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Taras Bulba / Venier Le Temps – LP-Review

Taras Bulba / Venier Le Temps – LP-Review

Taras Bulba sind Tom Redecker sowie Volker Kahrs und eines dieser Projekte, die nicht von der Stange sind. Redecker ist klar, als Beispiel nenne ich mal The Perc Meets The Hidden Gentleman. Volker ist auch klar: 'Mist'. Also der Mist, den wir aus den großen Tagen von Grobschnitt kennen. Beide Musiker sind bzw. waren Familienmitglieder in der Electric Family. Aber nicht nur dort, denn neben ihren Stammbands gab es eben auch Taras Bulba – bis zu Volker Kahrs Tod im Jahr 2008.

Wer Tom Redeckers musikalische Vita verfolgt, der weiß ob seiner Vorlieben für Musik, die sich oft durch unkonventionelle Strukturen auszeichnet. Volker hat sich nach seinem Ausstieg bei Grobschnitt unter dem Namen Yomano in Richtung New Age sowie Weltmusik bewegt. Genau die Melange dieser musikalischen Vorlieben ist das A und O von Taras Bulba.

Bereits 2009 gab es ein Best-of Tara Bulbas mit dem Namen The Best Of Now And Zen. Damals schrieb ich u. a.: »Mit "The Best Of Now & Zen" gibt es einen hervorragende Überblick über das Schaffen zweier begnadeter Musiker«. Heute, dreizehn Jahre später kann/muss ich diese Aussage relativieren, denn das Label Stroom Records zeigt mit der Compilation "Venier Le Temps" eine weitere Facette des musikalischen Outputs des Duos. Fünf Stücke kennen wir bereits von "The Best Of Now And Zen": "Flipper Mon Amour", "A New Day’s Coronation", "San Ma Riene", "Pierres Sacradeas (Holy Stones)" und "Dance Of The Fisherman’s Wife" (auf "The Best Of Now And Zen" die Teile zwei und vier der "Moonblood Suite").

Und ja, die Musik des Vorgängers ist sofort wieder im Ohr. »"Flipper Mon Amour" lässt die Seele in einem Meer aus Wohlklängen schweben« schrieb ich damals. Mein aktueller Stichpunktzettel klassifiziert dieses Stück als 'elektronische Fantasy'.  Zu "A New Day’s Coronation" stehen folgende Stichpunkte in der Kladde: 'Schlagwerk leitet stoisch ein', 'Keys gesellen sich hinzu', 'es scheint zu regnen' und 'harte Keyboardanschläge zu tribalem Rhythmus'. Vor dreizehn Jahren hieß das im Review: »… während "A New Day’s Coronation" in 'Breitwand' für Atmosphäre sorgt«.
"San Ma Riene" damals: » … kokettiert wieder mit einem Hauch Exotik und grooviger Percussion«. Aktuelles Brainstorming: 'Wieder dieser tribale Rhythmus', 'hart, hypnotisch, rural', 'weibliche Vocals eher als Sprachfetzen bzw. eingeworfene Schreie und Worte', 'wieder dieser latent orientalische Hauch'. Die Musik hat also immer noch die gleiche Wirkung auf mich – das nennt man dann wohl Nachhaltigkeit.

Apropos weibliche Vocals: Neben Angela Giampedro und Lea Saby ist auf vorliegender Platte auch Meike Lambertus am Mikrofon zu hören.

Wenn ich Eingangs schrieb, dass wir mit dieser Kompilation eine weitere Facette Tara Bulbas kennenlernen, so bedeutet das nicht, dass hier Pfade verlassen oder (groß) verändert werden. Aber mein Gesamteindruck ist schon so, dass stellenweise eine Schippe elektronischer Underground aufgelegt wurde. Die Mischung beinhaltet Trance, tribale Hypnosesequenzen, hart und brutal geschlagene Tasten, verfremdeter Gesang, Geräusche, hochmelodische Passagen, in "The Time Has Come" meine ich, auch etwas Klassik zu vernehmen …, eben nichts von der Stange.

Fantasie und Kopfkino vorausgesetzt, kann man die Tracknamen in der jeweiligen Musik finden. So assoziiert "Mystic Fog" zum Beispiel genau diesen mystischen Nebel, indem die weiblichen Vocals zu hochmelodischen Keys immer wieder mit einem Geräusch konfrontiert werden, das an ein uraltes, unbekanntes Lebewesen denken lässt, welches man nicht sieht, aber weiß, dass es irgendwo im dichten Nebel lauert. Dramaturgisch ist das höchst spannend gehalten und fesselt den Hörer.

Ein weiteres Beispiel ist der "Wintertanz". Der Track startet zart und verträumt, die Glockenspielsequenzen kann man als Schneefall verbuchen und auftauchende Gluckergeräusche lassen Eisbrocken vor dem geistigen Auge schmelzen. Hinzu kommt ein spannend hypnotischer Rhythmus.
Die Musik von Taras Bulba ist immer gut, wenn man sich darauf einlassen will und sich auch die Zeit dafür nimmt. Zum nebenbei hören taugt sie weniger, da macht man dann besser das Radio an.


Line-up Taras Bulba:

Volker Kahrs (keyboards, drum programming)
Tom Redecker (keyboards, guitar, vocals)
Lea Saby (vocals – Side A #5)
Angela Giampedro (vocals – Side A #1)
Meike Lambertus (vocals –Side B #4)

Tracklist: "Venier Le Temps":

Side A:

  1. Barune (Mystic Fog) [4:55]
  2. The Ashman [5:08]
  3. Flipper Mon Amour [1:57]
  4. A New Day’s Coronation [4:47]
  5. Pierres Sacradeas (Holy Stones) [4:46]
  6. The Time Has Come [1:34]

Side B:

  1. Wintertanz [6:23]
  2. Dance Of The Fisherman’s Wife [5:11]
  3. Peyote Moon [3:08]
  4. San Ma Riene [6:30]
  5. Mother Earth [1:08]

Gesamtspielzeit: 45:19, Erscheinungsjahr: 2022

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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