1973 war es, als Steve Miller den Joker zog und mit dem gleichnamigen Song an die Spitze der US-Charts zog. Das Album war eigentlich der Beginn einer neuen Ära des amerikanischen Sängers und Gitarristen. Miller, Jahrgang 1943, kam aus einem Jazz-affinen Elternhaus und hatte das Glück, als Fünfjähriger an das Gitarrenspiel herangeführt zu werden. Und das von keinem Geringeren, als einem Freund des Hauses Miller: Les Paul. Genau, der, dessen Namen den Hals einer der berühmtesten Gitarren ziert.
Miller seinerseits gab auch Wissen weiter und zwar in Form von Gitarrengriffen, die er seinem Klassenkameraden Boz (genau, der Scaggs) zeigte, damit dieser in seine damalige Schülerband einsteigen konnte. Überhaupt finden sich viele große Namen in seinem Dunstkreis, so zum Beispiel die Keyboard-Legende Barry Goldberg, mit der er kurz zusammen musizierte. 1967 gründete Miller seine eigene Band und trat noch im gleichen Jahr beim Monterey Pop Festival auf. Musikalisch für mich am interessantesten sind sicherlich die ersten vier oder fünf Alben der Steve Miller Band, da die sich in einem herrlichen psychedelischen Bluesumfeld bewegen. Dass er in diesen Jahren auch kurz mit Dave Mason und John Lee Hooker arbeitete, sei hier nur am Rande erwähnt.
Obwohl die sieben Alben vor "The Joker" ebenfalls in den Charts notiert waren, ging es mit Album Nummer acht aber ganz weit nach vorne und das erste Platin wurde notiert. Stilistisch kann man nach wie vor von bluesigem Tenor sprechen, allerdings sind die psychedelischen Duftmarken eher, oder besser zum größten Teil verschwunden. Nun ja, dafür ging die Scheibe aber durch die Decke und es gab wohl keine Radiostation, die den Titeltrack nicht spielte. Nicht weil es Vierfach-Platin erhielt, sondern weil es mich genau zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle traf, ist das Nachfolgealbum "Fly Like An Eagle" – aber (immer noch) eine meiner Inselplatten.
Aber es geht um "The Joker", und zum 50-jährigen Jubiläum hat sich Steve Miller etwas ausgedacht: "J50: The Evolution Of The Joker". Wie es der Albumname bereits vorgibt, zeigt Miller die Entwicklung hin zum Erfolgsalbum, die »künstlerische Reise« hin zum »orginellen neuen Sound«, mit dem er »ein breiteres Publikum als je zuvor erreichte«. Mir liegt das 2CD-Set vor, aber daneben ist auch eine 3LP + 7″-Box und natürlich der digitale Download erhältlich Der Vinyl-Version ist eine Reproduktion eines alten "The Joker"-Aufbügelbildes sowie eine Lithografie in limitierter Auflage beigelegt. Die Zusammenstellung der Stücke ist im Wesentlichen die Originaltracks der Platte in zeitlicher Reihenfolge neben 27 bis dato »noch nie gehörten Aufnahmen – darunter acht bisher unveröffentlichten Songs« aus Millers persönlichem Archiv zu platzieren. Es handelt sich dabei um Recorder-Aufnahmen aus Hotelzimmern oder von Liveauftritten, Studio Outtakes, Bandproben sowie Ton-Kommentare von Miller selbst. Zu sagen, das alles ist eher geeignet, um Hardcore-Fans zu begeistern, wäre auf dem ersten Blick vielleicht denkbar, aber es wäre genauso falsch, wie zu sagen, dass die Sonne nachts nicht da ist. Will sagen, es sind Lieder aus den Vorgängeralben auf der Jubiläumsausgabe und somit die Chance für einige Fans des Millers, den man ab "The Joker" in den Radiostationen dieses Planeten tagaus und tagein hört, auch mal den anderen Miller zu hören. Von Unbekanntem wie "Lidi" oder "Travelin'" gar nicht erst zu sprechen.
Natürlich ist "J50: The Evolution Of The Joker" als Playlist anders zu erstellen, denn die sechs Kommentare des Musikers stören schon den Hörfluss der Platte, auch wenn man der Sprache so weit mächtig ist zu verstehen, was Steve Miller da zu sagen hat.
Apropos zu sagen haben: Zu lesen gibt es auch einiges im fast 40-seitigen, auch bebilderten Booklet. Neben Steve Miller hat auch Anthony DeCurtis Liner-Notes geschrieben und das ist einer, der das kann. Curtis, Autor und Musikkritiker, schrieb u. a. für den Rolling Stone, Relix oder die New York Times und wurde 1989 mit dem Grammy für den besten Album-Begleittext (1989 "Crossroads" – Eric Clapton) ausgezeichnet. Wie die Stücke auf vorliegender Ausgabe bis zu den Anfängen der Band reichen, beginnen auch die Liner-Notes zu dieser Zeit mit Erwähnungen über Dr. Martin Luther King, Robert Kennedy, Rassenunruhen, Vietnam-Krieg, Nixon und Kambodscha, Hanoi am Weihnachtsabend, Altamont, die Pentagon Papiere usw. .
