Wenn die Band schon nur so selten mal einen Gig außerhalb Australiens spielt (u.a. zwei Mal beim Prog Power Europe), dann schickt sie zumindest mal einen rüber – in Form ihrer ersten Live-DVD. Und das gefilmte Heimspiel in Melbourne war eine kurzfristige, unverhoffte und promt genutzte Chance. Avatar aus Schweden spielten Down Under; Teramaze bekamen den Opening Slot plus die Mitschnitt-Chance. Typisch für die Band, die ja bekanntlich teils mehrmals pro Jahr ein neues Albumn raushaut: Auch hier ließ man nix anbrennen. Der Auftritt war Ende August; und noch im selben Jahr war die DVD käuflich zu erwerben, was wirklich erstaunlich ist.
Und auch auf der Bühne macht die Besatzung des australischen Prog Metal-Super-Tipps keine Gefangenen. Acht Songs, gut 42 ungeschnittene (in der DVD-Version! In der CD-Version gibt es – wieso auch immer – kurze Breaks) authentische Minuten – und es passt fast alles vom Anfang bis zum Ende. Man startet mit zwei 'älteren' Stücken (2019 bzw. 2014 auf Alben veröffentlicht) in hohem Tempo. "From Saviour To Assassin" und "Transhumanist" sind Melodic Power Metal-Kraftpakete mit gehörigem Prog-Anteil. Ganz typisch für Teramaze ist neben den großartigen Melodien auch die technisch kleinteilig-brillante High-Tech-Rhythmusarbeit – und überhaupt: dass extrem viel 'passiert'.
Pausenlos und unermüdlich ackern die Gitarren. Ohne einen zweiten Gitarristen – neben Band-Boss Dean Wells auch Chris Zoupa – würde diese Musik gar nicht funktionieren. Bei einem Doppelsolo gibt es dann auch schon mal einen Split Screen, was auch sonst ab und an angewandt wird. Geschätzt eine gute Handvoll Kameras zeigen alles, was man sehen will – einige andere Effekte wie eine bewusst 'wacklige' Kamera oder Schwarzweiß-Shots werden gelungen und nicht übertrieben eingesetzt. Sänger Nathan Peachey gibt einen formidablen Frontmann. In schwarzer Kutte mit ein bisschen glänzendem Metall kommuniziert er in Wort und Gestik mit dem Publikum und trifft dabei genau das richtige Maß, um es nicht zu übertreiben.
Die Herausforderung ist nämlich ganz offensichtlich: Die Leute in der überschaubar großen Venue mit sympathischer Club-Atmo und nicht all zu hoher Decke sind ganz offensichtlich kein Teramaze-, sondern eben Avatar-Publikum. Mitgesungen wird da wenig; erst gegen Ende gehen ein paar Hände von Menschen hoch, die merken, mit welch superben Musikern sie es hier als 'Bonus' zu tun hatten. Die Band wird sympathisch, aber eben nicht frenetisch angenommen – und spielt ihr Zeug dabei mit einer 1A-Ausstrahlung und -Attitüde. Peachey führt mit gutem Habitus auch durch die hypnotisch-fesselnde, düster groovende Mid-Tempo-Nummer "Jackie Seth" oder auch das fast als Powerballade zu bezeichnene "Sleeping Man".
Hier singt Dean Wells, der Peachey durchweg mit Backing Vocals unterstützt, übrigens auch ein paar Passagen allein, was beweist, dass auch dieser Gesang echt ist. Lediglich beim Instant-Ohrwurm "Battle" (neben dem traumhaft melodiösen "Untide" wohl der beste Song-Beweis für diese herrliche Teramaze-Qualität, trotz hohen technischen Anspruchs die Stücke schon mit dem ersten Refrains ins Ohr gehen zu lassen) scheinen neben den Samples und Keyboards auch ein paar Backing Vocals vom Band zu kommen. Das ist aber 'verschmerzbar' und tut der Authentizität des Auftritts keinen Abbruch, weil die Songs in der Studio-Version nun mal auch auf der vokalen Seite recht komplex produziert wurden … und weil Nathan Peachey keine (!) komplizierten Töne auslässt. Jeder verdammte finale Scream findet hier statt – nicht immer perfekt, aber immer verdammt gut. Und immer Metal pur und voller Einsatz.
Als Bonus gibt es auf der DVD noch zwei 'Live-Proben' aus dem heimischen Studio mit recht unterhaltsamen Kamera-Tricks samt Fischaugen-Effekt und 360-Grad-Moves. Und auf die CD hat man noch den neuen Song "Blemish" gepackt, mit dem man nach eigenen Aussagen die Bandbreite der Band aufzeigen und Bands wie Alice In Chains und Soundgarden Tribut zollen will. Geschrieben wurde "Blemish" eigens für diesen Live-Release, und zwar innerhalb von fünf Tagen. Schon mal erwähnt, dass Teramaze Dinge sehr gern sehr schnell erledigen? Es gereicht ihnen nicht zum Nachteil. "Live At 170 Russell" ist eine starke Performance, eingefangen in lebendigem Live-Sound, der differenziert genug ist, damit sich auch all die stante pede in diese Musik verlieben können, die sie noch nicht in der Studiofassung kennen.
Es bleibt noch zu konstatieren, dass Teramaze es verdient hätten, bedeutend 'größer' zu sein als sie es sind. Verdient, weil sie es auch live drauf haben. Und dass ihr aktuelles Standing noch offenbar ein zu 'kleines' ist, muss man mit etwas Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen, weil die Jungs hier halt nur die 'Vorband' waren, mit dem Banner der Hauptband im Hintergrund. Aber aus diesem Kopfschütteln sollte ein Headbangen werden! Mit so viel Eifer, wie diese Männer ihren Job machen, müssen ihnen noch einige Stückchen Zukunft gehören. Inklusive großer Konzerte als Hauptband mit noch viel epischeren Live-Releases. Dann haben Teramaze auch alle Freiheiten für ihre Setlist und können auch ihr Meisterwerk "Sorella Minore" aufführen und in einer Live-Version veröffentlichen. Das sei an dieser Stelle noch als persönlicher Wunschtraum hinterlegt …
Line-up Teramaze:
Nathan Peachey (lead vocals)
Dean Wells (guitar, vocals)
Chris Zoupa (guitar)
Andrew Cameron (bass)
Nick Ross (drums)
Tracklist "Live At 170 Russell" (CD & DVD):
CD:
- From Saviour To Assassin (5:17)
- Transhumanist (4:31)
- Untide (6:20)
- Jackie Seth (5:04)
- The Heist (5:49)
- Sleeping Man (5:23)
- Take Your Shot (4:59)
- Battle (5:36)
- Blemish (5:09)
DVD:
- From Saviour To Assassin (5:17)
- Transhumanist (4:31)
- Untide (6:20)
- Jackie Seth (5:04)
- The Heist (5:49)
- Sleeping Man (5:23)
- Take Your Shot (4:59)
- Battle (5:36)
DVD Bonus Tracks:
- To Love, A Tyrant (Live Rehearsal At Wells Studio, 7:45)
- The Thieves Are Out (Live Rehearsal At Wells Studio, 6:58)
Gesamtspielzeit: 48:08 (CD), 57:04 (DVD), Erscheinungsjahr: 2023
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