Die Düsseldorfer Band Streetmark hatte in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ihre größten Erfolge, spielte sehr gut besuchte Tourneen und veröffentlichte insgesamt vier Alben. Nachdem Sireena Records mit dem dritten Album Dry zunächst den verkaufstechnisch größten Streich wieder neu aufgelegt hatte, folgte anschließend die Scheibe Numero 4, Sky Racer. Und nun kam vor Kurzem die zweite Platte "Eileen" wieder auf den Markt. Außer den beiden Konstanten Thomas Schreiber (guitars, nur bei "Sky Racer" nicht dabei) und Dorothea Raukes (keyboards, lead & background vocals) rappelte es eigentlich immer ganz schön heftig im Personal-Karton der Band, sodass auch keine einzige Scheibe von derselben Besetzung eingespielt wurde. Auf dem (hoffentlich ebenfalls wieder erscheinenden) Debüt "Nordland" stand noch Georg Buschmann (später Straight Shooter) vor dem Mikro, der auf dem hier zu besprechenden "Eileen" singende Wolfgang Riechmann stieg (gemeinsam mit Drummer Hans Schweiß) nach den Aufnahmen ebenfalls schon wieder aus.
Aber gut, befassen wir uns lieber etwas intensiver mit "Eileen". Sämtliche Tracks der Scheibe wurden von Schreiber und Riechmann komponiert und sind natürlich auf den Frontmann zugeschnitten bzw. werden sie von ihm stark beeinflusst. Und das keinesfalls zum Schlechten hin. Dorothea Raukes übernahm auf dieser Platte – im Gegensatz zu den nächsten beiden – zwar keine Lead Vocals, glänzt aber beim eröffnenden "Crazy Notion" mit sehr starken und effektiven Background Vocals, die die Nummer noch mehr veredeln. "Eileen" war ein modernes Rockalbum, das sich wie ein Sammelbecken für viele verschiedene Ideen und Sounds anhört. Auf sehr clevere Art wird hier Rock, Pop, Elektronik und sogar eine Spur Psychedelic miteinander verwoben, was hervorragend funktionierte und auch den einzelnen Songs sehr gut zu Gesicht stand.
Nach den drei Parts des achtminütigen Openers "Crazy Notion" folgt das sehr psychedelische bzw. spacige Instrumental "Passage", das auch heute noch sehr frisch klingt und mit coolen Melodien und Sounds auftrumpfen kann. Der Titelsong beginnt mit elektronischen Keyboard- bzw. Synthie-Klängen, zu denen sich aber schon sehr bald die sehr melodiöse Gitarre Schreibers gesellt. Der Gesang Riechmanns hat bereits ein bisscheen was Waviges und durchgehend klingt in seinen Vocals eine gewisse Melancholie durch, ob das nun damals beabsichtigt war, oder nicht. Bass und Schlagzeug ziehen locker und unaufgeregt ihre Runden, tragen durch ihr Spiel aber wesentlich zu der dichten Atmosphäre der Stücke bei. Und letzten Endes saß mit Conny Plank auch noch ein Meister seines Fachs an den Reglern des Mischpults, der ganz genau wusste, wo die Band hinwollte.
Das Herzstück von "Eileen" ist ganz sicher der über zwölfminütige Titel "Dreams", der auf den Konzerten der Westfalen immer das absolute Highlight war. Sehr behutsam wird hier eine verträumte, fast schon ein bisschen gespenstische, Atmosphäre aufgebaut. Die Gitarre bringt dann etwas Bodenhaftung ins Spiel, selbst wenn auch sie, getragen von einer unendlichen Leichtigkeit, über den Dingen zu schweben scheint. Erst nach neun kosmischen Minuten setzt dann wortloser Gesang von Miss Raukes ein, der die surreale Stimmung noch dramatischer werden lässt und davor gab es sogar noch ein Basssolo auf die Ohren. Mit "Choral" ist der Spaß dann leider auch schon wieder vorbei, wenn das Stück mit seinen atmosphärischen Keyboard-Sounds auch einen sehr runden und gelungenen Abschluss darstellt. Klasse!
Selbst wenn "Dry" sowie "Sky Racer" durchaus ihre Stärken haben, hat sich "Eileen" zu meinem bisherigen Lieblingsalbum von Streetmark entwickelt. Die Scheibe ist sehr in sich geschlossen, obwohl sie wahnsinnig großflächig wirkt und dem Hörer sehr viel Raum bietet. Auf jeden Fall ein Stück deutscher Musik-Geschichte, das in den letzten Jahr(zehnt)en zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist. Sehr gutes und empfehlenswertes Album!
Wolfgang Riechmann fiel im Folgejahr 1978 in der Düsseldorfer Altstadt übrigens betrunkenen Schlägern zum Opfer und verstarb noch in der Nacht zum 24. August an den ihm zugefügten Stichverletzungen. R.I.P. brother!
Line-up Streetmark:
Wolfgang Riechmann (synthesizer, guitars, lead vocals)
Dorothea Raukes (keyboards, background vocals)
Thomas Schreiber (guitars, background vocals)
Manfred Knauff (bass)
Hans Schweiß (drums & percussion)
Tracklist "Eileen":
- Crazy Notion
- Passage
- Sea Of Melted Lead
- Tomorrow
- Eileen
- Dreams
- Choral
Gesamtspielzeit: 40:36, Erscheinungsjahr: 2017 (1977)
3 Kommentare
Michael Breuer
19. April 2020 um 15:45 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Bei all der Tragik um Wolfgangs damals so sinnlosen Tod ist es doch tröstlich, dass auf diese Weise an eine der schönsten Elektronik-Platten ihrer Zeit erinnert wird. Der Titelsong "Wunderbar" lief damals im WDR rauf und runter, ich habe ihn mit seiner so eigenständigen Mystik sehr geliebt und er konkurrierte um die Krone der Instrumentalmusik im westlichen Sendegebiet damals mit La Düsseldorfs "Rheinita" und einer eigentlich legendären Folkrock-Ballade "Deutsche Einsamkeit" von Thomas Kagermanns Falckenstein, die wohl nur deshalb in Vergessenheit geraten ist, weil sie meines Wissens nach nie digital verarbeitet wurde.
Aus Berlin kam seinerzeit ein hoffnungsvolles Projekt namens Mickey D. dazu, Peter Baumann spielte "Phaseday" und zur Krönung schossen uns Ashra mit Aerogen und Manuel Göttschings Monstersolo aus allen Umlaufbahnen.
Was waren das für Zeiten…
Bleibt gesund, Michael
Manfred Knauff
19. April 2020 um 10:52 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Es bleibt das kleine Drama, dass die Plattenfirma damals schon meinen Namen falsch auf das Cover druckte, sich so dieser Fehler auch jetzt, 40 Jahre später, noch eisern hält…;-)…nach Eileen zog ich wieder zurück nach Hamburg, da sich Pläne, mit Wolfgang Riechmann in Düsseldorf zusammen zu ziehen, zerschlagen hatten. Er wohnte dann zusammen mit Hans Schweiß im Folgejahr in Hamburg bei mir, während er sein Album "Wunderbar" aufnahm. Ein paar Monate später erfuhr ich von seinem Tod…:-( Beste Grüsse, Manfred Knauff
Markus Kerren
20. April 2020 um 7:35 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Manfred,
danke für den Hinweis. Deinen Namen haben wir natürlich gleich korrigiert.
Alles Gute und bleib gesund,
Markus