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T. G. Copperfield / Steppenwolf – CD-Review

T. G. Copperfield / Steppenwolf – CD-Review

Hermann Hesse, ein Schlagerbarde und brachliegendes Potential

Tilo Preißer hat den Blues … und die Wüste gegen eine einsame Prärie eingetauscht, welche im Hintergrund trotzdem noch jede Menge sandige Hügel erahnen lässt, was durch die derzeitige Wetterlage in der Homebase des Rezensenten – ganz im Gegensatz zum Review genau vor einem Jahr – etwas absurd anmutet. Und statt Schafskälte in der roten Trutzburg Nordwestdeutschlands blickt ein Wolf gebannt auf dramatisch unheilvolle Wolkengebilde in bedrohlicher Einfärbung.

"Steppenwolf" nennt das Alter Ego T.G. Copperfield seinen neuesten Output und beweist damit thematisch, neben seiner atemberaubenden Veröffentlichungsfrequenz, durchaus Mut. Denn er ist beileibe nicht der Erste, der sich von Hermann Hesse und seinem 1927 erschienenen Meilenstein, der in den bewegten 1960er Jahren Kultstatus erlangte und nicht zufällig auch Musikkoryphäen wie die Band Steppenwolf zeitigte, inspirieren ließ. Es sei nur kurz an einen gewissen Peter Maffay erinnert, der als Schlagerbarde 1979 auf seinem damals neuesten Streich plötzlich in Lederklamotten abgelichtet wurde und durch verschneite Landschaften mit einer Harley cruiste. Dieses Album heißt auch "Steppenwolf" und war als Übergangswerk hin zum Deutschrocker Maffay ein kolossaler künstlerischer und kommerzieller Erfolg.

T.G. Copperfield fragt sich »what the hell is going on?«
Zerrissenheit ist die große Klammer, gesellschaftlich wie persönlich. Der Wolf und der Mensch, der ewige Kampf des Austarierens unterschiedlicher Polaritäten und Prioritäten, dunkle Texte, verpackt in einen stripped down folkigen Sound, der den Protagonisten erstaunlich weit weg von seiner ruhenden Stammband 3 Dayz Whizkey führt. Es ist seine inzwischen elfte Soloveröffentlichung und er sagt selbst: »Solange die Welt da draußen so verrückt ist, gehen mir die Ideen auf jeden Fall nicht aus«.

Und tatsächlich, nie klang der Regensburger authentischer und ganz bei sich selbst als bei diesen Aufnahmen aus der Mühle der Freundschaft in Bad Iburg, welche lediglich 15 Stunden zwischen dem 26.01. und 27.01.2024 unter der Ägide von Markus Praed (Tito & Tarantula) in Anspruch nahmen und damit selbigem gerecht werden, live und ohne jegliche Produktionsmätzchen direktes Spiel und Emotionen zu transportieren. In diesem Fall sogar mit einem fantastischen, außerordentlich transparenten Klang versehen, der einerseits durch das komplett analoge Equipment des Studios, andererseits durch das kompressionsarme Mastering eben jenes Marcus Praed gewährleistet wird.

Musikalisch betritt T.G. Copperfield natürlich kein Neuland. Die im 'Waschzettel' der Promotion genannten Tom Petty, Bob Dylan und Neil Young sind zur Orientierung gar nicht so verkehrt. Das Spannungsfeld umfasst Schunkel-Country ("Highway Café") bis hin zu begeisterndem Roots Rock der zurückgenommenen Art ("The Night Is Coming Down") – und es ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt, dass der (aus eigener Erfahrung) überaus sympathische Oberpfälzer in dieser Riege ohne Schamröte genannt werden kann. Dazu tragen auch seine langjährigen Mitstreiter Michael 'Air' Hofmann am Schlagwerk und Claus Bächer an den Tasten bei. Neu im Team ist der Tieftöner Alexander 'Schotti' Schott, der nochmals frischen Wind in die Aufnahmen brachte.

Einzelne Songs hervorzuheben ist nicht nötig, da das Album als Ganzes traumhaft stimmig ist … aber es ist deutlich zu kurz! Acht Songs rechtfertigen zwar ein Album, aber eine Spieldauer von etwas über 27 Minuten ergibt deutlich eher eine EP. Und, diese Kritik muss sich Tilo in den Wolfspelz schreiben lassen, wenn ein Album schon derart kurz ist, darf niemals das einzig vorhandene E-Gitarrensolo ("Burn In Hell") bereits nach wenigen Sekunden ausgeblendet werden! Überhaupt hätte es die Qualität der Darbietung erlaubt, dem einen oder anderen Song noch etwas mehr Raum zur (instrumentalen) Entfaltung zu gönnen.

Fazit:
Tilo Preißer hat den Blues, spielt aber eher kargen Folk-Roots-Rock, Hermann Hesse ist aktueller denn je und der Rezensent hat ob brachliegendem Potential tendenziell hervorragender Musiker eine Träne im Knopfloch.


Line-up: T.G. Copperfield:

T.G. Copperfield (vocals, guitars)
Michael 'Air' Hofmann (drums, percussion, backing vocals)
Claus Bächer (keys)
Alexander 'Schotti' Schott (acoustic and electric bass)

Tracklist "Steppenwolf":

  • From The Cradle To The Grave (3:13)
  • Burn In Hell (3:18)
  • The Lord Of The Flies (2:47)
  • My Dirty Mind (3:22)
  • Jonah & The Whale (2:50)
  • Highway Café (3:01)
  • The Night Is Coming Down (4:33)
  • The Call Of The Wild (4:11)

Gesamtspielzeit: 27:17, Erscheinungsjahr: 2024

Über den Autor

Olaf 'Olli' Oetken

Beiträge im Archiv
Hauptgenres (Hard Rock, Southern Rock, Country Rock, AOR, Progressive Rock)

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