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Steve Earle & The Dukes / J.T. – CD-Review

Steve Earle & The Dukes - "J.T." - CD-Review

Nicht um hier in Klischees zu verfallen, aber es ist wohl ein unumstößlicher Fakt, dass es für jeden Elternteil nichts Schlimmeres gibt, als dass eines seiner Kinder vor ihm stirbt. Im August 2020 verlor Steve Earle seinen 38-jährigen Sohn Justin Townes an eine Überdosis. Steve, der in jungen Jahren selbst lange Jahre auf dem 'Highway To Hell' unterwegs war, war selbstredend am Boden zerstört. Wie bei seinen beiden 'Ziehvätern' Townes Van Zandt (Townes, 2009) und Guy Clark ("Guy", 2019) betrieb er seine Trauerbewältigung damit, ein Album mit Songs von Justin Townes (oder kurz J.T.) aufzunehmen. »Ich konnte einfach keinen anderen, keinen besseren Weg finden, um 'Auf Wiedersehen' zu sagen’«, so Earle in einem Interview zur neuen Platte. J.T. trat musikalisch in die Spuren seines Vaters und veröffentlichte von 2008 bis 2019 insgesamt acht Alben.

Und wenn man sich diese zehn Tracks so anhört, dann kann man ganz schnell (auch ohne die Originalversionen zu kennen) feststellen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen ist. Das gilt nicht nur für die musikalische Ausrichtung (allerbester Americana/Roots Rock nämlich), sondern auch für die hohe Qualität der Kompositionen. Was allerdings auch mehr als deutlich wird, ist dass der gute J.T. offensichtlich lange Zeit keinen Halt im Leben hatte. Texte wie unter anderem die zu "I Don’t Care", "Harlem River Blues" oder "Far Away In Another Town" zeugen von einer inneren Verloren- und Orientierungslosigkeit, die mit der hier gebotenen Intensität doch ziemlich unter die Haut gehen. Ganz sicher geprägt von seiner schwierigen Kindheit hatte Justin Townes zwei seiner Werke ganz sicher nicht umsonst die Namen "Single Mothers" (2014) sowie "Absent Fathers" (2015) gegeben.

Was Steve Earle & The Dukes hier musikalisch bieten, ist erneut absolute klasse. Nach dem plötzlichen Ableben seines langjährigen Bassisten und Freundes Kelley Looney sind nun Chris Masterson und Eleanor Whitmore (die unter dem Namen The Mastersons bereits empfehlenswerte Alben veröffentlicht haben) die dienstältesten aktuellen Dukes. Speziell Miss Whitmore fällt wieder nicht nur durch ihre tolle Arbeit an der Fiddle, sondern auch spitzenmäßigen Background-Gesang ins Ohr. Noch über die Qualitäten des guten Chris an der Gitarre und Mandoline zu sprechen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Aber auch die ’neuen' Dukes, namentlich Ricky Ray Jackson (pedal steel, Dobro, background vocals) Jeff Hill (acoustic & electric bass, cello, background vocals) und Brad Pemberton (drums) lassen hier nullkommanull anbrennen.

Steve Earle hat es schon immer verstanden, verdammt viel Feeling in seinen Gesang zu legen. Die Intensität, die er hier an den Start gebracht hat, toppt allerdings fast alles seiner bisherigen Karriere (mit dem vielleicht ebenbürtigen Song "Fort Worth Blues" vielleicht). "J.T." wird von dem einzigen von Steve selbst komponierten Track "Last Words" beendet, der von dem letzten von ihm mit seinem Sohn geführten Telefonat handelt und die Verzweiflung des hinterbliebenen Vaters auf die Spitze treibt. Aber bei aller knisternden Spannung und Trauer ist dies nicht nur eine triste Scheibe, denn sie zeigt mit der J.T.-Textzeile »I’m a bad dream, not a nightmare, 'cos I’m too pretty for that..«, dass der Verstorbene durchaus auch Humor, selbst wenn es vielleicht Galgenhumor war, hatte.

So traurig der Grund für dieses Album auch ist, es enthält großartige Musik von einem Frontmann und Bandleader, der es (zumindest für den Zeitraum dieser Aufnahmen) geschafft hat, seine komplette Band in dieses Vakuum der sehr intensiven Gefühle mitznehmen.


Line-up Steve Earle & The Dukes:

Steve Earle (guitars, mandolin, octave mandolin, harmonica, lead vocals)
Chris Masterson (guitars, mandolin, 1-finger-piano, background vocals)
Eleanor Whitmore (fiddle, mandolin, organ, background vocals)
Ricky Ray Jackson (pedal steel, Dobro, background vocals)
Jeff Hill (acoustic & electric bass, cello, background vocals)
Brad Pemberton (drums & percussion, background vocals)

Tracklist "J.T.":

  1. I Don’t Care
  2. Ain’t Glad I’m Leaving
  3. Maria
  4. Far Away In Another Town
  5. They Killed John Henry
  6. Turn Out My Lights
  7. Lone Pine Hill
  8. Champagne Corolla
  9. The Saint Of Lost Causes
  10. Harlem River Blues
  11. Last Words

Gesamtspielzeit: 34:39, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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