Schubladendenken adieu, hier kommen Tales Of A Sleeping Giant. Die Jungs aus Göppingen begeistern mit einer Mischung aus Hard Rock, Symphonic Metal, Black Metal und Death Metal. Dafür haben sie eigens den neuen Begriff Mythical Metal aus der Taufe gehoben. Aus dem Englischen übersetzt, steht diese Bezeichnung für mythisch beziehungsweise für den Begriff 'Aus der Sagenwelt'. Den Stoff dafür liefern ihnen persönliche Erfahrungen oder Geschichten und eigene Erfahrungen. Eine Herangehensweise, für die es gerade im Metal-Bereich eine Reihe Gleichgesinnter gibt. Dabei entstehen eingängige und metallische Melodien, die aber aufgrund der stilistischen Bandbreite Überraschungen bieten können. Inspiriert vom Sound der 1990er und 2000er Jahre, haben alle Kompositionen ein modernes Gewand und sollen damit sowohl Nostalgiker als auch neue Metalfans ansprechen, wie es seitens der Band heißt. Dafür steht der eingangs erwähnte Begriff Mythical Metal.
Gründungsjahr der Band ist 2021. Die erste Single trug den Namen "Fight". Der Track mit Gastsänger Chris Clancy hat Einzug auf dem Debütalbum gefunden. Clancy begleitet die Band bei zwei Liedern. Als Gastsängerin bei drei Titeln wirkt Liv Kristine mit, die einst bei der norwegischen Gothic Metal-Band Theatre Of Tragedy sang. Der Opener "Summer’s End" mit Liv Kristine holt den Hörer mit einem insgesamt ruhigen Verlauf ab, ehe die intensiven Growls von Martin Zapfl, die abwechselnd mit den 'cleanen Vocals' zu hören sind, eine erste Duftmarke setzen. Die Gitarre und der weibliche Gesang prägen das gefällige, vergleichsweise zurückhaltende Stück. Mit dem deutschsprachigen "Blut & Alraune" und dem durchgängigen Growl sind wir mitten im Metal angelangt. Der cleane, zweistimmige Backgroundgesang macht daraus eine interessante Nummer, die trotz eines dunklen Charakters gut als Anspieltipp taugt.
"Wild Flames" mit Sänger Chris Clancy ist fast schon ein radiotauglicher Rocksong, der aus dem Konzept des Mythical Metal ausschert. Den 7:23 Minuten langen Titel "Lost in Emptiness" interpretiert Liv Kristine. Der instrumentelle Part ist zur Stimme passend ruhig, aber durchaus schwungvoll und mit Spannung vorgetragen. Das Gesangsduett mit Martin Zapfl ist ebenfalls stimmig. Ganz sicher ein Volltreffer in Richtung Mythical Metal und dem von der Band formulierten Anspruch. "Drunken Truth" setzt zum Vorgänger wieder einen musikalischen Kontrast. Es liefert einerseits einen üppigen elektronischen Klangteppich und überrascht mit verschiedenen Vocals. Die melodische Gitarre liefert hier einen kurzzeitigen Ruhepol, ehe es anschließend zum furiosen Finale mit Chorus kommt.
"Fight" knüpft folgerichtig an "Wild Flames", beides gesungen von Chris Clancy. Der Sänger liefert einen soliden Part, doch wollen beide Stücke nicht so überzeugend in das Gesamtkonzept der vorliegenden Scheibe passen. Das 8:45 Minuten lange "Morgana" vertrauen Tales Of A Sleeping Giant wiederum Liv Kristine an, die mit ihrer ausdrucksstarken Stimme die zwei längsten Gesangparts übernimmt. "Morgana" beeindruckt mit starken Riffs, intensiven Growls an der Seite der Sängerin und mit einem hohen Tempo.
Spätestens bei "Moonstruck " wird deutlich, dass fast jede Komposition mit sanften Synthesizer-Klängen eingeleitet wird, wobei zu Beginn noch nicht klar ist, wohin anschließend die Reise geht. Mit Sängerin Lisbeth gibt es eine zweite Frauenstimme, die dieses Lied solistisch und im Chorus um eine wesentliche Facette bereichert.
