Mein Kollege Paul Pasternak hatte es ja in seiner kleinen Vorschau am Ende seines Reviews zu den ersten beiden Alben (Stone The Crows und Ode To John Law) bereits erwähnt: nach der zweiten Scheibe rumpelte es erstmal gewaltig im Band-Karton. Zum einen zog es den Bassist (und bis dahin Co-Leadsänger) Jim Dewar in die Robin Trower Band, zum anderen hatte auch der Keyboarder John McGinnis keine Lust mehr. Ersetzt wurden die beiden durch den Tastenmann Ronnie Leahy sowie den Bassist Steve Thompson, die auf der dritten Schreibe, dem mir nun vorliegenden "Teenage Licks", ihren Einstand gaben. Während sich hier Maggie Bell, der Gitarrist Les Harvey (übrigens ein Bruder des ’sensationellen' Alex Harvey) sowie der Drummer Colin Allen gemeinsam mit den meisten Songcredits schmücken, sind die neuen Musiker immerhin drei Mal (Leahy) bzw. zwei Mal (Thompson) als Co-Komponist vertreten, während der ausgeschiedene Keyboarder McGinnis für die Nummer "One Five Eight" alleine verantwortlich zeichnete.
Was gabs sonst? Vervollständigt wurden die Eigenkreationen durch ein kurzes Traditional sowie ein Bob Dylan-Cover, aber dazu später mehr. Zur musikalischen Ausrichtung auf "Teenage Licks" ist zu sagen, dass die psychedelischen Parts fast komplett verschwunden sind und sich das Quintett auf Blues Rock mit Stücken zwischen dreieinhalb bis fünf Minuten sowie dem Ausreißer "One Five Eight" mit sechseinhalb Minuten spezialisiert hatte. Les Harvey startet die Platte und "Big Jim Salter" mit einem feinen Riff, das recht bald 'fette' Orgel-Akkorde nach sich zieht, bis mit Maggie Bell eine der besten Sängerinnen der frühen Siebziger ins Geschehen eingreift. Immer noch tief im Blues verwurzelt wird aber hier schon klar, dass die Rock-Anteile im Sound größer geworden sind. Die beiden neuen Bandmitglieder fügten sich hervorragend in die Combo und deren Sound ein und so wirkt das komplette Album dann auch 'rund' und in sich geschlossen.
Glücklicherweise verzichtete Stone The Crows auch auf "Teenage Licks" nicht auf ihre raue, teilweise fast ruppige, dafür aber überaus authentische Gangart. "Faces" beginnt mit verträumten Keyboard-Klängen, die eine hervorragende und die Nackenhaare aufrecht stehen lassende Ballade eröffnen. Schwer zu glauben, dass die Band damals nicht noch erfolgreicher wurde. "Ailen Mochree" ist ein schottisches Traditional, das in weniger als einer halbe Minute von Maggie Bells Gesang getragen wird. Bei dem einzig echten Coversong handelt es sich um Dylans "Don’t Think Twice, It’s Alright", das hier als großartiger Slow Blues performt wird. In erster Linie wieder Miss Bell, aber auch alle anderen Musiker überzeugen nicht nur durch ihr Spiel, sondern auch ihr feines Feeling. Die größte Überraschung der Scheibe war sicher das abschließende "Seven Lakes", bei dem sogar jazzige Passagen ins Spiel gebracht wurden, die man von der Band bis dahin noch nicht gekannt hatte.
Insgesamt gesehen war "Teenage Licks" eine sehr clevere Mischung aus starken Rockern ("Big Jim Salter", "Keep On Rollin'"), Midtempo-Blues-Rockern ("Mr. Wizard"), hervorragend interpretierten Balladen ("Faces"), so etwas wie die Mischung aus beidem ("I May Be Right, I May Be Wrong") und der Coverversion eines Songs, den damals garantiert jeder kannte. Maggie Bell war (und ist auch heute noch) eine Klasse für sich und auch der Rest der Band überzeugt. Daher darf sich das Album unbedingt auch über die RockTimes-Prämierung 'Vergessene Perle' freuen, die sie sich definitiv verdient hat. Damals gelang Stone The Crows mit dieser Platte der Durchbruch, die guten Zeiten sollten jedoch nicht lange anhalten. Aber dazu mehr im nächsten Review zum letzten Studioalbum der Band, "Ontinuous Performance".
Line-up Stone The Crows:
Maggie Bell (vocals)
Les Harvey (guitars, recorder)
Colin Allen (drums & percussion)
Ronnie Leahy (keybards)
Steve Thompson (bass)
With:
The Dundee Horns (horns – #2-4)
Tracklist "Teenage Licks":
- Big Jim Salter
- Faces
- Mr. Wizard
- Don’t Think Twice, It’s Alright
- Keep On Rollin'
- Ailen Mochree
- One Five Eight
- I May Be Right, I May Be Wrong
- Seven Lakes
Gesamtspielzeit: 39:11, Erscheinungsjahr: 2021 (1971)
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