Wenn man dieses (nicht zu gewinnende) Spielchen unbedingt spielen wollte und seine zehn Inselplatten nennen müsste, dann wäre Layla & Other Assorted Love Songs von Derek And The Dominos aus dem Jahr 1970 beim Verfasser dieser Zeilen definitiv unter den ersten Fünf. Ein Geniestreich von einem Album, dessen Zustandekommen im Jahr 1970 von fast eben so vielen gewollten wie ungewollten Zufällen abhing. Ein (wegen einer unerwiderten Liebe) sowohl psychisch als auch physisch am Boden zerstörter Eric Clapton und seine Band waren bereits in Miami, Florida im Studio, um ein ganzes Doppel-Album aufzunehmen, das sich einzig und allein um sein gebrochenes Herz und die dafür verantwortliche Dame handelte. Es kam jedoch so gut wie nichts zustande, da sich der englische Gitarrero gerade in einem ziemlich großen kreativen Loch befand. Dann kam jedoch (um die Vorgeschichte kurz zu halten) der mindestens ebenso geniale Gitarrist Duane Allman ins Spiel und jammte im Studio eine Nacht mit. Woraufhin Clapton einen Geistesblitz hatte und darauf bestand, dass Allman auf dem ganzen Album mit dabei sein sollte. Geboren wurde ein einzigartiges Meisterstück, das Eric Clapton bis heute nie wieder erreicht hat.
Zurück in die Gegenwart: Nun hat das Ehepaar Susan Tedeschi und Derek Trucks (ratet mal, woher der seinen Vornamen hat!?) ja nicht nur bereits seit Jahren die sehr gut funktionierende und erfolgreiche Tedeschi Trucks Band am Laufen, sondern beide auch eine ganz spezielle Beziehung zu dem Original-Album (nachzulesen in den Liner Notes). Einzelne Stücke daraus, wie beispielsweise "Keep On Growing" (auf Live From The Fox, Oakland) spielten die beiden schon länger auf der Bühne, was allerdings keiner im Publikum des Lockn Festivals im Jahr 2019 ahnte, war das an jenem speziellen Abend das komplette "Layla…"-Album aufgeführt werden sollte. Verstärkt hatte sich die Band mit dem Sänger und Gitarristen Trey Anastasio (Phish) und los ging die Reise (in der originalen Song-Reihenfolge) mit dem noch etwas verhaltenen "I Looked Away". Bereits hier und spätestens bei dem folgenden "Bell Bottom Blues" wird klar, dass dieser Abend eine absolute Herzenssache der Protagonisten war. Getrennt, aber oft auch zusammen teilten sich Susan Tedeschi und Trey Anastasio die Lead Vocals, was in den meisten Fällen sehr gut gelungen ist.
Misses Tedeschi hat ihren ersten Solo-Gesngstitel mit "Nobody Knows You When You’re Down And Out", den sie sehr gut meistert. Der Refrain von "Why Does Love Got To Be So Sad?" klingt ein bisschen matt und hier und da gibt es mal kleinere Abzüge beim Gesang, insgesamt gesehen ist das allerdings schon Jammern auf hohem Niveau. Über allem steht die bärenstarke und fast schon unheimlich gefühlvolle Slide-Gitarre von Derek Trucks, die den Kauf dieser Scheibe alleine schon rechtfertigen würde. Nach wie vor der einzige die Qualität aller anderen nicht halten könnende Track dieser Song-Kollektion ist "I Am Yours", dem der gute Derek hier mit seiner Slide aber ebenfalls noch ein paar wunderschöne Töne entlocken kann. Das einzig wirklich Bedauernswerte dieses Albums ist der Part von "Keep On Growing", als sich Trucks gerade in ein Höllensolo reingesteigert hat und plötzlich alles in sich zusammenfällt. War bestimmt nicht so geplant, aber gut, es war live auf der Bühne, wo man (im Gegensatz zum Studio) nur eine einzige Chance hat und es eben kein Netz und/oder doppelten Boden gibt. Den Abschluss macht dann der einzige Studio-Track, "Thorn Tree In The Garden", eingespielt als Duo von Lady Tedeschi (Gesang) und Mister Trucks an der Akustischen.
