Musikalisch Weitsichtige, die ihrem überhöhten Intellekt entsprechend mehr als drei Akkorden folgten um unbeugsam jenes mit Niedergang prognostizierte Genre Progressive Rock zu reaninimieren, verortet man wohl spontan minder unweit des Gaza-Streifens und von widersprüchlichen Kulturen geprägten Metropolen.
So überrascht uns ein von grober Geschichte oder tiefst verwurzelter Frömmigkeit, jedoch auch von gesonderter Weltoffenheit und akustischer Vielfallt getragenes Abbild, wie das der Küstenstadt Tel Aviv.
Dank der Entfesselung Israels von traditionellen Dogmen sind zunehmend rockistische Ausdrucksformen heutzutage aufstrebender, westlich missionierter Musikerschaften, so auch mit Hang zum Ornamentalen, herangewachsen.
Sowohl künstlerisch auf hohem Niveau balancierende Protagonisten des Heiligen Landes, wie Poesie-Crooner Asif Avidan, Rockrebell Aviv Geffen oder die weltbekannte Lied-Botschafterin Achinoam Nini alias Noa, als auch exzeptionelle Ethno Prog-Metaller wie Orphaned Land repräsentieren indessen die Generation musikalisch aufgeschlossener Persönlichkeiten.
So entfalteten die, dazumal in heilkräutervernebelten Probekellern studentischer Rock-Laboranten der Swinging Sixties, zu bahnbrechenden Blaupausen mutierten Klänge beim morgenländischen Mult-Kulti-Nachwuchs zwingend ihre Langzeitwirkungen.
Erwartungsgemäß nun nachhörbar, vermochten sich auch vier Tel Aviver Mannen mit einem, zugegebenermaßen blässlichen Bandnamen plus ihrem russisch etikettierten und Konzept-verherrlichenden Einstand, eben jener Strahlkraft ehedem kaum zu entziehen.
Die Israelis erschufen auf der Basis jener obskuren Episode des Sergei Krikaljow, welcher im Weltall fast vergessen den Zerfall der Sowjetunion überdauerte, dazu mit beachtlicher Verspätung als 'Held der russischen Föderation' und St. Petersburger, zur Erde zurückkehrte, eine retrogewandte Progrock-Zeitreise.
Stilistisch einen Schritt zurück, aus Sicht des recht organisch aufspielenden Quartetts einen nach vorn, lustwandeln diese unverfroren auf dem kultivierten Pfad heute zeitloser Vermächtnisse, als sich Camels Andrew Latimers entrücktes Gitarren-Singsang samt ätherisch-folkiges Flötenspiel wie auch David Gilmours markantes Gegniedel, ferner technilkolore Stilblüten floydscher Hippie-Saaten in den Kanon progistisch bahnbrechender Lehrstücke einreihten.
Dabei gerieren sich Telegraph als musikalisch vorzügliche Psychoanalytiker und interpretieren Krikaljows Gemütszustände als Siebziger-evozierende Rock-Manieristen, die behutsam deren mannigfach verinnerlichte Miniaturen omnipräsenter Synthieflächen sowie meditativ-lyrischer Saitenkünste mal beklemmend, mal überschwänglich, auszumalen vermögen.
Besonders das zentrale und gleichsam Proggies-Endmotto 'Wer hat den Längsten' entsprechende "Remote Control", eines mit sämtlichen obligatorischen Atmo-Retro Prog-Tugenden ausgeschmückte Referenzstück – man höre harmoniebesessene Ausschweifungen sowie eingefriedete Rhytmik-Akrobatiken – besiegelt letzten Endes die symptomatische Fessel aller Epigonen auf der Suche nach neuen Ufern.
Unbeirrt komponierten die Protagonisten hier jenen, im Geiste ihrer elterlichen Vinyl-Erleuchter, konservativen von der Schwerkraft losgelösten Progrressive Rock samt ärmlichen dazu Effekt-satten Gesangsgelegenheiten, welcher in seiner Gesamtheit begriffen werden möchte.
Im Fazit bekommen wir dafür ein identitätssuchendes Erstzeugnis mit vortrefflichen Ansätzen, zugleich musikalisch gutklassiges Werte-Recycling von unverbrauchten Genre-Strebern mit Potenzial.
Line-up Telegraph:
Tal Rubinstein (electric guitars, acoustic&12strings guitars, vocals)
Eze Sakson (hammond organ, minimoog, electric piano, mellotron)
Liran Herrnstadt (bass, vocals)
Avi Barak (drums, flute)
Tracklist "Mir":
1. Mir 0-1
2. Initiation
3. Gravity
4. Out There
5. Claustrophobia
6. Remote Control
Gesamtspielzeit: 51:15, Erscheinungsjahr 2019
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