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Stone The Crows / Same/Ode To John Law – CD-Review

Stone The Crows / Same

Back To The Roots!

Präzise, und zwar tief und ehrlich, wie man nicht weiter eindringen könnte in die Kultur des Blues und der Rockmusik – genau dorthin, wo sich aus den bluesigen Wurzeln die symbiotischen Klänge entwickelten, die den bis heute so populären Blues Rock zur Blüte gebracht haben, die Variante des Rock’n’Roll, die ihre Herkunft in den Adern fließen lässt.
»There ain’t no Rock’n’Roll without the blues«, hat Johnny Winter einst auf der Bühne des Rockpalasts so oder so ähnlich verkündet.

Wissen wir alle. Aber Rockmusik, die den Blues weiter in sich trägt, gilt daher für viele als das Herzstück unserer Musik. Ob Stone The Crows das damals geahnt haben? Eher nicht. Die lagen einfach voll im Trend, als sie in der Geschichte zeitgenössischer Musik auf den Plan traten. Und sie hatten mit einer wahrhaft eruptiven Stimme eine ganz besondere Geheimwaffe an Bord, die wirklich keinen unberührt lässt und wie kaum eine zweite der großen Janis Joplin nahe zu sein scheint. Aber es gab ebenfalls eine mitunter fuzzig verzerrte und ab und an herrlich psychedelische Gitarre an Bord, die den Nebelschwaden verhangenen Saitentönen des Westcoast der damaligen Zeit jederzeit Paroli bieten konnte. Wer solche Sounds vereinte, der traf den Zahn der Zeit – auch wenn es am Ende nur vier Scheiben waren, die unsere Helden der Nachwelt hinterließen. Und das alles aus Glasgow, Scotland und nicht aus der Frisco Bay!
Der Name der Band, die sich ursprünglich Power genannt hatte, muss man dem Led Zeppelin-Manager Peter Grant zuschreiben, der seiner Verblüffung beim ersten Kontakt Ausdruck verleihen wollte: »Stone the crows«, sinngemäß »wow, wer hätte das gedacht«.

Stone The Crows, das Album

Wie schon erwähnt, bestach die Band bei ihrem Debüt 1969 vor allem durch die charismatische Sängerin Maggie Bell und Gitarrist Leslie Harvey, aber auch Bass-Mann Jimmy Dewar (hier noch fast gleichberechtigter Vokalist) wusste schon damals Akzente zu setzen und schrieb nach dem Ende von Stone The Crows gewissermaßen Rockmusik-Geschichte, als er 1974 an Robin Trowers Meisterwerk "Bridge Of Sighs" mitwirkte.
Geil ist aber auch die herrlich zeitgemäße Orgel, die immer wieder sehr schön den soulig groovenden Spirit antreibt und hier und da von Acid Rock gespeisten Saiten befeuert wird. "Raining In Your Heart" zeigt das geradezu schweißtreibend.
Folkige Einlagen ergänzten das Spektrum, den "Blind Man" würde man sicher nicht in Schottland verorten.

Ihren Hang zu jammigen Ausuferungen lebt die Band dann erstmals in der bluesig groovenden Nummer "I Saw America" aus, die vor avantgardistischen Ausbrüchen und Improvisationen keinen Halt macht. Vorübergehend kommt einem plötzlich Robert Fripp und sein karmesinroter König in den Sinn, bevor der Blues zurückkehrt. Eine Steilvorlage eigentlich auch für heutige Jam-Bands, die gerne mal ein Cover ausgraben. Ich hätte da so eine Idee.
Ein wildes Freak-out beendet das beeindruckende Debüt.

