
Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen! So fühlt sich das für Fans schon mal an, wenn die Lieblingsband ein neues Album veröffentlicht. Dreifacher 'Feiertag'! Teramaze haben da in letzter Zeit etwas falsch verstanden – allerdings im absolut positiven Sinne. Sie bringen TATSÄCHLICH drei Mal im Jahr ein neues Album raus. Nicht zu Weihnachten, Ostern und am Geburtstag, aber die Quote stimmt; denn zwischen Oktober 2020 und Oktober 2021 haben drei Mal abgeliefert. Gut – sie hatten auch Zeit; Touren war ja leider in dieser speziellen Weltlage nicht drin. Und kaum darf man wieder auf die Bühne – zack, dauerts viel länger. Ein Jahr später, und "Flight Of The Wounded" ist da.
Ein Blick aufs Cover – und jeder geneigte Fan weiß sofort, warum er Prog liebt: Da passt das Visuelle oft zum Akustischen, auch hier; toll! (Als kurioser Nebeneffekt wird man natürlich aus europäischer Global-Sicht auch irgendwie daran erinnert, dass Teramaze aus Australien kommen steht halt alles Kopf.) Und auch die gute Stunde für die Ohren ist Feinkost für den Fan … wenngleich dieser damit d’accord gehen sollte, keine Experimente und keine stilistischen Ausreißer präsentiert zu bekommen. Überraschungen: Fehlanzeige. Dafür gibt es Teramaze, Teramaze und nochmal Teramaze, aber auf 'teramaginzly' konstantem Niveau. Mit minimalen Schönheitsfehlern.
Auch dieses Album ist ein modernes Prog Metal-Werk in dichter und detailliert durchorchestrierter Hochglanz-Produktion, die zwar wenig Raum für Rohes und Ungeschliffenes lässt, aber durchaus für viel Emotion. Willkommen an der Schnittstelle zwischen episch-atmosphärischen Threshold-Songs und messerscharfen, düster-harten Evergrey-Grooves und beschwörerischer Kamelot-Eindringlichkeit, wo Teramaze noch eine kleine Nische gefunden haben. Die Highlights der Truppe sind sicherlich Dean Wells' emotionaler Gesang mit ergreifend ekstatischen Spitzen und die wirklich sehr inspirierte Gitarrenarbeit. Was man hier teils in Strophen 'im Hintergrund' anbietet taugt bei manch anderer Band schon als halbes Solo. Die Grenzen zwischen Rhythmus- und Lead-Gitarre verschwimmen zum Teil. Cool ineinander verwobene Melodien trieben die Songs nach vorn.
Anspieltipps gibt es einige. Da wäre zunächst der Opener zu nennen, der so heißt wie das Album und durch den Gegensatz zwischen scharf groovendem Drive in den Strophen und großer Atmosphäre im getragenen Refrain glänzt. Und natürlich durch ein intuitives Longtrack-Songwriting. Quasi als Gassenhauer-Gegensatz dazu: das eingängige "The Battle" mit Elementen des 80ies-Melodic Rock. Dann die elegische So-was-wie-Powerballade "Until The Lights". Die temporeiche Power Metal-Nummer "For The Thrill". Das Melodie-Monster "Dangerous Me". Und natürlich Daumen hoch für: "Ticket To the Next Apocalypse" mit seiner spannenden Range zwischen üblem Mid-Tempo-Groove und Schwebe-Atmo sowie dem Gesangsgemisch aus butterweich-melodischer Süße und ein paar fiesen Growls. Schade, dass "Gold" und "The Thieves Are Out" im Gesamteindruck ein wenig abfallen. Bei diesem hohen Gesamtniveau kann das aber durchaus als subjektive Wahrnehmung eines Einzelhörers durchgehen.
Ein zweites "Sorella Minore" (dieser fast unerträglich gute 25-Minütiger auf dem gleichnachmigen Album) gelingt unterm Strich nicht. Es wäre aber auch ziemlich unfair, von einer Band immerzu zu verlangen, noch einmal 'genau so gut' zu werden wie mit Song X auf Album Y zur Zeit Z, oder? Denn Qualität ist immer relativ und hat außerdem noch ziemlich viel damit zu tun, in welcher Phase des Musikfan-Lebens in welcher Stimmung zwischen welchen anderen Platten man just diese Musik gerade gehört hat. Blutzucker, Mondphase und aktueller Weltranglistenplatz der deutschen Hockeynationalmannschaft könnten auch damit zu tun haben; wer weiß. Jedenfalls darf niemand erwarten, dass Teramaze viel anders machen als bisher. "Flight Of The Wounded" ist vor allem eins: Nachschub. Mehr, mehr, mehr statt höher, weiter, schneller. Nicht mehr, aber auch nicht weniger! Quantität mit großer Qualität.
Line-up Teramaze:
Dean Wells (vocals, guitars)
Andrew Cameron (bass guitar)
Chris Zoupa (guitars)
Nick Ross (drums)
Tracklist "Flight Of The Wounded":
- Flight Of The Wounded (10:44)
- Gold (5:49)
- The Thieves Are Out (6:51)
- Until The Lights (6:20)
- Ticket To The Next Apocalypse (7:51)
- For The Thrill (5:17)
- Dangerous Me (7:17)
- Battle (5:04)
- In The Ruins Of Angels (7:08)
Gesamtspielzeit: 62:23, Erscheinungsjahr: 2022
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