Ab und an nähren sich für Arbeiter-und Bauernstaat-sozialisierte Musiknarren die Erwartungen auf verheißungsvolle Resultate einiger, zwischenzeitlich finstere Wende-Niederungen passierter, Zeitgenossen mit Geschichte.
Das gilt zuvorderst für dazumal rockistisch amtierende und indes ein halbes Jahrhundert gereifte Kämpen des Ostens, die in diesem Fall, Sachsens einstiges Tal der Ahnungslosen, dank musisch-opulenter fernerhin episch-verfasster Rundfunkproduktionen, ins mediale Licht rückten.
Somit schufen die Meißner Stern-Combo, als kreativ gewichtiges Pfund der Sachsendreier-Bande zudem mit einem Ohr am Klang ihrer insgeheim westlichen Ideale, manch Bach-Fugen verortetes Monument, wie auch seinerzeit Gewichtiges und bis heute Nachhaltiges, in der Pop-Historie eines stacheldrahtverschnürten Kulturapparates.
In bildungsbürgerliche Klangbilder verpackte Geschichts-Unterweisungen über etwa Johann Friedrich Böttgers schicksalshafte Alchemien um Meißens wertvollstes Gut, sprich 'Weißes Gold', oder DDR-Beatparaden erstürmende Forscher-Drangsale im Wettlauf zum Südpol beförderten Martin Schreiers Mannen zur Speerspitze kunstpositionierter Rockmusiken in einer sonst reglementierten Gesellschaft.
Allen Wiedervereinigungs-Wehen zum Trotz überlebte das kollegiale Gedächtnis ihrer teils mitgealterten Konsumenten und spaltete diese zeitweilig in Verweigerer noch dazu eiserne Ostrock-Patrioten.
Nichtsdestoweniger und entgegen allen Zerwürfnissen ihres musischen Triebes hüteten die einst von Honeckers Jugend für den sundimposanten Gigantismus sowie Amiga-formatierten Nachlass geschätzten Rock-Veteranen aus dem Elbtal den vom Schwund bedrohten Schatz jenes musisch-wundersamen Fluidums des Ostens.
Nun freilich, drei Jahrzehnte nach Mauerfall und Treuhandpolitik mit den Erfahrungen eines gewichtigem dazu mit schmerzvollen Verlusten gelebten Musikanten-Reigens auf der Habenseite, steuern die schöpferischen Meißner, infolge Manuel Schmids befruchtender Frischzellen, den direkten Kurs.
Der wohl mit großen Löffeln orakelnder Poeme und Kompositionen ostdeutscher Liederhelden genährte Produktivbolzen brachte aus heutiger Perspektive einen wesentlichen Impetus, nicht zu vergessen die jenes Ur-Combojaners Reinhard Fissler würdigende Magie, in Bandschulze Schreiers Kollektiv.
Derweil zählen, abseits des solistischen Tuns, kompositorisch-salomonische Schulterschlüsse zwischen wertkonservativen Wohlfühl-Pop als auch Klassik-adaptierten Artrock ergo zwei Fanlagern, hauptamtlich allenfalls mit Sterne-gefälliger Herrlichkeit beleckte Bestseller-Auferweckungen wie Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" plus "Weißes Gold", zu seinen Empfehlungen.
Folglich schlugen eben die Erregungswogen, der an mittelgroße Wunder glaubenden Combo-Getreuen, zur Verkündung einer ersten gemeinschaftlichen Studiozüchtung seit Lebensuhr, zumal noch mit dem programmatischen Aufreizer "Freiheit ist" etikettiert, dementsprechend hoch.
Schon mal vorweg, der unterschwellig auf die eigene Geschichte ihrer kunstexaminierten Freigängerhaft auf Honeckers Spielareal ebenso gepriesene Schatztruhe des menschlichen Geistes anspielende Titel, erst recht Traumliaison Manuel Schmids und Marek Arnolds musische Samtknute nebst blumiger Tiefbohrer-Dialektik, hält was es verspricht.