Der Rausschmeißer "El Profesor" ist Folklore pur und hat mit einer Polka ebenfalls Überraschungspotenzial. Der Titel mit internationalem Flair könnte durchaus die ’null Points'-Pannenserie aus Deutscher Sicht beim Eurovision Song Contest beenden. Das aber nur am Rande. Im Programm des (Mythical) Metal hat er sich jedoch verrannt und passt zu keiner der anderen beschriebene Stilrichtungen. Es bleibt die Gelegenheit für ein Fazit nach zehn sehr unterschiedlichen Tracks. "Myths, Tales And Disasters" ist ohne Zweifel ein ehrgeiziges Projekt einer Formation, die ein Jahr nach ihrer Gründung ein respektables 55-minütiges Debütalbum vorlegt. Gerade einmal drei Musiker stehen hinter dem Bandprojekt. Dazu kommen mehrere Gastmusiker.
Ein roter Faden ist zu erkennen, stilistisch darf angesichts des selbst auferlegten Genres noch ein wenig am Feinschliff gearbeitet werden. Das Album präsentiert allemal Kurzweil und nötigt als Gesamtkunstwerk dem Hörer Respekt ab. Der ’schlafende Riese', wie er im Bandnamen steckt, könnte noch so manche Überraschung liefern.
"Myths, Tales And Disasters" gibt es nach Informationen der Band zunächst nur in einer digitalen Fassung. Eine CD soll aber folgen. An den Mixern stand Marc Ayerle, der zugleich das Mastering übernahm. In gleicher Funktion war Chris Clancy bei "Fight" am Werk.
Line-up Tales Of A Sleeping Giant:
Martin Zapfl (guitar, bass, synths, vocals, growls, songwriting, lyrics)
Uli Kerler (drums, songwriting, lyrics),
Fabian Lenhardt (songwriting, lyrics)
Guests:
Liv Kristine (vocals – #1,4,8)
Chris Clancy (vocals – #3,6)
Thorsten "Schorsch" Steinle (growls/spoken part – #5)
Lisbeth (vocals, backing vocals – #2,5,7,9)
Timo Günzler (synths – #3, additional writer – #7)
Felix Bressmer (writer – #3,6)
Dennis Aubele (drums – #3,6)
Miguel Luna (piano – #9)
Tracklist "Myths, Tales and Disasters":
- Summer’s End (6:06)
- Blut & Alraune (6:24)
- Wild Flames (4:31)
- Lost in Emptiness (7:23)
- Drunken Truth (4:35)
- Fight (3:59)
- Long Time Gone (4:13)
- Morgana (8:45)
- Moonstruck (5:58)
- El Profesor (3:18)
Gesamtspielzeit: 55:12, Erscheinungsjahr: 2022
4 Kommentare
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Tales of a Sleeping Giant
6. April 2022 um 20:51 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Lieber Mario,
vielen Dank für diese tolle Review. Es freut uns natürlich, dass unser Anspruch ernst genommen wird und wir auch daran gemessen werden.
Ich plaudere jetzt noch etwas aus dem Nähkästchen: Wir haben mit "Wild Flames" und "Fight" angefangen, das sind Cover von einer Band (Two Lives) und dann gemerkt, das passt und haben uns dann an die anderen Songs gemacht.
In diesem Sinne wären wir sofort dabei beim Eurovision Song Contest zu spielen.
LG, Fabian
stellvertretend für Tales of a Sleeping Giant
Mario Keim
7. April 2022 um 22:39 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Lieber Fabian,
ich muss gestehen, ein Kommentar als Dankeschön vom Künstler oder einer Band ist immer etwas Besonderes. Vielen Dank also dafür und für Deine zusätzlichen Hinweise. Ich darf mich auch für die Kommunikation zwischendurch, sozusagen hinter den Kulissen, bei Dir bedanken. Toll, dieses Vertrauen.
Der Gedanke mit dem Eurovision Song Contest kam mir spontan angesichts Eurer Polka – ab er durchaus ernst gemeint. Bleibt mir nur noch, Euch persönlich alles Gute zu wünschen, in persönlicher und in musikalischer Hinsicht. Bleibt schön gesund und lasst bald wieder von Euch hören!
Liebe Grüße Mario
Dan
5. April 2022 um 8:25 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hab ich mir sofort auf Bandcamp geholt: Einwandfrei!
Tales of a Sleeping Giant
6. April 2022 um 20:57 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Vielen Dank dir, das freut uns sehr!