Die amerikanischen Punk-Rocker The Ataris gibt es nun auch schon seit Mitte der neunziger Jahre, wobei der Frontmann und Gitarrist Kris Roe die einzige Konstante mit einer ständig wechselnden Begleitmannschaft darstellt. Zählt man den Re-release des Debütalbums "Anywhere But Here" (original 1996, mit Bonus wiederveröffentlicht 2003) dazu, darf die Band immerhin bereits auf stolze zehn Alben zurückblicken. Selbstverständlich ein Grund zu feiern, selbst wenn die Combo sowieso jede Bühne in Beschlag nimmt, die bei 'Drei' nicht schnell genug auf den Bäumen ist. Noch vor der Pandemie, im Jahr 2019 ließ die als Quartett agierende Band eine Konzert in Chicago aufzeichnen, das bereits im vergangenen 2020 auch bei uns veröffentlicht wurde.
Ein allererster Eindruck (ziemlich melodiöses Songwriting, allerdings leider auch immer wieder störende Aus- und Einblendungen zwischen den einzelnen Tracks) bestätigt sich über die komplette Laufzeit des Albums. Schade, denn mit besseren Schnitten zwischen den einzelnen Titeln hätte man ein deutlich geschlosseneres Feeling erzeugen können. Die Songs an sich mäandern zwischen Rock und Punk Rock, wobei hier stilecht mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug ans Werk gegangen wurde. Für die Aggressivität der Darbietungen ist dann Kris Roes Gesang zuständig, der auch diese Rolle sehr gut ausfüllt. Die Musik kommt ebenfalls mit viel Wucht daher, wobei man aber auch klar hört, dass Punk Rock im Falle der Ataris nicht gleichbedeutend mit technischer Unfähigkeit (wobei es sich sowieso um einen weit verbreiteten Irrtum handelt) ist. Alle vier Musiker haben durchaus einiges auf dem Kasten, was aber natürlich positiv zu sehen ist. Interessanterweise haben The Ataris hier auch ihre eigene Version von "The Boys Of Summer" am Start, ein großer Hit aus den achtziger Jahren und damals original von Don Henley (The Eagles).
Ebenfalls interessant ist, dass zwischen die auf der Bühne mit voller Band gebrachten Tracks auch drei Nummern gestreut werden, die der Frontmann ganz allein brachte. Einzig der Grund erschließt sich mir nicht unbedingt, da diese keinesfalls mit einer Akustik-Gitarre oder Piano performt wurden, vielmehr brettert die Elektrische hier genauso verzerrt wie bei allen anderen Stücken. Sei’s drum, die Stücke an sich sind gut und die Fußwippe setzt ganz automatisch ein. Um nochmal auf "The Boys Of Summer" zurück zu kommen: Von den Lyrics passt das schon total zum Rest des Programms, da es in den Texten sehr oft um zwischenmenschliche Beziehungen, Verlust, das Trauern um die vergangene Jugend und nah verwandte Themen geht. Und natürlich darf auch die Liebeserklärung an das Radio nicht fehlen. Nach einem mitreißenden "Eight Of Nine" geht auch Kris Roe zum ersten Mal zum Durchschnaufen hinter die Bühne, bevor es schließlich mit den Zugaben weitergeht.
So richtig ärgerlich mit der Ausblenderei wird es bei eben diesen, weil sich irgendein Verantwortlicher wohl gedacht haben muss, dass eine gewisse Spielzeit für einen Song ausreichend ist und dann einfach mal die Regler runtergedreht hat. Vielleicht wollte er damit aber auch nur Platz schaffen für das letzte, "All Songs At Once" betitelte, Stück. Wieder eine ganz hervorragende Idee, denn hier werden alle 14 davorgebrachten Tracks übereinander gelegt, was natürlich in einem einzigen Chaos endet. Furchtbar witzig … wenn man den gleichen Humor hat. Letzten Endes findet man auf "Live In Chicago 2019" einerseits richtig gute Punk Rock-Songs vor die Spaß machen, andererseits nervt die Produktion zeitweise sehr. Wie der noch unentschlossene Käufer dies gegeneinander aufwiegt, bleibt ihm natürlich selbst überlassen. Auf dieser Scheibe trifft Plus auf Minus.
Line-up The Ataris:
Kristopher Roe (guitars, vocals)
Dustin Phillips (drums)
Danny Duke (bass)
Michael Doherty (guitars)
Tracklist "Live In Chicago 2019":
- In This Diary
- Unopened Letter To The World
- The Hero Dies In This One
- The Saddest Song
- Boxcar
- Summer ’79
- Car Song (solo)
- San Dimas (solo)
- Takeoffs And Landings
- The Boys Of Summer
- Radio #2
- Eight Of Nine
- Your Boyfriend Sucks (solo)
- So Long, Astoria
- All Songs At Once
Gesamtspielzeit: 63:36, Erscheinungsjahr: 2020
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