Eine unter Musik-Fans schon ewig geführte Diskussion ist ja die, ob es sich lohnt, eine altgediente Band nochmal live anzuschauen, selbst wenn kaum noch Original-Mitglieder mit am Start sind. Und nach wie vor gibt es dazu auch keine ultimative Antwort, denn letzten Endes kann eine solche Entscheidung jeder einzelne immer nur für sich selbst treffen. Vor dem Konzert – und letztendlich für sich beantworten kann er sie dann danach, falls er dem Event beigewohnt hat. Im Falle der aktuellen Beach Boys-Besetzung sieht es so aus, dass die Band von dem Mitbegründer Mike Love geführt wird und mit Bruce Johnston immerhin noch ein weiterer Musiker dabei ist, der (mit Pausen) schon seit Mitte der sechziger Jahre in der Band aktiv ist. Insgesamt standen an diesem Abend neun Musiker gemeinsam auf der Bühne, drei Gitarristen, zwei Keyboarder, ein Bassist sowie Schlagzeuger, ein Saxofonist und eben Mike Love. Hinter der Bühne war eine große Leinwand gespannt, die zunächst mit stehenden Bildern Werbung für Loves aktuelles Soloalbum "12 Sides Of Summer" machte.
Schließlich gingen pünktlich um 19:00 Uhr (was für ein Konzert am Sonntag-Abend eine willkommen gute Zeit ist) die Lichter aus und die Band betrat zu viel Applaus die Bühne. Der Hit-Fundus aus den Sechzigern ist bekannterweise riesig und so schmissen die gut gelaunten 'Strandjungs' mit "Do It Again", "Surfin' Safari" sowie "Catch A Wave" erstmal drei Klassiker aus dem Ärmel, die das Publikum unmittelbar in Schwingungen versetzten. Dass Mike Love als End-Siebziger keinen riesengroßen Bewegungs-Radius mehr hat (hatte er den bei Live-Shows überhaupt irgendwann mal?), kam wenig überraschend und vielleicht war das auch der Grund, warum während des kompletten Konzerts im Hintergrund auf der Leinwand kurze Clips liefen. In diesem ersten Teil wurden dann auch noch weitere Hits wie "Surfin' USA" oder "Surfer Girl" gespielt, aber am Anfang lief noch nicht alles wirklich rund. Was sich zum Glück jedoch nach einer knappen halben Stunde zum Besseren wandte, die Musiker nun offensichtlich warmgespielt waren und auch der Sound mittlerweile stimmte.
Nach dem fantastischen Sechser-Pack "In My Room", "Don’t Worry, Baby", "Little Deuce Coupe", "409", "Shut Down" sowie "I Get Around" ging es dann erstmal in die Pause. Und da der Sound und die Band mittlerweile richtig gut waren, darüber hinaus immer noch jede Menge starker Songs ausstanden, war die Vorfreude auf den zweiten Teil durchaus gegeben. Etwas überraschend fing die Band diesen mit "California Dreaming" von The Mamas & The Papas an, das aber umgehend mit den Originalen "California Girls", "Sloop John B." und "Wouldn’t It Be Nice" gekontert wurde. Mike Love erzählte seine Kennenlern-Geschichte mit George Harrison und kurz darauf folgte eine etwas eigenwillige und nicht wirklich überzeugende Version von dessen "Here Comes The Sun". Okay, what’s next? Ein tolles "Sail On, Sailor" wurde mit dem letzten (auch schon ein paar Jahrzehnte alten) Nr. 1-Hit "Kokomo" gefolgt und zum Finale steppte der Bär mit den sehr guten "Good Vibrations", "Help Me, Rhonda", "Do You Wanna Dance", "Barbara Ann" sowie "Rock’n’Roll Music" dann so richtig. Erstaunlich viel Leben kehrte in den ein oder anderen eher betagteren Fan zurück, die Tanzbeine wurden geschwungen und mit den Händen (wenn teilweise auch bedenklich neben dem Rhythmus) geklatscht. Auf den Sitzen hielt es kaum noch jemand.
Der sowohl von Eddie Cochran (im Original), Blue Cheer als auch The Who bekannte "Summertime Blues" beendete schließlich den regulären Teil der Show. Die neun Musiker ließen sich aber gar nicht mal lange bitten und eröffneten den Zugabenteil mit dem vom Schreiber dieser Zeilen (ebenso wie "Darlin'") nicht erwarteten "Friends". Eher witzig, aber dennoch sehr gut gespielt kam dann sogar der alte Ramones-Klopper "Rockaway Beach" und mit dem finalen "Fun Fun Fun" verabschiedete die Combo sich endgültig aus der Hauptstadt Baden-Württembergs.
Und das Fazit? Eine bärenstarke Band, je ein Original- und ein Langzeit-Mitglied, deren Alter (verständlicherweise) kaum zu übersehen bzw. -hören war sowie ein riesiges Potpourri an Song-Klassikern, die auch heute noch so viel Spaß machen wie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens. Ob es sich immer noch lohnt, der Band für mehrere Konzerte hinterher zu reisen, sei mal dahin gestellt (bzw. darf jeder selbst entscheiden), aber einmal im Leben sollte man die Beach Boys live gesehen haben. Speziell nachdem Brian Wilson gerade vor Kurzem erst seine US-Tour (vermutlich aus gesundheitlichen Gründen) abgesagt hat.
Line-up The Beach Boys (ohne Gewähr):
Mike Love (lead & background vocals)
Bruce Johnston (keyboard, lead & background vocals)
Christian Love (lead & rhythm guitars, lead & background vocals)
Scott Totten (lead & rhythm guitars, lead & background vocals)
Brian Eichenberger (lead & rhythm guitars, lead & background vocals)
Tim Bonhomme (keyboards)
Randy Leago (saxophone)
Keith Hubacher (bass)
John Cowsill (drums, lead & background vocals)
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