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Ten Years After / A Sting In The Tail – CD-Review

Ten Years After - A Sting In The Tail - CD-Review

Verhältnismäßig gesehen ist es nicht allzu vielen Bands gelungen, einen echten Klassiker oder gar eine Hymne in die Welt zu setzen. Alleine deshalb schon mal Hut ab und Respekt an Ten Years After, die mit dem auf ihrem zweiten Album ("Undead", 1968) befindlichen und durch das Woodstock Festival unsterblich gewordenen "I’m Going Home" einen wahren Überflieger am Start hatten. Nach großen Erfolgen Anfang der siebziger Jahre war 1974 nach dem letzten Studioalbum "Positive Vibrations" allerdings die Luft raus und die Musiker trennten sich. Nach sporadischen Konzerten im Jahr 1983 kam es schließlich von 1988 bis 2003 nochmal zu einer längeren gemeinsamen Phase, die allerdings nur ein einziges Studioalbum ("About Time", 1989) abwarf. Es gab jedoch immer wieder persönliche Konflikte innerhalb des Quartetts und 2003 wurde der Frontmann Alvin Lee schließlich durch Joe Gooch ersetzt. Eine Phase, die immerhin elf Jahre lang hielt und die Scheiben Now (2004) sowie Evolution (2008) abwarf, bis Gooch und der Bassist Leo Lyons ausstiegen, um sich gänzlich ihrer bis dahin als Nebenprojekt laufenden Combo Hundred Seventy Split zu widmen.

Aber auch die beiden Gründungsmitglieder Chick Churchill (keyboards) und Ric Lee (drums) brauchten nicht lange, um sich wieder neu aufzustellen. Mit an Bord waren sehr bald schon der legendäre Bassist Colin Hodgkinson sowie der Gitarrist und Sänger Marcus Bonfanti. In dieser Besetzung liegt nun das erste Album "A Sting In The Tail" vor und jenen Stachel im Allerwertesten hört man der Scheibe auch sehr bald schon sehr genau an. Mit bedrohlich wabernden Orgeltönen startet die Platte mit "Land Of The Vandals" und die Handschrift der Engländer ist umgehend erkennbar. Ein cooles Riff, klasse Gitarren-Licks, die massive Rhythmus-Sektion und nicht zuletzt eine richtig starke Gesangsmelodie machen diese Nummer mit der angerauten Stimme Bonfantis zu einem eindeutigen Gewinner.

Damit aber noch lange nicht genug, denn dies war nur der erste Streich. Mit "Iron Horse" geht es mit sehr viel Groove und noch ein bisschen mehr Dreck unter den Fingernägeln umgehend in die nächste Runde. Vielleicht nicht der eingängigste Titel auf dieser Platte, wobei das bei dem Qualitäts-Level aller zwölf Tracks schon jammern auf sehr hohem Niveau ist. Zum ersten Mal ruhiger wird es bei dem bluesig-melancholischen "Up In Smoke", das neben dem Gesang (die Melodie im Refrain geht unter die Haut!) vor allem von einer akustischen Gitarre sowie Churchills warmen Orgel-Klängen gesteuert wird. "Suranne Suranne" ist ein klasse nach vorne gehender Rocker, bei "Two Lost Souls" ist die Bluesharp mit von der Partie, "Diamond Girl" ist der zweite ruhige Titel mit führendem Gesang sowie der Akustischen und auch "Stoned Alone" wird als bluesige Ballade mit, sorry, saustarken Vocals wie auch Melodieführung im Refrain gebracht. Wohl dem, der solch geile Songs schreiben kann.

Und als wenn das alles nicht schon genug wäre, müssen unbedingt meine beiden weiteren Favoriten mit "Miss Constable" sowie "Retired Hurt" genannt werden. Das erstgenannte Stück vereinigt alle Stärken der Band in sich: cool groovender und swingender Blues, der wohl dosierte aber immer spürbare Druck von Bass und Drums, die fein gesetzten Akzente der Gitarre und schließlich richtig starke Gesangs-Melodien. "Retired Hurt" war der erste Track, der mich (dazu auch bereits beim ersten Durchlauf) voll am Haken hatte. Eine coole Orgel-Eröffnung wird sehr bald von einem Gitarren-Lick begleitet, bevor die ganze Band am Start ist. Und auch hier zaubert Marcus Bonfanti gesanglich wieder eine Hammer-Hookline beim Refrain aus dem Ärmel. Diese Scheibe benötigt nicht sehr lange, bis sie den Rock- und/oder Blues Rock-Fan vollkommen auf ihre Seite gezogen und süchtig gemacht hat.