So gerät eben jene Eröffnungsnummer mit seinen plastisch im Raum schwingenden Fender Rhodes-Klängen, Stern Meissens ausladendes im Siebziger Prog verwurzeltes Naturell, Texter Andreas Hähles unvergessene Wort-Jonglagen und selbstredend Manuels aparte Synthies samt der stimmlich nach Außen strebenden Seele, zur gewohnt ausformulierten Artrock-Vollendung.
Tatsächlich wachsen die wie ein roter Faden durchs Repertoire philosophierenden Freiheits-Mantras »Freiheit ist sein, Freiheit ist werden…« zu sowohl unverdrossenen Glaubensbekenntnissen und gelegentlich in codierte Postulate gegossene Klangvertrautheiten, als auch Hörexkursionen in die Vergangenheit, heran.
Birgt hier auch manch musische Reminiszenz an ein bewegtes Schaffen die Gefahr von Sentimentalität, so ziehen sich die Protagonisten dennoch mit Verve aus der Affäre respektive überraschen mit "In den Kosmos", einer reanimierten 1978er Komposition und dazumal zwischen den Zeilen Reisefreiheit bewerbende Huldigung an den ersten DDR-Fliegerkosmonauten Siegmund Jähn, Martin Schreiers in "An jenem Abend" Stimmlippen-gereifter Brückenbau zu den optimistischen Achtzigern und schlussendlich Thomas Kurzhalses unauslöschliches Tastenvermächtnis an das Leben.
Währenddessen hierzulande Andere mit tönig-plastinierter Gefühligkeit und stockkonservativer Rebellions-Litanei die Hörerportemonnais plündern, tauchen unsere Musikusse zu "Nimm die Welt in die Hand" ihren gegenwartspoetischen Lanzenbruch fürs Autonome in synthetische, obschon mit Rock-betriebenen Griffbrett angedickte, Achtziger-Revival-Wellen.
Nichtdestotrotz entlässt sich dieser anfänglich mit altklugen Reimen und nächstbesten Pop-Appeal für Mitwipper erschöpfende Ohrwurmkanditat mittels Martin Schnellas, der nebenbei den starken Ton des Werkes besorgte, elektrisierter Flitzefinger sowie dynamischeren Tasten-Gelüsten aus seinen angestammten Korsett.
Vom unausgesprochenen Kalkül und Heimbastlers Schmid spielpassionierter Neugier bestärkt docken sich die klugen Sachsen mit einer jener salonfähigen Adaptionen meisterlicher Tonsetzer, hier Robert Schumanns Electronica-moduliertes "Von fremden Menschen und Ländern", andernfalls per Sterne-Spezialitäten verköcheltes Allerlei für kunstrockende Geschmäcker zu zartbitter bedeckter Wortcreme, an die Rezeptoren treugesinnter Bewunderer.
"Freiheit ist" profitiert klar vom musischen Konstruktivismus überdies wechselseitigem Korrektiv zweier Multitalente: Manuel Schmid, Sterne-Nesthäkchen und indes zur fleischgewordenen Duracell erwachsen sowie Marek Arnold, ein Schwurbel-Rock-infizierter Pedant mit jazziger Kehrseite und zu guter Letzt die über alles wachenden Seelen gegangener Weggefährten.
So pflegt Martin Schreiers eingeschworene Bande sehr wohl die musikalischen Gepflogenheiten einer betagten Lebensleistung, sei es ein lindes Lüftchen Synthie Pop wie zu IC Falkenbergs Zeiten oder mit starken Gestus beschlagener Kunst-Rock.
Tradition und Moderne werfen diese analog als solches, mit harmonieinflationärer Mehrstimmigkeit alsgleich überemotionaler Gegenwartsschemata, allenthalben sogar als Neu-Kundschaft mundendes Konfekt, in die Waagschalen.
