Leon Russell (Claude Russell Bridges)
(2. April 1942 – 13. November 2016)
»I’ve been so many places in my life and time
I’ve sung a lot of songs, I’ve made some bad rhymes
I’ve acted out my love on stages
with 10,000 people watching
but we’re alone now and I’m singing this song to you«
Leon Russell war der »Master of space and time«, wie in seine große Gefolgschaft befreundeter Musiker Anfang der Siebziger titulierte. Bis dahin hatte er als Session-Musiker bereits auf Hunderten von Platten gespielt, war gern gesehener Studio-Gast bei Bands wie beispielsweise den Rolling Stones oder den Byrds, hatte mit Bob Dylan, den Carpenters, Jan & Dean und vielen, vielen anderen zusammengearbeitet. Außerdem war er in den sechziger Jahren die 'rechte Hand' von Phil Spector, war Mitglied der legendären Wrecking Crew (einer berühmt-berüchtigen Gruppe von Studiomusikern im Los Angeles der Sechziger, die – oft auch ungenannt – auf so ziemlich jedem Hit zu hören waren, der damals über den Äther floss). Er hatte die Band für Joe Cockers 'Mad Dogs & Englishmen'-Tour zusammengestellt und war deren musikalischer Leiter.
Kurz zuvor hatte er sein, schlicht "Leon Russell" getauftes, Solodebüt auf den Markt gebracht, das neben einigen amerikanischen Musikern (vor allem aus dem Dunstkreis von Delaney & Bonnie) mit den absoluten Superstars aus dem Hause Rolling Stones, Beatles oder Joe Cocker und Band glänzte. Bereits hier hatte Russell eine geradezu unwiderstehliche Mischung von Rock, Country, Gospel und Blues am Start, was sich dann auch in hammerstarken Songs wie "A Song For You" (das bis heute über einhundert Mal gecovert wurde), "Dixie Lullaby", "Hummingbird" oder "Delta Lady" (von Russell geschrieben, aber zuerst von Cocker aufgenommen) widerspiegelte. Sogar noch einen drauflegen konnte er mit dem Nachfolger "Leon Russell And The Shelter People" aus dem Jahr 1971, der schon immer und bis in alle Ewigkeit die bleibende Lieblingsscheibe des Rezensenten aus dem Hause des Amerikaners bleiben wird.
In der zweiten Hälfte der Siebziger ging es nicht mehr ganz so wild zu, dennoch erschienen weiterhin regelmäßig Alben. Nicht mehr ganz so erfolgreich wie zuvor, aber immerhin konnte er 1979 im Verbund mit Willie Nelson und der Scheibe "One For The Road" noch einmal eine Goldauszeichnung einfahren. Vielbeschäftigt war er immer, ob als Session-Musiker, mit der Arbeit bezüglich seiner Labels Shelter Records (1969 mit Denny Cordell gegründet) oder später Paradise Records und schließlich seiner Solokarriere, die nach wie vor sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr ertragreich war. Leider lief es spätestens ab den Neunzigern eher nur noch schlecht als recht. Der gute Leon ließ sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen und tourte ohne Unterlass, wenn er nicht gerade im Studio war, um ein neues Werk aufzunehmen.
Die große Stärke des ursprünglich aus Tulsa, Oklahoma stammenden Musikers war nicht nur, dass er ein erstklassiger Pianist war, sondern dass er über die Gabe verfügte verschiedene Musikstile wie Rock, Blues, Country, Gospel oder auch mal Funk und Pop mit traumhafter Sicherheit zu verbinden und ein pulsierendes Gesamtpaket daraus zu machen. Dazu kam die Persönlichkeit und Führungsqualität sowie das Händchen, aus einem großen Pool an Musikern immer genau die richtigen für eine bestimmte Session auszuwählen. Seine coole White Soul-Stimme schämte sich niemals, auch eine gute Prise des sogenannten 'Southern Drawl' mit ins Spiel zu bringen und seine Konzerte sollen (speziell in der ersten Hälfte der Siebziger) geradezu atemberaubend gewesen sein. In den USA ist bereits seit März diesen Jahres die DVD/Blu-ray "A Poem Is A Naked Person", ein Film aus dem Jahr 1974 mit Szenen aus dem Studio und der Bühne, auf dem Markt, die es aber leider noch nicht nach Europa bzw. Deutschland geschafft hat. Lediglich die DVD "A Song For You" ist vereinzelt (sogar zu erschwinglichen Preisen) auf dem Markt.
Ende der Sechziger/Anfang der Siebziger hatte Russell den damals (zumindest in den USA) noch völlig unbekannten Elton John mal unter seine Fittiche genommen und offensichtlich sehr beeindruckt. Im Jahr 2010 kam es ein weiteres Mal zu einer Zusammenarbeit und dem gemeinsamen Album The Union, das auf Platz 3 der amerikanischen Billboard Charts landete und eine ganz dringend benötigte Finanz-Spritze in die Kasse des mittlerweile gesundheitlich angeschlagenen Musikers brachte. 2014 erschien dann noch "Life Journey", das aber über lediglich zwei eigene neue Tracks verfügte. Bei den anderen zehn handelte es sich um eigene oder gecoverte Favoriten Russells, die für die Scheibe noch einmal neu eingespielt wurden.
Bereits 2010 hatte er sich einer komplizierten Operation unterziehen müssen und im Juli dieses Jahres erlitt Leon Russell einen Herzinfarkt. In den frühen Morgenstunden des 13. November 2016 verstarb der Musiker im Alter von 74 Jahren friedlich im Schlaf. Was bleibt, ist sein umfangreiches und speziell musikalisch sehr ergiebiges Lebenswerk, das sich jederzeit zu entdecken lohnt. Bei welchem Album man damit beginnen will, ist natürlich freigestellt und spielt auch gar keine Rolle, die Favoriten des Verfassers dieser Zeilen sind jedoch "Leon Russell" (1969), "Leon Russell And The Shelter People" (1971), Leon Russell & Marc Benno – Asylum Choir II (1971, aufgenommen zwischen 1967 und 1969), "Carney" (1972), "Leon Live" (1973), "Hank Wilson’s Back" (1973) und auch "Will O' The Wisp" aus dem Jahr 1975. In dem Song "Stranger In A Strange Land" fragte Leon einst:
»How many days has it been since I was born?
how many days until I die?
Do I know any ways that I can make you laugh?
or do I only know how to make you cry?«
Durch dein Ableben beides, mein Freund. Mit weitem Abstand überwiegt aber die Freude an deiner Musik, das Glück, sie kennen zu dürfen.
Rest in peace, Leon Russell, wir werden dich nicht vergessen!
2 Kommentare
Manni
16. November 2016 um 22:02 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
DANKE Markus, für diesen Nachruf für einen meiner Helden! Der Erfinder der "Mad Dogs & Englishmen" Tour des Joe Cocker direkt im Anschluss an das Woodstock Festival, veröffentlicht ein Jahr nach diesem GIGA-Event der Geschichte. Dafür liebe ich ihn so viel wie sein "Involvement" mit dem Umfeld der "Derek"-Szene dort…. Bobby Whitfield et al.
Manni
16. November 2016 um 22:06 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Bobby Whitlock natürlich…sorry. Whitfield is ne andere Geschichte…