Ode To John Law

Stone The Crows / SOde To John Law

Stone The Crows / Ode To John Law

Eines wird beim zweiten Album sehr schnell deutlich, die Tendenz zu jammigen Spielarten gewinnt weiteren Einfluss. Das beweist gleich der lässig treibende Blues "Sad Mary" und "Friend" driftet ab in eine Sphäre, wo einem auch die Doors oder Jefferson Airplane hätten begegnen können, viel mehr Spirit aus der damaligen Zeit geht eigentlich nicht und so legt man mit "Love 74" gleich eine dritte fast siebenminütige Nummer nach, wunderbar psychedelisch und meditativ dahintreibend wie ein Fluss positiv aufgeladener Energie. Es kristallisiert sich eine eindeutige Zuwendung zu Soul beeinflussten Songs heraus, die so nicht auf dem Vorgänger zu erkennen war – schön zu hören in dem swingenden Piano und der herrlichen Stimme von Maggie, wenn man sich kurz und knapp in einem historischen Titel aus dem Jahre 1931 wiederfindet. "Mad Dogs & Englishmen" hat aber mit dem betreffenden Song von damals nichts zu tun, ebenso wenig wie mit der gleich betitelten LP von Joe Cocker, geschrieben wurde er von Les Harvey und Colin Allen.

Der Titeltrack hat dann wieder recht wenig mit der Grundausrichtung des Blues Rock zu tun, klingt vielmehr experimentell und ist deutlich auf die Orgel kalibriert, die am Anfang tatsächlich Erinnerungen an Jon Lord auf der ersten Purple-Platte wach werden lässt. Nun ja, als "John Law" erschien, lag die noch nicht so lange zurück. Harveys faszinierend schräge Gitarrenarbeit verleiht dem Song die markanten Spritzer außergewöhnlicher musikalischer Ideen. Hier geht es um weit mehr als nur die Beziehung zum Blues.

Hab ich erwähnt, dass die begleitende Gitarre im Hintergrund gelegentlich um Maggies Stimme fließt wie die sanften Klänge eines David Gilmour, beispielsweise in "Echoes"? "Danger Zone" heißt der Song und packt mich massiv an. Eine extrem geile Nummer.

Das dritte Album brachte den internationalen Durchbruch. Es brachte Umbesetzungen an Bass und Keyboards, aber vor allem den Tod Lesley Harveys, tragischerweise durch einen Stromschlag in Ausübung seines Jobs. Wer denkt da nicht auch an Bruno Frenzel von Birth Control? Von diesem Schlag konnte sich die Band nicht mehr erholen. Wie auch, wenn einer der kreativsten Köpfe so plötzlich und unvorbereitet aus ihrer Mitte gerissen wird?

Ach ja, ich sollte vielleicht erwähnen, dass Repertoire Records zur Aufbereitung des Sounds keinen Geringeren als Eroc verpflichten konnte. Dessen Fähigkeiten zu preisen würde die berühmten Eulen nach Athen zu tragen bedeuten. Heutzutage fliegen die ja eh eher nach Hogwarts.
Sucht man heute nach den frühen Wurzeln des Blues Rock, darf man an diesen Veröffentlichungen sicher nicht vorbei gehen. Und Stone The Crows waren keine Spartenband, ihre Musik ließ stets Türen auf zu benachbarten und sehr aufregenden Stilrichtungen. Diese Musik ist derart unverschämt authentisch, dass sie mir auch heute noch ein paar Tränchen in die Augen treiben kann. Pure Leidenschaft, mitreißende Interpretationen, zeitgemäße Sounds und großartiges Können. Höre ich Platten wie diese, komme ich am Ende nicht umhin, mich dem ansonsten eher etwas platten und mitunter auch peinlichen Mantra anzuschließen:
Früher war alles besser …


Line-up Stone The Crows:

Les Harvey (guitar)
Jim Dewar (bass, vocals)
Colin Allen (drums, percussion)
John McGinnis (organ, piano)
Maggie Bell (vocals)

Tracklist "Stone The Crows":

  1. The Touch Of Your Loving Hand
  2. Raining In Your Heart
  3. Blind Man
  4. The Fool On The Hill
  5. Saw America

Tracklist "Ode To John Law":

  1. Sad Mary
  2. Friend
  3. Love 74
  4. Mad Dogs & Englishmen
  5. Things Are Getting Better
  6. Ode To John Law
  7. Danger Zone
  8. Things Are Getting Better (single version)

Gesamtspielzeit: 38:01, Erscheinungsjahr 1969 (2021)
Gesamtspielzeit: 47:13, Erscheinungsjahr 1970

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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