Stern Meissens neuestes, des muffigen Combo-Zusatzes entledigte, Zeugnis ist letztlich das Produkt aus jahrzehntelanger Erfahrung und fidelen Ideen samt der Fülle lyrischer Gleichnisse, sodann im Ergebnis allemal eine Unterfütterung ihrer Legendenstellung.
Line-up Stern Meissen:
Manuel Schmid (vocals, keyboards)
Martin Schreier (percussion, vocals)
Thomas Kurzhals (keyboards – #7)
Sebastian Düwelt (keyboards)
Axel Schäfer (bass-guitar)
Frank Schirmer (drums, percussion)
Guests:
Marek Arnold (keyboards – #3,5,6,11,12,13,14)
René Niederwieser (guitar – #5,7,8,12,14)
Ekkehard Dreßler (percussion – #6,7)
Martin Schnella (guitar – #2)
Tracklist "Freiheit ist":
- Freiheit ist
- Nimm die Welt in die Hand
- Blinde Gier
- Bleib stark
- An jenem Abend
- Kein einziges Wort
- Lebensblues
- Ausnahmezustand
- In den Kosmos
- Von fremden Menschen und Ländern
- Einer unter Gleichen
- Schattenwand
- Hoffnung (Zwischenspiel)
Gesamtspielzeit; 60:43 ,Erscheinungsjahr 2020
1 Kommentar
Steffen Nitzsche
30. November 2020 um 17:32 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich hab jetzt die Scheibe paar Wochen und hab mit Interesse deine Zeilen gelesen. Ich musste sie aber auch mehrmals lesen um alles zu verstehen. Ok. ich hab mal meine Eindrücke zum Album festgehalten und möchte werde sie nicht vorenthalten. Es schreibt auch ein Ostrocker…..aus Sachsen 🙂
Stern Meißen "Freiheit ist"
In die neue Scheibe von Stern Meißen habe ich mich verliebt und sie hat auch die Band wieder mehr bei mir in den Mittelpunkt gerückt.
Die Combo gehört ja mit einer wechselvollen Geschichte, wie auch sehr wechselhaften Besetzungen zu den dienstältesten Bands in Germany.
Einige "Artrock" Klassiker aus früheren Jahren gehören noch immer zu meinen Lieblingssongs des Ostrock.
Die Band ging meist andere Wege und konnte sich so ihre eigene Fangemeinde erspielen.
In den jetzigen schwierigen Live Zeiten hat Stern Meißen nun das Album "Freiheit ist" herausgebracht.
Beim ersten Reinhören wurde ich schnellhörig und sehr neugierig. Sollte sich die Band etwa wieder mehr in mein Gehör schleichen?
Nach ein paar Wochen kommt ein eindeutiges JA !
In den 80igern dominierte bei mir teilweise der Synthie-Sound und bei den „Sternen“ ist das Keyboard auch sehr präsent.
Dennoch hat es mir als Bluesfan die Musik sehr angetan, doch Musik lebt ja nicht nur von elektronischen Tastenklängen, sondern auch von den dazugehörigen Texten.
Der Titel "Freiheit ist" trifft den Nagel voll auf den Kopf. Schon allein die Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Album.
Manuel Schmid, der neue Frontmann, besingt mit seiner klaren Stimme Sehnsüchte, Träume, Wünsche, Hoffnungen, Tatschen und Standpunkte
zum Thema “echte” Freiheit. Damit spricht er auch mich sehr an.
Uns Menschen, die wir eigentlich in einer freien Gesellschaft leben, wird nicht nur jetzt gezeigt, dass man auch uns Freiheiten nimmt.
Gesellschaftlichen Zwänge wachsen zunehmend mit der Globalisierung und ein gewisses Stück andere Freiheit wird einem zunehmend genommen.
Die Individualität geht leider ebenso verloren. Jedenfalls hat mich diese Scheibe auch textlich sehr zum Nachdenken angeregt.
