Die Geschichte des Rock’n’Roll bzw. der Rockmusik ist prallgefüllt mit unsterblichen Highlights und speziell in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren gab es unauslöschbare Höhepunkte, die nach wie vor als Aushängeschild dienen. Die unangreifbaren Schlachtrösser stellen nach wie vor wohl Events wie das Monterey Pop Festival 1967, Woodstock 1969, George Harrisons einzigartiges Concert For Bangladesh von 1971, The Allman Brothers Band 1973 in Watkins Glen oder Live Aid (um nur mal ein paar wenige zu nennen) dar, aber da gibt es noch eine weitere Sternstunde. Und dabei handelt es sich um das Abschiedskonzert von The Band am Thanksgiving Day des Jahres 1976.
Der Gitarrist und Songwriter Robbie Robertson war nicht nur extrem tourmüde geworden, sondern hatte ernsthafte Sorgen, dass es sehr bald die ersten Todesopfer in der Band geben würde (speziell Richard Manuel war in sehr schlechtem Zustand), wenn sich das Karussell weiter in diesem Stil drehen würde. Er beschloss (genau genommen gegen den Willen der restlichen Bandmitglieder), das ganze Unterfangen aufzulösen und Schluss zu machen. Einen krönenden Abschluss, ein letztes opulentes Konzert, dort wo alles angefangen hatte, sollte es aber noch geben. Gebucht wurde Bill Grahams Konzertsaal Winterland (eine ehemalige Eislaufbahn) und eingeladen wurden jede Menge Gastmusiker/Freunde, um The Band zu einem würdigen Ende zu bringen.
Glücklicherweise kamen sie auch alle und waren schließlich sogar so viele, dass Robertson in Panik geriet und schon wieder am Zusammenstreichen war. Als er jedoch den bereits eingeplanten und anwesenden Muddy Waters von der Liste nehmen wollte, meinte der (wegen der Auflösung) sowieso schon geladene Levon Helm: »Genau, Robbie, ruf' Muddy ein Taxi und schick ihn einfach nach Hause! Und weißt du was? Ich werd' mich dann neben ihn setzen, mit ihm fahren und du kannst dir den ganzen Abend in den A… llerwertesten schieben!« Vielleicht nicht ganz überraschend fand der Auftritt von Muddy Waters dann doch statt. Vierzig Jahre ist das jetzt her, was Rhino Records dazu bewegte, diesen Abend noch einmal in voller Pracht erstrahlen zu lassen und in unterschiedlichen Versionen (CD, Vinyl, DVD, Blu-ray und Kombinationen davon) in Erinnerung zu bringen.
Im Prinzip wurde das komplette an diesem Novemberabend 1976 aufgezeichnete Material rausgehauen, was natürlich neben dem Originalalbum viele weitere süße Früchte verspricht. Als Rezensionsexemplar liegt mir allerdings nun eine Doppel-CD vor, die nicht mehr und nicht weniger als das allseits bekannte Originalalbum enthält. Ooookay… eigentlich könnte man dann dieses Review mit »Der Sound ist superklasse und viel besser als bisher!« sowohl beginnen und mit gleichem Satz beenden. Fühlt sich an, als würde man ein Auto kaufen wollen, bekäme aber gerade mal einen Hinterreifen und den rechten Außenspiegel gezeigt, bevor man die Kohle rausrückt… Über DVD, Blu-ray oder Vinyl, geschweige denn dem reichlichen Bonusmaterial wird es an dieser Stelle also keine Aussage geben können.
