Jazztime Hildesheim 19xx] (4:44)
- Ramblin' On My Mind (9:09)
- Junior’s Wailing (5:46)
- Stormy Monday (9:08)
- Every Day I Have The Blues (5:46)
- Trouble On My Mind (8:23)
- Junior’s Wailing [Akustik Version/Bonus Track] (4:29)
- Don’t Send Me No Flowers [Bonus Track] (3:13)
Gesamtspielzeit: 52:49, Erscheinungsjahr: 2019
Neueste Kommentare