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Syndone / Kama Sutra – CD-Review

Syndone / Kama Sutra

Eine Rockband, die sich nach dem Turiner Grabtuch benennt und gleichzeitig schon seit 1989 unterwegs ist, was hierzulande vermutlich nicht allen Genre-Freunden bekannt sein dürfte; das klingt spannend und interessant. Die Musik löst dieses Versprechen ein. Syndone bringen im August 2021 ihr neues Album "Kama Sutra" auf den Markt. Es ist dies bereits der achte Longplayer der Band. Der Titel verspricht erotische Leidenschaft – und tatsächlich, es gibt einige betörende Passagen in den elf Songs zu entdecken.

Bands, die auf die Verwendung einer elektrischen Gitarre verzichten, gab es in der Geschichte immer mal wieder, insgesamt ist dieses Phänomen jedoch wenig verbreitet. Wer nun aber denkt, auf ekstatische und erdige Soli verzichten zu müssen, der irrt glücklicherweise. Es gibt Keyboard-Passagen, die krachen wie ein wildes Saiten-Gewitter und sorgen verspielt für aggressive Einschübe in das Gesamtkonzept, welches man schon als symphonischen Prog Rock bezeichnen kann. Symphonisch im wahrsten Sinne des Wortes, denn die klassischen Streicher kommen zu einem nicht unerheblichen Anteil der Musik auf diesem Album zum Einsatz. Schade, dass auf dem schlichten Cover des Promo-Materials kein Hinweis auf die partizipierenden Musiker zu finden ist. Die Band-Besetzung habe ich der FB-Seite von Syndone entnommen und dort kann man verfolgen, wie das Budapest Scoring Symphonic Orchestra das Hauptthema des vierten Songs, "Into The Kama", einspielt. Von daher dürfte es schwierig sein zu ergründen, welche orchestralen Sounds tatsächlich organisch gespielt und welche über die Keyboards generiert wurden. Immerhin bietet die Band gleich drei Tastenmänner auf.

Der Gesang führt charismatisch durch das Album und vermittelt viele schöne, manchmal sogar ergreifende Momente. Ein Choral ziemlich zu Beginn in "Nirvana" und auch der eine oder andere Solo-Part von Ricardo Ruggeri lässt tief im Hinterstübchen Erinnerungen an Queen erwachen, die Theatralik der Stimme ist schon beeindruckend. Und Marta Caldara als weiblicher Gegenpart überzeugt besonders in der orientalischen Sequenz. Um keine falschen Fährten zu legen, die Musik hat ansonsten wenig mit Freddies Combo zu tun, liegt da eher schon bei Emerson, Lake & Palmer und den frühen Sachen von Renaissance; ist aber insgesamt sehr eigenständig und benötigt im Grunde keine Bezugsgrößen.

Wie stark es die Band versteht, mit Stimmungen zu arbeiten, zeigt sich in dem sinnlich romantischen "Into The Kama" mit dem wunderschönen Piano-Intro und dem ergreifenden Zweigesang. Hier passt die orchestrale Begleitung besonders gut, erfüllt sogar eine tragende Rolle des Zaubers. Orientalische Sitar-Sounds tanzen ausgelassen mit den Streichern. Aufregend wie ein Bauchtanz. Trefflich passend dazu der schöne weibliche Gesang zu Beginn von "Bitches" wie aus Tausend und einer Nacht, mit sanftem symphonischem (Wüsten-)Wind beflügelt, Musik, die tausend und ein Bild im Kopf entstehen lässt. Aber gleich wartet schon wieder ein kantiges Break. So gehört es sich in der progressiven Musik. Hart kontrastierende Bässe und schweinisches Georgel sorgen für einen erdigen Nachgang. Diese mitunter aberwitzigen Sprünge zwischen cineastischen Klangmalereien und härteren, kernigen Sounds mit manchmal fast kakophonischen Rhythmus-Verrenkungen sorgen für jede Menge Bewegung.

Die Band versucht schon mit ihrem leicht verfremdeten Namen (das Grabtuch schreibt sich im italienischen mit i, Sindone) einen deutlichen Bezug zu Turin und seiner Kultur herzustellen, man ist sich Traditionen und Geschichte bewusst, möchte die Musik aus diesem Hintergrund heraus entwickeln und mit zeitgenössischen Themen und Klängen kontrastieren. So ähnlich kann man es in einem früheren Interview von Bandgründer/Tastenspieler Nik Comoglio nachlesen. Dabei entsteht eine aufregende Gemengelage faszinierender Soundspielereien und Kompositionen.
Progressiver Rock abseits aller gängigen Konventionen, das allein ist ein gutes Argument, hier einmal reinzuhören.


Line-up Syndone:

Nik Comoglio (keyboards)
Riccardo Ruggeri (vocals, acoustic guitar)
Simone Rubinato (bass)
Marta Caldara (vibraphone, keyboards)
Gigi Rivetti (keyboards)
Eddy Franko (drums)

Tracklist "Kama Sutra":

  1. It' Only Make Believin'
  2. Nirvana
  3. Carousel (instr.)
  4. Into The Kama
  5. Bitches
  6. You Still Shine
  7. Sex Toys R Us
  8. 2 Thousand 10 (instr.)
  9. Sacred & Profane
  10. We Are The World we Created
  11. Peace On Earth

Gesamtspielzeit: 44:04, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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