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Sum Of R / Orga – CD-Review

Sum Of R - Orga

»Sum Of R wurde 2008 in der Schweiz von Reto Mäder gegründet mit dem Hauptfokus auf der Schärfung der Sinne und der Stimulation des Geistes. Sum Of R kanalisieren ihre Sound-Konstruktionen und Dekonstruktionen in organischen Formen, die Raum und Zeit verschmelzen lassen.«
Klingt abgefahren – und ist es auch.
An reinen Fakten lässt sich noch erwähnen, dass das Debüt "Sum Of R" 2008 erschien, 2012 folgte die EP "Ride Out The Waves". Das zweite Album "Lights On Water" kam 2013 und nun 2017 "Orga". Der Titel ist die Abkürzung für organisch bzw. Organismus.

Einen seltsamen Klang-Organismus haben die beiden Schweizer da erschaffen. Los geht es im "Intro: Please Ring The Bells" mit Sprachsamples. Vom gesprochenen Wort dürfen sich die Hörer für fast eine Stunde dann erst einmal verabschieden, "Orga" ist instrumental – bis am Schluss wieder Sprachsamples eingesetzt werden.
Gesang gibt es also nicht, herkömmliche Songstrukturen sind ebenfalls Fehlanzeige. Wie ein Blick in die im Line-up erwähnten Instrumente andeutet, besteht hier das Klangbild oft aus Dröhnen und/oder Effekten. Gitarre und Schlagzeug kommen auch mal vor, dann nähern sich Sum Of R tatsächlich mal der Vorstellung der meisten Rock/Metal-Hörer von Musik.

Dazwischen gibt es atmosphärisches Gewaber und Geräusche wie aus anderen Dimensionen… oder auch einem Esoterik-Laden. Ja, eine gewisse Offenheit gegenüber solchen Sounds oder Affinität zu Ambient/Experimental-Klängen sollte mitgebracht werden beim Hören von "Orga".
Wer das nicht hat, langweilt sich schnell und/oder meint, dass hier doch gar nichts passieren würde.
Nun, vielleicht ist es wirklich das Nichts, das hier klingt, bzw. das Eintauchen in die Ebene des Nichts, eine Welt, die aus schwebenden Tönen besteht.

Kriechende Nebelschwaden bilden Geisterfinger, die irgendwo im Raum zerfließen. Ein Eingang in eine andere Ebene ("We Have To Mark This Entrance"), in der Licht und Staub langsam tanzen ("Light & Dust") bis "Hypnotic State" schwer und unheilvoll aus der Dunkelheit dröhnt und die schwebenden Teilchen einfängt, niederdrückt und in seinem Bann gefangen hält. Nach dem doch recht düsteren Stück wird es wieder leichter mit "After The Passing Of Risk" (eben… die gefährliche Passage ist ja vorbei…).

Mit etwas Fantasie lassen sich die Songtitel interpretieren, als Bilder im Kopfkino visualisieren und erleben. Die Motive mögen individuell verschieden sein, andere Hörer mögen vielleicht einfach nur eintauchen ohne sich dabei etwas vorzustellen.
"Orga" funktioniert dabei wie ein schamanisches Ritual, bei dem es einen kleinen Kritikpunkt gibt: Es ist ein wenig zu lang ausgefallen, ich finde, gegen Ende lässt die Spannung und dadurch das gefühlte Erlebnis etwas nach. Mag natürlich auch an mir liegen, aber die letzten Stücke wirken auf mich nicht mehr so intensiv. Obwohl sie durchaus faszinierende Momente haben, z. B. das mechanisch erscheinende in "To Deny Responsibility Is To Perpetuate A Lie", bei dem ich an ein surrealistisches Zahnradsystem denken muss.

"Orga" ist eine fortwährende mentale Reise in spirituelle Ebenen, auf die man sich einlassen muss, dann entdeckt man immer neue Gebilde und neue Formen. Viele Facetten ergeben in der Summe ein nebulöses Gesamtwerk.
Aber das Ganze ist schon recht speziell und wird daher eher einen kleinen Personenkreis erreichen. Ich kann verstehen, wenn jemandem das nicht gefällt und könnte es auch nicht immer hören, doch finde ich es schon faszinierend.


Line-Up Sum Of R:

Reto Mäder (guitar, drones, effects)
Fabio Costa (drums, percussion, effects)

Tracklist "Orga"

  1. Intro: Please Ring The Bells
  2. Overgrown
  3. We Have To Mark This Entrance
  4. Light & Dust
  5. Cobalt Powder
  6. Hypnotic State
  7. After The Passing Of Risk
  8. Desmonema Annasethe
  9. To Deny Responsibility Is To Perpetuate A Lie
  10. Let Us Begin With What We Do Not Want To Be
  11. One After The Other

Gesamtspielzeit 59:50, Erscheinungsjahr 2017

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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