Es ist beim Hören der Musik also auch Lesebegleitung vorhanden, falls gewünscht.
Da "J50: The Evolution Of The Joker" von Miller selbst kuratiert wurde, kann es wohl authentischer nicht sein. Sicher, keine Scheibe für die nächste Party, aber eine, die man haben kann, auch wenn man nicht ein Die-Hard Fan ist. Und mal ehrlich: Wer von uns, die 1973 so alt waren, dass sie die Veröffentlichung des Originals adäquat erlebt haben, geht heute noch auf Partys?
Line-up Steve Miller Band:
Steve Miller (vocals, guitar, harmonica)
Gerald Johnson (bass)
Dickie Thompson (organ, clavinet)
John King (drums)
Lonnie Turner (bass – CD2 #15)
Sneaky Pete Kleinow (pedal steel – CD2 #20)
On CD1 #15):
Steve Miller (guitar)
Curley Cooke (guitar)
Ross Valory (bass)
Jack King (drums)
Tracklist "J50: The Evolution Of The Joker":
- Steve Miller Commentary 1
- Children Of The Future Live – Los Angeles, Ca, May 20, 1972
- Brave New World Live – Los Angeles, Ca, May 20, 1972
- Dear Mary Live – Los Angeles, Ca, May 20, 1972
- Space Cowboy Live – Berkeley, Ca, July 14, 1972
- Ginger Man Live – Berkeley, Ca, July 14, 1972
- Nothing Lasts Live – Berkeley, Ca, July 14, 1972
- Steve Miller Commentary 2
- Sugar Babe (Early Version) Hotel 4-Track, April 21, 1972
- Sugar Babe Live – Columbus, Oh, December 8, 1973
- Sugar Babe Album Version
- Mary Lou (Early Version) Studio Rehearsal, January 19, 1973
- Mary Lou Album Version
- Steve Miller Commentary 3
- Hat (Pre-"Shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma") Live – Sacramento, CA, June 6, 1971
- Say Hey Ray (Pre-"Shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma") Studio Rehearsal, July 27, 1973
- White Elephant (Pre-"shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma") Studio Rehearsal, June 21, 1973
- Shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma (Early Version) Hotel 4 Track, April 21, 1972
- Shu Ba Da Du Ma Ma Ma Ma Album Version
CD 2:
- Steve Miller Commentary 4
- Your Cash Ain’t Nothin' But Trash (Early Version) Studio Jam
- Your Cash Ain’t Nothin' But Trash Album Version
- Lidi (Twang Guitar) Hotel 4-Track, April 21, 1972
- Lidi Studio, August 4, 1973
- Lidi / Travelin' (Harmonics – Looking for a Chorus for "The Joker") Hotel 4-Track, November 3, 1972
- Travelin' (Looking for a Chorus for "The Joker") Live Radio, July 1, 1973
- The Joker Album Version
- Steve Miller Commentary 5
- The Lovin' Cup Live – Lansing, Mi, November 27, 1973
- The Lovin' Cup Album Version
- Come On In My Kitchen (Early Version) Live – Dallas, TX, October 19, 1973
- Come On In My Kitchen Album Version
- Evil Studio Demo, July 28, 1973
- Evil Album Version
- Steve Miller Commentary 6
- Coupe De Ville (A Cappella) Hotel 4-Track, July 1973
- Something To Believe In (Early Version) Hotel 4-Track, November 3, 1972
- Something To Believe In (Tough Crowd) Live – Austin, TX, October 19, 1973
- Something To Believe In Album Version
- I Don’t Mind Hotel 4-Track, April 21, 1972
- I Don’t Mind Studio, July 31, 1973
- Mama Church (A Cappella) Hotel 4-Track, April 21, 1972
- The Joker Single Version
Gesamtspielzeit CD1: 65:38, CD2: 56:08, Erscheinungsjahr: 2023 (1967-1973)
2 Kommentare
Ulli Heiser
16. Juli 2024 um 8:44 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hallo Christoph,
es freut mich, dass die Rezi gefallen hat. Mit den Preisen hast du Recht, es ist schon erstaunlich, was da manchmal aufgerufen wird.
Aber neben der Musik ist die Vinylversion auch etas Besonderes, Also immer gut den Abtaster sauber halten 🙂
Beste Grüße
Ulli
Christoph Sundmacher
14. Juli 2024 um 9:39 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Ulli,
danke, eine klasse Rezension des Joker. Diese Jubiläumsausgabe hatte mich sofort nach dem Erscheinen gereizt.
Abschreckend ist/ war der überzogene Preis der LPs. – da ich Vinyl seit ewigen Zeiten bevorzuge … Steve Miller steht bei mir vollständig im Wohnzimmer..
Aktuell hat Amazon die preislich Schmerzgrenze auf 119 € gezogen, sodass ich gespannt auf die Sendung der kommenden Tage warte.
Dein Bericht ist mein Auslöser zur Bestellung…
LG
Christoph