Der Sound dieser CD-Ausgabe ist allerdings wirklich fürstlich und die darauf enthaltene Musik zeitlos und unsterblich. The Band selbst eröffnet mit dem Gassenhauer "Up On Cripple Creek", bevor der erste der vielen Gäste die Manege betritt: Ronnie Hawkins, langjähriger Chef seiner ehemaligen Begleitband, die ihn im Jahr 1976 unter eigenem Namen aber schon zigfach überrundet hatte. Schlag auf Schlag geht es weiter: Ein völlig zugekokster Neil Young mit "Helpless", Joni Mitchell mit dem tollen "Coyote", der 'Night Tripper', Dr. John, höchstpersönlich mit "Such A Night" oder Paul Butterfield mit dem enthusiastischen "Mystery Train". Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus…
Neil Diamond überzeugt mit (zwar bescheuerter Sonnenbrille, aber einem herzhaft-kraftvollen "Dry Your Eyes", es ist eine pure Freude Muddy Waters seinen "Mannish Boy" zelebrieren zu sehen, bevor der promilleschwangere Eric Clapton (der versäumt hatte seine Gitarre krisensicher mit dem Gurt zu verbinden) "Further On Up The Road" zum Besten gibt. Sämtliche Gastmusiker werden natürlich von The Band begleitet, die zwischendurch auch ohne Gäste immer wieder ihre Klassiker wie "The Night They Drove Old Dixie Down", "Stage Fright", "Ophelia", "Life Is A Carnival" oder "It Makes No Difference" ans Publikum bringt. Der erste Silberling ist zu Ende und lässt gar keine andere Wahl, als ohne zu zögern nach Numero 2 zu greifen.
Es stimmte nahezu alles an diesem Abend, nur Robbie Robertson war mit seinen Gitarrensoli nicht zufrieden und entschied sich dazu, sie im Nachhinein im Studio neu aufzunehmen. Die zweite Runde beginnt mit dem von Richard Manuel vorgetragenen "The Shape I’m In", bevor Van Morrison das Duett "Tura Lura Lural (That’s An Irish Lullaby)" mit dem Vorgenannten anstimmt. Noch einen drauf legte Van The Man mit einer geradezu aufbrausenden und grandiosen Version seines "Caravan", bevor das große Finale mit Bob Dylan und den Nummern "Baby, Let Me Follow You Down", "I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)" und "Forever Young" beginnt.
Mehr oder weniger als Bonus gibt es (erst Tage nach dem Konzert und ohne Publikum aufgenommene) ein paar Instrumental-Stücke sowie das von Emmylou Harris engelsgleich gebrachte "Evangeline" und auch den ewigen Klassiker "The Weight", hier mit The Staples (aka The Staple Singers). Grandiose Musik, grandiose Musiker und ein grandioses Konzert, das bereits vor langer Zeit für immer in die Annalen der Rockmusik eingegangen ist.
Richard Manuel, Rick Danko sowie Levon Helm haben diese unsere Welt leider schon verlassen, aber gerüchteweise arbeitet Robbie Robertson momentan an einer Neuauflage der The Band-Alben, auf denen sich die Songs »…endlich so anhören, wie sie eigentlich gedacht waren!« Freuen wir uns drauf!
Line-up The Band:
Richard Manuel (piano, Dobro, lead & background vocals)
Levon Helm (drums, mandolin, lead & background vocals)
Robbie Robertson (guitars)
Rick Danko (bass, lead & background vocals)
Garth Hudson (keyboards
With:
Paul Butterfield
Dr. John
Neil Young
Joni Mitchell
Ronnie Hawkins
Neil Diamond
Eric Clapton
Muddy Waters
Joe 'Pinetop' Perkins
Bob Margolin
Van Morrison
Ron Wood
Ringo Starr
Bobby Charles
The Staples
Emmylou Harris
Bob Dylan
Tracklist "The Last Waltz – 40th Anniversary":
- Theme From The Last Waltz
- Up On Cripple Creek
- Who Do You Love
- Helpless
- Stage Fright
- Coyote
- Dry Your Eyes
- It Makes No Difference
- Such A Night
- The Night They Drove Old Dixie Down
- Mystery Train
- Mannish Boy
- Further On Up The Road
- The Shape I’m In
- Down South In New Orleans
- Ophelia
- Tura Lura Lural (That’s An Irish Lullaby)
- Caravan
- Life Is A Carnival
- Baby, Let Me Follow You Down
- I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)
- Forever Young
- Baby, Let Me Follow You Down (Reprise)
- I Shall Be Released
- The Well
- Evangeline
- Out Of The Blue
- The Weight
- The Last Waltz Refrain
- Theme From The Last Waltz (with orchestra)
Gesamtspielzeit: 64:45 (CD 1), 64:26 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2016 (1978)
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