Wenn Sula Bassana, aka Dave Schmidt eine neue Platte veröffentlicht, darf man sich bereits im Vorfeld freuen, sofern man seine Klangcollagen aus Electronic und Psychedelic – die gerne auch mal mit einer Spur Experimental daherkommt – gerne goutiert.
Das betrifft auch die "CV-Sessions", die – man kann es vielleicht ahnen – nichts Gutes im Namen tragen. Zumindest trifft das für die eine der beiden Bedeutungen zu: CV gleich Corona Virus, denn das Album ist ja logischerweise in dieser Zeit des alles bestimmenden Virus entstanden. CV bedeutet aber auch control voltage, was Dave wie folgt beschreibt: »CV Verbindungen, also control voltage, mit denen die Geräte kombiniert und moduliert werden.«
Und wenn man sich das Instrumentarium im Line-up anschaut, hat Dave da schon einiges am Start. Beste Voraussetzungen also, zumal auch Klangguru EROC seine Mastering-Handschrift hinterlassen hat. Wie Dave das Sammelsurium allerdings in seinem Schlafzimmer aufgebaut hat, wäre sicher ein Bild im Booklet wert gewesen, denn in diesem Zimmer hat er alles komponiert, eingespielt, aufgenommen und gemischt; und zwar von März bis Dezember 2020.
Der effektvolle, elektronische Neunminüter "A Nice Constellation Of The Planets" eröffnet den "CV"-Reigen und führt uns alsbald in kosmische Gefilde. Stoisch repetitiv lässt Dave die Schaltkreise seines Equipments pulsierend arbeiten und gibt uns Zeit, um im Cockpit des virtuellen Raumschiffes Platz zu nehmen und uns auf die Reise vorzubereiten. Langsam eingegroovt rufen wir ein "Wtf?" in den Äther, als wabernd und blubbernd fremdartige Materie neutrinogleich unser Raumschiff durchquert und uns einen Schwarm "Wollschweber" hinterlässt. Diese Fliegen zeigen uns einen psychedelisch-sphärischen Tanz und während wir diesem entspannt und verzückt zuschauen steuert das Raumschiff durch den interstellaren Raum hin zu einem verlassenen Planeten, dessen Sonne zwar noch Energie verströmt, der ansonsten aber kein zivilisiertes Leben mehr beherbergt.
"Ruins Of Civilisation" startet genauso, wie man wohl fühlen würde, sähe man die Reste einer solchen untergegangenen Zivilisation. Tribales Zeitlupendrumming und zeitlose Keys begleiten uns erstmal beim Flug über verfallene Ruinen einer vergangenen Kultur. Zarte Synthesizersequenzen legen sich über die alten, zugewachsenen Bauten, durchdringen sie mühelos, so als ob sie nach Spuren von Leben suchen. Weitere Schaltkreise aus Daves Equipment gesellen sich dazu und bereichern die Szenerie. Für die Kopfkino-Astronauten wird es langsam schwer, den Flug über den toten Planeten konzentriert zu beobachten, denn die Musik dieses 20 Minuten langen Meisterstücks hat hypnotische Wirkung und kann den Hörer in Trance versetzten.
Im weiteren Verlauf steigert sich das Tempo, ohne allerdings den Zuhörer aus seinem tranceartigen Jam zu entlassen – es groovt einfach unaufhaltbar durch die Hirnwindungen, sodass man kann sich diesem Trip nur schwerlich entziehen kann. Aber das will man auch nicht.
Urplötzlich stoppt der Flug über die tote Landschaft, das Schiff dreht und nähert sich vorsichtig einem anderen Ziel, dem "Foggy Forest". Sphärische Gitarrenklänge schweben über dem alten Wald, aus dessen Wipfeln sich krautige Schwaden kräuseln. Süßlich oszillieren die Frequenzen aus den elektronischen Geräten und zaubern stimmungsmäßig eine Art Mischung aus Fern- und/oder Heimweh.
Und siehe da, es gibt noch etwas Leben. Bedrohlich baut sich "Tick Attacks" auf und man die kleinen Quälgeister fast spüren. In Wellen kommen sie näher, wollen unser Blut, aber im Ohrensessel unter dem Kopfhörer sind wir sicher und können entspannt auf "Little Birdy" warten, der sich ganz gemütlich aus seinem Nest schält und im Anschluss aber traurig in die weite Ferne schaut und anscheinend nach einem Artgenossen sucht. Musikalisch klasse von Dave umgesetzt mit scheinbar stehenden Tönen, einer zarten Melodie und allerlei, aber dezent platzierten 'Geräuschen'.
Bedrohlich nähert sich ein unbekanntes Schiff, welches aber durch die quirlige Begleitmusik erst mal ungefährlich erscheint: "They Have Landed And They Come In Colours". Im Verlauf mischen sich aber tiefe, einem alten Schiffsdiesel gleich, pumpende Rhythmen dazu und wenn sie auch in Farben kommen, so richtig bunt sind sie nicht. Düster und mit Moll-Tonarten baut sich eine düstere Szenerie auf und man fragt sich fast schaudernd, was "Der Traurige Essigfisch" wohl noch zu bedeuten hat.
Traurig wirkt die Melodie schon einmal. Das Stück baut sich langsam auf, wirkt sphärisch und endlos, wie der Blick in den dunklen, leeren Raum über unserem virtuellen Raumschiff, das immer noch über dem untergegangenen Planeten schwebt. Ich durchbreche diese Traurigkeit aber jetzt, denn in meinem Film hat mich die Reise hungrig gemacht. Also ab in die Bordküche, denn da schwimmen sie in mit Essig gefüllten Gläsern, die Fische. Traurig sehen sie ja aus, mit ihrer schrumpeligen braunen Haut. Aber sie schmecken!
Dave Schmidt hat es wieder einmal mit seiner Musik geschafft, dem Hörer eine Auszeit vom Alltag zu schenken und ihm die Möglichkeit gegeben, die Musik nicht nur zu konsumieren, sondern mit ihr auch auf eine Reise zu gehen, deren Verlauf er weitgehend selbst bestimmen kann. Für derlei Erlebnisse ist Sula Bassana immer eine Bank.
Die CD erscheint am 16. April 2021 und wird einen Downloadcode für das Stück "What Is Reality" enthalten, das nicht mehr auf diese Einzel-CD gepasst hat. Die Plätze im Raunschiff sind aber begrenzt, denn das Album ist auf 500 Stück limitiert. Noch limitierter, nämlich auf 400 Stück, ist das farbige, schwere Doppelvinyl , welches im Sommer über das norwegische Label Pancromatic Records erscheinen wird.
Line-up Sula Bassana:
Sula Bassana (small analog synthesizers, drummachines, sequencers, polyphonic synth, string ensemble, Casio SK 1 and SK 60, Stylophone x1, guitars, bass, mellotron, effects and whatever …)
Tracklist "CV Sessions":
- A Nice Constellation Of The Planets (9:15)
- Wtf? (4:53)
- Wollschweber (4:51)
- What is Reality? (4:23) [Nur Download]
- Ruins Of Civilisation 20:28)
- Foggy Forest (6:27)
- Tick Attacks (4:38)
- Little Birdy (5:23)
- They Have Landed And They Come In Colours (11:02)
- Der Traurige Essigfisch (11:09)
Gesamtspielzeit: 78:13, Erscheinungsjahr: 2021
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