Wenn eine Band unter dem Eindruck der steigenden Energiepreise auf den Namen Strommasten hört und ihre aktuelle Platte den Titel "Immer negativ bleiben" trägt, dann sollte daran kein Weg vorbei gehen, um sich einmal schlau zu machen. Dabei stammt der Bandname aus dem Jahr 2014. Warum gerade Strommasten? »Nun, Wasserwerfer hätte zu aggressiv geklungen«, verkünden die vier Protagonisten in Ihrer Presseinfo. Die Antwort lasse bereits eine Deutung zu, wohin bei ihnen die Reise geht.
Strommasten verpacken gesellschaftliche Kritik in Ironie und Satire und erreichen mit diesen beiden Kunstformen eine glatte Punktlandung. Gewiss keine einfache Übung, die man so im Vorbeigehen meistert. Klein, aber fein darf man die neue EP mit fünf Titeln einstufen. Das macht erst einmal Lust auf mehr. Es gibt allerdings schon mehr von diesem Quartett: Zwei EPs (2014, 2019) und ein Album (2017) sind der jüngsten Produktion vorausgegangen. Zurück zur EP "Immer negativ bleiben": Wie kann Kritik auf Alltagsprobleme und gesellschaftliche Zustände ein solches positives Gefühl auslösen? Die Antwort liefern Strommasten in ihrer Musik, getragen von der bereits erwähnten Satire mit einer scheinbaren Leichtigkeit. Hier sind Wortakrobaten am Werk, die ihr Handwerk verstehen, die wissen, was sie tun.
Den Vergleich mit den Fantastischen Vier muss ich an dieser Stelle bemühen. Stilistisch in völlig anderen Gefilden zu Hause, musste ich den Musikern aus dem Ländle immer wieder aufs Neue Respekt zollen. Sie schaffen es, Botschaften aller Couleur in einen positiven Anzug zu stecken. Dieses Gefühl begegnet mir bei den Strommasten auf gleicher Höhe an vielen Stellen, diese Parallele rufe ich beim Hören ab. Zurück zum positiven Gefühl: Das klingt mir sehr nach Harmonie. Letztlich ist dafür der Mix verantwortlich, der von der Rockmusik mit Popflair ausgeht. Bei genauem Hinhören klingt es nach Rock, Pop und Indie, die Keyboards machen sogar ein wenig Platz für Punk. Kurzum: Strommasten scheuen keine Grenzüberschreitung und denken gar nicht erst daran, sich stilistisch treu zu bleiben.
Textlich legen die vier Musiker den erhobenen Mittelfinger in die Wunden der Gesellschaft und setzen hier ein wenig nach. Sie begeben sich nahe an die Kante so manchen sozialen Abgrunds und schmeißen mit Steinchen. Hier wird scharf gezielt. In "Optimismus Prime" heißt es stellvertretend für die Texte:
»Heute gibt’s auf jeden Fall noch Gewitter.
Mein Hemd im Koffer ist garantiert zerknittert.
Der Hund da vorne beißt mich jetzt.
Wenn ich eins kenn', dann Murphy’s Gesetz.
Oh, hier ist bestimmt der Zünsler drin!
Das seh' ich, obwohl ich kein Experiment bin.
Und das kann ich auch nicht verneinen, auf der JHV im Kleingartenverein.«
Hier gibt es keine glatten Botschaften. Die Wahrheit in den Texten steckt zumeist zwischen den Zeilen. Das trifft auf alle Titel zu. Wo Strommasten drauf steht, gibt es garantiert keine »Schlechte Laune im Abo zum Spartarif«, wie es wiederum bei "Willkommen in meinem Gehirn" heißt. Das Gegenteil ist der Fall.
Die EP "Immer negativ bleiben" ist eine Eigenproduktion der Dortmunder und wurde über das Label Boketto Records veröffentlicht.
Line-up Strommasten:
Dennis (Gesang, Gitarre)
Simon (Gitarre, Keyboard, Backings)
Thomas (Bass, Backing)
Micha (Schlagzeug, Gesang)
Tracklist "Immer negativ bleiben":
- Willkommen in meinem Gehirn
- Spektakulär
- Optimismus Prime
- Denk nicht drüber nach
- Wie an Marmor
Gesamtspielzeit: 15:52, Erscheinungsjahr: 2022
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