Im Jahr 1986 gründeten Ed Snodderly und Eugene Wolf die Band The Brother Boys und die beiden sind bis heute, mit vielen wechselnden Co-Musikern über die Jahrzehnte, die einzigen konstanten Musiker der Gruppe. Den ganz großen Durchbruch hat die aus dem Osten des US-Bundesstaates Tennessee nie geschafft, selbst wenn sie mal ein paar erfolgreichere Alben auf dem Label Sugar Hill hatte. Was aber vielleicht auch nicht ganz überraschend kommt, hört man sich die ersten Tracks dieser chronologisch aufgebauten Compilation an. Es wird nämlich sehr schnell klar, dass The Brother Boys zumindest zu Anfang sehr traditionell und puristisch an ihre Songs heran gingen, sogar so sehr, dass der Hörer sich zunächst zweifelsfrei in den fünfziger oder sechziger Jahren irgendwo in den Apalachen wieder zu finden glaubt. Sparsame Gitarren und der – übrigens sehr harmonische – Gesang stehen klar im Vordergrund, während Bass, Drums und weitere Instrumente doch eher stiefmütterlich behandelt im Hintergrund zu erahnen sind.
Mit Rock’n’Roll- oder Rock-Musik haben die beiden Haupt-Protagonisten also so gut wie nichts zu tun, vielmehr stürzen sie sich mit aller Inbrunst in den Sound eines längst vergangenen Jahrzehnts und Feelings, das heute – speziell außerhalb der USA – aufgrund der allgemeinen Evolution im normalen Alltag kaum noch nachfühlbar ist. Für Fans und Sympathisanten der Band ist an dieser Doppel-CD allerdings schon mal richtig klasse, dass darauf fast alle Tracks des mittlerweile laut dem Promoter nur noch sehr schwer zu bekommenden Debütalbums zu finden sind. Und bei Song Nummer Acht angekommen, rieb sich selbst der Rezensent verwundert die Augen und Ohren, als ihm plötzlich aus den Boxen eine Cover-Version des Tom Waits-Songs "Tango Till They’re Sore" (vom Waits-Album "Rain Dogs", 1985) entgegenflötet. Die Nummer hört sich bei den Brother Boys natürlich deutlich anders an als im Original, aber auch hier kann man erkennen, dass ein guter Song einfach ein guter Song ist, wenn er in unterschiedlichen Stilen gespielt, immer noch gut ist.
Man muss sich also erst mal in diese Musik rein finden und für beinharte Rocker gibt es hier eh nichts zu holen, interessanterweise geht es jedoch zumindest dem Rezensenten so, dass – je länger die beiden bis zum Rand vollen Silberlinge in der Anlage rotieren – das Wohlgefühl immer weiter steigt. An diesem Punkt angekommen muss natürlich auch vermerkt werden, dass da schon ein ganzer Batzen an musikalischem wie gesanglichem Können am Start ist. Auf der zweiten CD, die Aufnahmen ab Mitte der neunziger Jahre enthält, wird die Bluegrass-Musik deutlich dominanter. Das Banjo rückt mehr in den Vordergrund und auch die Songs kommen schmissiger und flotter daher, was meinem Geschmack noch mehr entspricht. Zur Auflockerung wurden zwischendrin immer wieder mal Live-Aufnahmen untergebracht, um den Stimmungspegel ein weiteres Stückchen nach oben zu drehen. Die neuesten Aufnahmen stammen vom Sepember 2021 und schließen die auf diesen Doppeldecker gestreuten gut dreißig Jahre Band-Geschichte ab.
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist die Musik der Brother Boys nicht undbedingt für jeden Musik-Fan und selbst die aufgeschlossenen Freunde der schönen Künste müssen sich zunächst mal ein wenig einhören. Was jedoch sehr gut funktioniert und beim Rezensenten sind die beiden Scheiben mittlerweile doch wesentlich öfter in Anlage gelaufen, als er dies zunächst zu vermuten gewagt hätte. Man muss sich eben ein bisschen auf diese 'Brüder' einlassen, um 'belohnt' zu werden. Wie nicht anders von Bear Family Records zu erwarten, gibt es auch für diese CD-Edition ein ausführliches Booklet mit allen wissenswerten Daten und Fakten. Wie immer vorbildlich.
Tracklist "On The Honky Tonk…":
- Wanna, Wanna, Wanna
- Blue From Now On
- The Diamond Stream
- Majestic
- The First Time
- Loose Talk
- (You"ve Got The Look Of A) Perfect Diamond
- Tango Till They’re Sore
- Two Men
- Blue Days, Black Nights
- Town That Never Sleeps
- My Shoes Keep Walking Back To You
- Black Fifty Ford
- Nickel Plate Road
- I’m No Longer In Your Heart
- Jordan Am A Hard Road To Travel
- Small Southern Town
- Pinto Pony
- The Great Atomic Power
- Gonna Row My Boat
- Kiss The Dream Girl
- Alone With You
- Blue Guitar
- Darkest Day
- Satellite Shack
- Come On In (And Make Yourself A Home)
- Crazy Heart
- Heartaches Meet Mr. Blues
- Pearlie Mae
- Band Box
- Moonshine Grin
- What’s The Calling For
- Those Two Blue Eyes
- When The Day Is Done
- Tell Me What You Want Me To Do
- Strange
- Let’s Shake Loose
- Twist You Up
- I’ll Rise When The Rooster Crows
- Then And Only Then
- Everybody Wants To Go To Heaven
- Conversation With Death
- The Ramshackle Shack
- Crazy Arms
- I Just Roll Along
- In The Shadow Of Clinch Mountain
- Memphis Shakedown
- I Can’t Tell You Anymore (What I Need)
- Shade And River Time
- Sweet Riverside
- Goodbye
Gesamtspielzeit: 77:43 (CD 1), 78:59 (CD 2), Erscheinungsjahr: 1988-2022)
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