Ich wiederhole mich diesbezüglich gern: Den alten Recken von Ten Years After ist mit "A Sting In The Tail" ein grandioses Album gelungen, das ich ihnen (Asche auf mein Haupt!) ehrlich gesagt so stark gar nicht mehr zugetraut hätte. Wenn es überhaupt einen Kritikpunkt gibt, dann dass es gegen Ende einen kleinen Durchhänger ("Last Night Of The Bottle" und "Guitar Hero") gibt, wobei das abschließende "Silverspoon Lady" dann aber wieder granatenmäßig zulegt), was den sehr starken Gesamteindruck aber nie wirklich gefährden kann. Absolute Empfehlung!


Line-up Ten Years After:

Chick Churchill (organ, keyboards)
Colin Hodgkinson (bass)
Marcus Bonfanti (guitars, vocals)
Ric Lee (drums)

Tracklist "A Sting In The Tale":

  1. Land Of The Vandals
  2. Iron Horse
  3. Miss Constable
  4. Up In Smoke
  5. Retired Hurt
  6. Suranne Suranne
  7. Stoned Alone
  8. Two Lost Souls
  9. Diamond Girl
  10. Last Night Of The Bottle
  11. Guitar Hero
  12. Silverspoon Lady

Gesamtspielzeit: 53:13, Erscheinungsjahr: 2017

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

2 Kommentare

  1. Carlo LF

    Ich kann Markus nur zustimmen: eine wirklich überraschend gute CD mit frischen Rock-Songs taucht hier unter dem Label "Ten Years After" auf – eine Band, die ich schon für ziemlich tot hielt, spätestens mit dem Abgang von Alvin. Allerdings ist das Label "Ten Years After" für mich als Fan der ersten Stunde (seit ihrem ersten, gleichnamigen Album1967) durchaus irritierend. Zwar sind die beiden Urmitglieder Chick Churchill und Ric Lee nach wie vor mit von der Partie (und konnten wohl den Namen der Band mitnehmen). Aber Ten Years After klang doch ganz anders. Und Ten Years After, das war natürlich in erster Linie Alvin Lee mit seinen für damalige Zeiten irre schnell gespielten Gitarrensoli, die ihre Jazz-Wurzeln nicht verheimlichten. Und als beeindruckende Bühnengestalt bleibt in Erinnerung der Alvin ungeheuer antreibende Bassist Leo Lyons. Gewiß waren die ersten beiden Scheiben auch sehr beeindruckend durch den oft als Kontrakpunkt zur Gitarre von Alvin Lees eingesetzten Orgelsound von Chick Churchill. Gut, was dann später in den 70er Jahren, d.h. insbesondere nach Woodstock, kam, das war der Abschied vom British Blues und die Hinwendung zum rockigen, bis in den Pop reichenden Mainstream.

    Trotzdem, kaum einer, der Ten Years After aus den 60er und 70ern kennt, würde beim Anhören dieser neuen Scheibe darauf kommen, dass die Musik von einer Band namens Ten Years After kommt. Wenn man es dann weiß, kann man dann doch klar Chick Churchill zuordnen. Aber es ist vor allem der neue Gitarrist und Sänger Markus Bonfanti, der, aus einer ganz anderen Generation als die anderen Bandmitglieder stammend, den Ton und die gute Musik bestimmt. Marcus Bonfanti hat sich als Akustik- und E-Gitarrist mit eigenen CDs bereits einen guten Namen gemacht. Seine beachtliche Stimme und sein feines Gitarrenspiel: eine Reminiszenz an Alvin Lee ist das jedenfalls nicht.

    Siehe auch diese Besprechung hier. ***Link wegen unklarer Urheberrechtslage von der Redaktion gelöscht***

    Übrigens: Beim Stück "Miss Constable" singt übrigens der Steppenwolf-Sänger John Kay die Hauptstimme.

    1. RockTimes Jürgen

      Hi Carlo,
      auch ich bin der Meinung von Markus. Das Album hat Klasse und viel Eigenständigkeit. Auch in diesem neuen Line-up steckt jede Menge Potential.
      Allerdings teile ich Deine Meinung absolut nicht, dass Ten Years After nach Alvins Abgang tot waren.
      Die Jahre mit Joe Gooch waren alles andere als unproduktiv, was die Alben "Evolution" und "Now" auch belegen. Auch auf der Bühne waren sie in dieser Besetzung sehr überzeugend, wovon ich mich mehrmals persönlich überzeugen konnte.
      Leider habe ich sie in der aktuellen Besetzung noch nicht gesehen. Vielleicht ergibt sich das demnächst mal.
      Jedenfalls lebt Ten Years After nach wie vor. Und das ist auch gut so.

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