Auf meinem Schreibtisch liegt seit Tagen die neue Platte von The Universe By Ear aus Basel. Der Erstling von 2017 hatte mir damals eine sehr angenehme Schnappatmung verschafft und während draußen endlich der Winter auch in den Duisburger Innenhafen Einzug hält, fällt mir ein, dass der VÖ-Termin (4.3.2019) aktuell noch viel zu weit voraus liegt, um die im Kopf eigentlich fertige Besprechung niederzuschreiben. Ein kurzes Interview wäre was, und ich erinnere mich an Stefan Strittmatters (Gitarrist und Sänger beim Universe) Angebot, jederzeit ein paar Fragen beantworten zu wollen, wenn denn Bedarf danach besteht. Na klar besteht der! Der Kronkorken fliegt von der Kö-Pi-Flasche und ich frage mich selbst, wie man die Gehörgänge des Universums möglichst plastisch darstellen könnte. Schnell stehen ein paar ausformulierte Erkundungsversuche, um ins akustische Herz des Kosmos vorzudringen und wenig später, ein paar Zehntel höher auf der nach oben offenen Alkohol-Skala, können wir uns mit den nachfolgenden Gedanken auseinandersetzen:
RockTimes: Lieber Stef, erst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Euer erstes Album ist international sehr hoch bewertet worden. Wie sehr hat Euch das motiviert bei der Ausgestaltung der zweiten Scheibe? Wolltet Ihr eher anknüpfen an das Debüt oder aber Kontraste schaffen?
Stef: Ja, die Response war wahrlich beflügelnd. Wenn da ein Unbekannter dein ins Blaue geworfenes Album lobt, dann tut das schon sehr gut. Ich denke aber, dass uns das beim Schreiben und Aufnehmen des neuen Albums nicht beeinflusst hat, da wir da einen, ich nenne es mal egoistischen Ansatz, verfolgen. Unsere Musik muss uns dreien gefallen. Und wenn sich danach der eine oder andere Hörer nicht ganz entsetzt abwendet, ist das ein sehr schöner Bonus.
RockTimes: Auf der ersten Scheibe habt Ihr zu Beginn und am Ende lange Stücke zwischen meditativen Parts und exzessiven Ausbrüchen gespielt. Nun gibt es gerade an Anfang und Ende knallharte, komprimierte Gib-Gas-Nummern. Zufall oder Botschaft an die Zuhörer, dass der 'psychedelische Brain Blues' härter wird?
Stef: Gut beobachtet. Wir haben sicher einen Monat lang verschiedene Reihenfolgen ausprobiert und am Ende passten dieses Mal diese fast schon lächerlich kurzen Stücke sehr gut als Klammer.
RockTimes: Überhaupt, 'Psychedelic Brain Blues'. Gut gewählte Bezeichnung. Eine reine Progger-Combo hätte ihre Musik sicher nicht so beschrieben, oder?
Stef: Leider stellen sich viele unter Progressive Rock 12-minütige Mini-Opern vor, bei denen der Keyboarder auf halbem Weg zum Gitarren-Orgasmus sein eigenes Köln-Konzert bekommt und wo edle Ritter mit gezücktem Zweihänder gegen Drachen in die Schlacht ziehen. Wir haben da einen etwas geerdeteren Zugang zum Abgespaceten. Den Kopf darf man schon einschalten, muss man auch, aber dabei den Bauch nicht ganz vergessen.
RockTimes: In den letzten beiden Jahren habt Ihr vermehrt auf Progressive Rock-Festivals gespielt, aber Eure Musik ist auch aus meiner Sicht (wie Du ja gerade selbst bestätigt hast) eher psychedelisch erdig orientiert – seid Ihr da nicht ein Stück weit auf der falschen Baustelle?
Stef: Die kurze Antwort: ja! Die lange Antwort: Es ist ja schon recht toll, der Außenseiter zu sein im Line-up. Und wir mussten dabei auch schnell merken, dass der oben genannte stereotype Märchen-Progger vor der Bühne seltener anzutreffen ist als auf der Bühne. Wir sind bislang mit unserem Universum immer auf offene Ohren gestoßen.
RockTimes: Wobei legendäre Progressive-Bands trotz allem Euren Sound prägen. Wie viel Floyd und Crimson habt Ihr in Euch? Oder machen wir es uns zu einfach bei der Einschätzung Eurer Musik und verfallen immer wieder in eine Art Schubladendenken?
Stef: Schuldig im Sinne der Anklage. Ich finde ja jede Band, die von sich behauptet, was komplett Eigenes erschaffen zu haben, ist beschmunzelnswert (um ein Wort zu gebrauchen, das ich gerade komplett selber erschaffen habe). Bei Floyd vermute ich einen recht ähnlichen Ansatz, wie wir ihn verfolgen: Die Songstruktur wird hart erarbeitet und dann darf jeder wie er will damit umgehen. Und Du sollst nicht andere Götter haben als den karmesinroten König! Auf die Frage »Stones oder Beatles?« antworte ich immer »King Crimson!«
RockTimes: In einem anderen Interview von Euch habe ich mal den Hinweis gelesen, dass Ihr als Power-Trio nicht nur mit sechs Händen spielt, sondern eben auch verstärkt mit den Füßen. Die werden für Nummern wie "Where All Sheep Are Black" sicher auch dringend benötigt, oder?
