Zum Glück scheint Nathan Wells keinen Garten zu haben. Auch keine Modelleisenbahn; und im Orga-Team der jährlichen offenen Melbourner Schach-Meisterschaften ist er auch nicht. Somit hat der Mann Zeit und kann seine Energie in die Band stecken. Seit dem letzten Album Flight Of The Wounded sind wieder einmal nur ein paar Monate vergangen; und schon haut das Teramaze-Mastermind etwas Neues raus. "Dalla Volta" ist zwar kein 'richtiges' Album, vielmehr eine Zusammenstellung aus neu, anders und ausgegraben. Aber es sind durchaus ein paar Kracher dabei, die man sich als Fan der australischen Prog-Metaller auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Das Wichtigste zuerst: Es gibt vier brandneue Songs der Prog-Turbokomponisten, die zuletzt teils mehrmals im Jahr einen kompletten neuen Longplayer auf den Markt geworfen haben. Und hier bleiben keine Erwartungen unerfüllt – Überraschungen inklusive. Nathan Peachey ist zurück – einst hauptamtlicher Lead-Sänger, bevor Gitarrist und Songschreiber Nathan Wells vor ein paar Alben diesen Job auch noch auf seine To-Do-Liste gepackt hatte – mit Bravour, wohlgemerkt. Beide sind als Sänger ganz ähnliche Typen und drücken der Musik mit leidenschaftlich ausschweifenden Melodien im expressiven Power-Modus ihren Stempel auf.
"Chaos In The Way" ist quasi Peacheys "Comeback"-Nummer – eine mysteriös-düster angehauchte Mid-Tempo-Nummer mit umwerfend guter Melodie; ultra-eingängig und trotzdem mit Tiefe und großer Abwechslung im Detail. Das ist eine Kunst, die die Band famos beherrscht. Auch "These Crystal Walls" geht es langsam an, schleppt sich dunkel-heavy nach vorn, um dann in der mittlerweile typischen Teramaze-Manier Melowiewunder mit unheimlich vielen Dynamik- und Rhythmus-Details zu erzählen, die gar nicht aufdringlich sind, aber heftig gut wirken. "The Heist" gibt dafür richtig, richtig Gas, um seine unbändige Energie dann in einem schwebend-atmosphärischen Chorus wieder aufzuladen.
Der Opener "Navigate In Solitude" ist mit seinen mittel-epischen siebeneinhalb Minuten der Song, der mit am besten subsumiert, was Teramaze alles sind. Es gibt mysteriöse Keyboard-Atmosphären, heavy Staccato-Riffs, proggig angeschärfte Rhythmik, getragene Melodien, aufregende Gitarrensoli, ein bisschen Komplexität mit lyrischem B-Part und – in dem Fall – noch Growl-Vocals (das Stilmittel gab es ja beispielsweise auch bei Sorella Minore), um das zu unterstreichen, was auch fast immer Teil der Teramaze-Traits ist: Es muss auch ein bisschen bedrohlich wirken. Hier macht man Menschen glücklich, die beispielsweise die aktuellsten Kamelot-Jahre mit Sänger Tommy Karevik lieben, Symphony X im Iconoclast-Modus, Threshold, Hochmelodie-Prog von Virtual Symmetry oder auch Melodic Power Metal à la Pyramaze. Aber ganz ehrlich: Es ist faszinierend, wie sehr Teramaze längst schlicht und genial nach 'Teramaze' klingen!
Wie sehr sie hier eine Evolution erfolgreich durchlaufen haben – sehr stark 'produziert', was hocherstaunlicherweise nicht zu Lasten der Emotionalität geht – zeigt "Shadows II". Das ist der Song "Shadows" vom 1998er-Album "Tears To Dust"; und sie geben dieser Version den Zusatz 'Re-Imagined' – sehr hübsch ausgedrückt. Die Neuversion haut rein! Dann gibt es noch zwei Versionen von schon bekannten ruhigeren Nummern der Band, nur mit Klavier und Herzschmerz-Synthie-Atmo. Das ist einmal "Waves" mit Sänger Nathan Wells von And The Beauty They Perceive (2021) und dann noch "Broken" mit Nathan Peachey von der 2015er-Veröffentlichung "Her Halo". Mit der neuen Version wollte die Band die traurigst-denkbare Version des Songs erstellen – »a piano ballad that could sink the Titanic«. Schöner Vergleich – dennoch hatten beide Originalversionen als Powerballade einfach 'mehr', inklusive der zum Heulen schönen Soli, die nun fehlen.
In die Verlängerung geht "Dalla Volta" mit vier Songs vom 2019 erschienenen Album "Are We Soldiers", und zwar in den Demo-Versionen von 2017. Das bedeutet, dass auch hier Nathan Peachey singt und nicht, wie dann in der Album-Version, Brett Rerekura. Somit machen Teramaze hier bei dieser Zusammenstellung wirklich schön die Klammer zu – von Peachey bis Peachey, sozusagen. Und für alle, die die Band noch nicht so ewig verfolgen und das Material gar nicht kennen, bieten diese Tracks nochmal zusätzlichen Mehrwert … auch um die Erkenntnis zu unterstreichen, dass Teramaze sich in mit den jüngsten Veröffentlichungen sehr gut selbst gefunden haben. Denn diese 'alten' Stücke sind noch etwas roher, wilder. Das "Easy Lover"-Cover als Bonus zum Abschluss der Platte – joo, kann man machen. Mit oder ohne – "Della Volta" lohnt sich sehr für die ersten fünf Nummern; das wären knapp 27 Minuten. Für den Rest gilt es, abzuwägen.
Line-Up Teramaze:
Dean Wells (vocals, guitars, keys)
Nathan Peachey (vocals)
Andrew Cameron (bass guitar)
Chris Zoupa (guitars)
Nick Ross (drums)
Guest musicians:
Dave Holley (piano – #6,7)
Antonio Paulo (drums – #4)
Erick Wight (scream vocals – #1)
Tracklist "Dalla Volta":
- Navigate in Soiltude (7:28)
- Chaos In The Way (4:07)
- These Crystal Walls (4:37)
- Shadows II (Re-Imagined) (4:57)
- The Heist (5:47)
- Waves (Piano Version) (4:41)
- Broken (Piano Version) (5:58)
- Weight Of Humanity (2017 Demo Version) (6:56)
- Fram Savior To Assassin (2017 Demo Version) (5:01)
- Fight Or Flight (2017 Demo Version) (5:41)
- Are We Soldiers (2017 Demo Version) (6:56)
- Easy Lover (5:14)
Gesamtspielzeit: 67:26), Erscheinungsjahr: 2023
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