Stern Meißen ist mit "Freiheit ist" wieder mehr zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und die Fangemeinde wird es der Band danken.
Auch wenn ein leichter "Popcharme" über den Titeln schwingt, ist es für mich keine poppige Musik, sondern feine deutsche elektronische Rockmusik.
Ich denke, das Album kam zur rechten Zeit. Leider ist so manches Konzert ausgefallen und auch mein Ausflug zum Live-Abend wurde verschoben.
Ich hoffe sehr, dass wir alle bald wieder gute Musik live erleben können.
Die Band Stern Meißen hat zwar eine Verjüngungskur durchgemacht und dennoch ihre Tradition erhalten.
Auch wenn das Band-Urgestein Martin Schreier musikalisch etwas in den Hintergrund rückt, ist er für die Band und für uns sehr wichtig, er muss ein Kopf der Band bleiben. Gesanglich ist Martin bei dem Titel "An jenem Abend" mitzuerleben.
Dieser Song gehört mit zu meinen Lieblingsstücken des 2020-er Werkes oder ist für mich sogar das Highlight.
Wo wir nun auch schon bei den einzelnen Titeln wären. Ich habe mehrere Favoriten und mit 14 Stücken ist das Ding ziemlich prall gefüllt.
Die klaren Keyboards von Manual Schmid und Sebastian Düwelt dominieren die meisten Songs und drücken ihren Stempel ebenso melodronisch auf.
Manuel Schmid macht gesanglich eine 1 Note und bringt die Songs toll rüber, ein echter Glücksgriff für die Band.
Reinhard Fißler wäre stolz auf seinen Nachfolger. Ich muss aber sagen, dass ich damals auch IC Falkenberg nicht schlecht fand, selbst wenn die Band in den 80-ern eine etwas andere Richtung verfolgte. Axel Schäfer untermalt mit seinem saftig-satten Basssound die elektronischen Klänge. Die beiden Trommler im Hintergrund, Frank Schirmer und Martin Schreier perfektionieren diesen Sterne Sound.
Klar, beim Einspielen der Titel waren auch noch andere mit am Werk. Gut so.
Besonders Marek Arnold sollte hier in vielerlei Hinsicht als wichtiges Mitglied bei der Entstehung dieses Werkes genannt werden.
So, welches sind nun meine Favoriten: Klar, der Vorsong "Nimm die Welt in die Hand" hat echtes Hitpotential, es überzeugt durch Tempo und satte Synthie-Klänge.
Auf gleicher Höhe will ich aber auch den Titelsong "Freiheit ist" und "An jenem Abend " nennen. Beides sind echte Werke mit einigen Überraschungen im Songaufbau und auch textlich echt gut. "Blinde Gier" ist etwas ruhiger, aber ein echter Ohrwurm und sehr anspruchsvoll. Auch "Bleib stark" gefällt mir sehr gut und höre ich mir gern an.
Echte Ausrutscher sucht man auf dem Album vergeblich. Alle Songs sind eigen und haben auf dem Silberling ihre Berechtigung.
Auch ein Instrumental ist zu hören: "Hoffnung". Mit dem "Lebensblues" kommt noch mal Thomas Kurzhals ins Spiel, der die Band auch sehr positiv prägte.
Ein kurzweiliges Album trotz einer Stunde Spielzeit. Stern Meißen lebt also…
Ich bin gespannt, wie der Weg dieser Band weitergeht. Manuel Schmid ist angekommen und man hofft, dass er seinen festen Platz findet.
2021 muss wieder ein „Live-Event“- Jahr werden und auch Stern Meißen sollte viele Zuhörer erreichen.
Schade finde ich, dass sich in heutigen Zeiten Musikredakteure davor scheuen, neue Stern Meißen -Songs auch im Radio zu präsentieren, ein echtes Armutszeugnis für viele Sender, denn die Titel sind wirklich gut und radiotauglich.
Eine echte Empfehlung für lange Winterabende von mir: Stern Meißen “Freiheit ist“