Stef: Unser Ansatz war von Anfang an, dass wir als Trio nicht wie ein Trio klingen wollen. Ginge auch mit mehr Musikern, aber dann wird' s eng im Band-Bus. Die Saiten-Spieler bedienen deshalb ordentlich fleißig Effekte und der Drummer braucht seine Füße ja auch gelegentlich. Wobei das genannte "Sheep" da nicht ganz so fordernd ist wie das sehr viel gliedrigere "Lessons From An Ordinary World". Live müssen wir das eine oder andere Overdub – auch auf diesem Album haben wir diese sparsam eingesetzt – mit unserem blendenden Aussehen übertünchen.
RockTimes: Wenn Ihr ins Studio geht, habt Ihr dann die Songs mehr oder weniger fertig in der Tasche oder entwickelt Ihr die einzelnen Nummern erst durch gemeinsame Improvisation?
Stef: Die sind von der Struktur her alle fertig. Manchmal schon seit zwei Jahren ("Temperamental Apathy" hätte es 2017 fast noch aufs Debütalbum geschafft), in anderen Fällen seit zwei Tagen ("Euphoria" war kurz vor dem Recording-Termin geschlüpft). Aber bei vielen Songs gibt' s Parts, die bewusst offen sind, und die dann jedes Mal anders klingen. Wir haben auch dieses Mal alle Instrumente zusammen live in nur zwei Tagen eingespielt. Bei den Gesängen haben wir uns aber noch etwas mehr Zeit gelassen (Anmerkung der Redaktion: Bei The Universe By Ears singen alle drei Protagonisten mehr oder weniger gleichberechtigt und teilweise in kunstvoll überlagertem, psychedelischem Dreigesang).
RockTimes: Eure Song-Titel beinhalten häufig einen herrlich schrägen Humor ("Slam Your Head Against The Wall – Carefully", "Loudest Gorilla In The Cage", "Make It Look Like An Accident"). Zufall oder eine Art eigener Humor?
Stef: Ein gewisser Krank Pappa hat mal rhetorisch gefragt: »Does Humor Belong in Music?« und wir antworten »Mindestens Wortwitz belongs in the Songtitle!« Eine lustige Phrase ist doch ungemein inspirierend. Der Album-Rausschmeißer ist so entstanden, dass unser Drummer die Haare wachsen ließ und ein halbes Jahr von allen auf seine Mähne angesprochen wurde. Daraus entstand bei uns der Begriff 'Übergangsfrisur' und von da ging es dann ganz schnell zum Songtitel "Transitional Hairdoo" und zum dreistimmig gebrüllten Chorus: »No, it’s not gonna stay this way!«
RockTimes: "Sand And Dust" nennt Ihr im Waschzettel ein zweigliedriges Stück Filmmusik. Finde ich persönlich sehr passend. Welche Richtung ging Euch denn da durch den Kopf? Wenders, Tarantino, vielleicht sogar gar Leone? Oder eben doch die Coen-Brüder?
Stef: "Sand" entstand mit dem Gedanken, dem Publikum und uns an längeren Gigs eine Verschnaufpause zu gönnen. Irgendwann hat man die Ohren doch recht voll von Noten. Dabei kam – ohne konkretes Vorbild – was Western-haftes raus. Das angehängte "And Dust" entwickelte sich zeitgleich, weil wir uns aus Versehen zu den Refrain-Akkorden zwei komplett verschiedene Melodien ausgedacht hatten und uns von keiner der beiden trennen konnten.
RockTimes: Diese Frage muss ich Euch als Fan des FC Liverpool stellen: Xherdan Shaquiri war ein toller Fußballspieler in Basel. Nun kann er mit Liverpool Geschichte schreiben. Pink Floyd waren bekanntlich auch begeisterte Anhänger der Reds. Habt Ihr es auch mit dem Fußball oder interessiert Euch das nicht?
Stef: Hier kann ich nur aus meiner Sicht reden, da Basser Pascal und Drummer Beni schon ab und an mal in einer Probe aus dem Funkloch empor kriechen, um einen wichtigen Spielstand abzufragen. Ich dagegen bin so dermaßen Fussball-banausisch, dass ich gerade mal weiß, dass es einen runden Ball braucht. Wenn das rauskommt, werde ich umgehend ausgebaslert.
RockTimes: Welches Festival wäre Euer Traum, wo würdet Ihr gerne mal spielen?
Stef: Da gibt es einige. Isle of Wight schaut super schön aus, Glastonbury wäre recht flott. Oder wenn man ein portables Klohäuschen in eine Zeitmaschine bekommt: Woodstock 1969.
RockTimes: Letzte Frage, Euer neues Album erscheint am 04.03.2019: Worauf kann sich der Zuhörer besonders freuen?
Stef: Auf Psychedelic Brain Blues, ein paar humoristische Wortspielereien, zwölf noch gar nie dagewesene Kompositionen. Und wir uns hoffentlich wieder auf ein paar gut informierte Reviews.
RockTimes: Vielen lieben Dank Stef, dass Du uns so kurzfristig und spontan ein paar Einblicke in das Innenleben von The Universe By Ear gegeben hast. Ich hoffe sehr, dass Euer neues Album durchstartet und wir uns schon bald mal bei einem Live-Konzert sehen werden.
Innerhalb kürzester Zeit war das Interview im Kasten. Wir haben uns gegenseitig bemüht, den Eindruck zu erwecken, dass es quasi in einer gemütlichen Bierrunde entstanden ist. Dabei haben wir zugegebenermaßen ein wenig gemogelt, denn das Bier wurde zwar konsumiert, jedoch ziemlich zeitgleich in Basel und in Duisburg – der Austausch erfolgte per Mail und innerhalb einer guten Stunde, während Deutschlands Handballer sich gerade mit Spanien duellierten. Bleibt die Frage: Welchen Musiker hat der Stef im Verlauf des Interviews Wort-witzig verfremdet? Wer die Antwort weiß kann keine Platte gewinnen.
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