Über Songperlen wie "Anyday", "Have You Ever Loved A Woman" oder "Tell The Truth" braucht man wohl nicht mehr viel zu schreiben und am Ende steigern sich die Musiker (speziell bei "Little Wing" und "Layla") in einen wahren Rausch. Zwar bewegen sich alle Beteiligten ziemlich nahe am Original, lassen aber durchaus auch ihre eigenen Merkmale mit einfließen. Dass sich das dann nicht haargenau wie das Duo Clapton/Allman anhören kann, dürfte klar sein. Neue Farbtupfer werden hier und da durch die Bläser-Sektion gesetzt, aber manchmal kommt der Eindruck auf, dass diese neue Version nicht ganz so harmonisch, flüssig und auch dem Bauch heraus kommt wie das Original. Der größte Unterschied (von den fünfzig weiteren Entwicklungs-Jahren der Soundmöglichkeiten mal abgesehen) liegt jedoch in der stimmlichen Darbietung. Aber auch hier muss klar sein, dass die damalige dermaßen hoffnungslose Verzweiflung in Claptons Gesang sowie die superstarken Co- bzw. Background Vocals von Bobby Whitlock schlicht und ergreifend nicht reproduzierbar waren.
Es macht auch keinen wirklichen Sinn, diese relativ neue Aufführung Eins zu Eins mit dem Original-Album zu vergleichen. Wichtig ist, dass die Tedeschi Trucks Band feat. Trey Anastasio das Feeling, den Spirit und die Grundaussage der Vorlage nicht nur begriffen, sondern auch bestmöglich umgesetzt haben. Falls es noch jemanden geben sollte der das Original nicht kennt, dann wird er/sie an diesem neuen Album jede Menge Freude haben. Aber auch alle Eingeweihten sollten sich diese Doppel-CD mal zur Brust nehmen. Sehr gut gemacht und eingespielt ist sie nämlich allemal.
Line-up Tedeschi Trucks Band…:
Derek Trucks (guitar)
Trey Anastasio (guitar, vocals)
Doyle Bramhall II (guitar, vocals)
Tyler 'Falcon' Greenwell (drums)
J.J. Johnson (drums)
Gabe Dixon (keyboards)
Brandon Boone (bass)
Kebbi Williams (saxophone)
Ephraim Owens (trumpet)
Elizabeth Lea (trombone)
Mike Mattison (background vocals)
Mark Rivers (background vocals)
Alecia Chakour (background vocals)
Tracklist "Layla Revisited":
- I Looked Away (3:16)
- Bell Bottom Blues (4:51)
- Keep On Growing (12:01)
- Nobody Loves You When You’re Down & Out (4:50)
- I Am Yours (3:44)
- Anyday (13:16)
- Key To The Highway (8:43)
- Tell The Truth (7:06)
- Why Does Love Got To Be So Sad? (8:28)
- Have You Ever Loved A Woman (8:21)
- Little Wing (6:55)
- It’s Too Late (3:51)
- Layla (9:01)
- Thorn Tree In The Garden [studio] (2:44)
Gesamtspielzeit: 42:13 (CD 1), 55:16 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2021 (2019)
1 Kommentar
Manni
14. August 2021 um 22:47 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Hi Markus,
ich kenn "Layla And Other Assorted Love Songs" seit Ende 1971, hab die ungefähr gleichzeitig kennengelernt mit der "At Fillmore East" der Allman Brothers Band. Beide sind seitdem Must-Have Platten in meinem Leben. Die Maßlatte liegt (…) hoch.
Daher geh ich mit deinen Einschätzungen konform. Vor allem, dass die "Revisited" nicht den mitreißenden Gestus des Originals (Claptons Gesang!) bieten kann, aber andere Qualitäten hat. Was mir etwas fehlt, sind die Bläser, die hätten öfter gewinnbringend eingesetzt werden können. Aber der andere Pluspunkt für mich ist das Slide-Spiel von Derek Trucks. In all seiner bekannten "akademischen" Spielweise schafft er es hier, das große Ganze zusammenzuhalten, zu dem die Tedeschi Trucks Band fähig ist. Die Vocals von Susan Tedeschi find ich nicht so berauschend, mit der Meinung bleib ich mir treu. Hervorragend ist der Beitrag von Trey Anastasio.
Insgesamt ist "Layla Revisited" eine tolle Platte, die auch ein loderndendes Feuer erzeugt. Wobei allerdings das Original mit den Gitarrensounds von Eric Clapton und Duane Allman vergleichsweise lichterloh brennt 🙂
Fans dieser Musikart muss man für die "Revisited" zurufen: Kaufen! Was aber nur Sinn macht, wenn man das 1970er Original kennt. Aber das hast du ja schon gesagt.
Ach ja: Susan Tedeschi kam am Tag des Erscheinens der originalen "Layla" Doppel-LP auf die Welt: 9.11.1970. Es schließen sich viele Kreise 🙂