«

»

The Brotherhood Of Sonic Love / Satellite Heart – LP-Review

The Brotherhood Of Sonic Love / Satellite Heart

Musik ist Stimmungssache und es gibt Tage, da trifft sie genau ins Herz. "Satellite Heart", obschon bereits vor ein paar Tagen erstmals durchgehört, erfüllt heute für mich diese Vorgabe vortrefflich. Eigentlich wollte ich jetzt eine ganz andere Platte besprechen, doch hier und jetzt steht mir der Sinn nach etwas völlig anderem. Nach den verwirrenden kulturellen und gesellschaftspolitischen Entgleisungen eines Wochenendes in meiner mal mehr und mal weniger pulsierenden Heimatstadt, die meint, dass ein Karnevalsaufzug in einen verfrühten Weihnachtsmarkt hinein passt und wo Bunte und Braune gegen oder für Rechts oder Links tanzen und trinken, wo politisches Engagement auf ein für mich fast schon perverses Party- und Event-Erleben Malle-mäßig simplifiziert wird, da brauche ich einen Schuss anarchisches Aufbegehren gegen den Mainstream und angesagte Strömungen. Ein Geist, wie ihn mir "Satellite Heart" im genau passenden Ausmaß bietet.

Bereits die EP war vor einigen Jahren Gegenstand unserer Betrachtungen, Markus hat damals darüber berichtet und auch herausgestellt, dass die Basis des dänischen Projektes in einer Vater-Sohn-Beziehung begründet ist. Hätte ich mir auch gewünscht, aber dann hätte ich mich den Flippers oder Herrn Kramm, auch bekannt als Heino gegenüber toleranter erweisen müssen. »The Brotherhood Of Sonic Love ist eine Band, die durchaus bereit ist Grenzen zu brechen« – habe ich irgendwo im Netz gelesen und das stimmt. Die zuvor genannten väterlichen Kulturgüter hingegen waren für mich unüberwindlich und so freue ich mich einfach, dass im Underground wieder einmal eine völlig neue Farbe im Kaleidoskope abgedrehter Rockmusik entdeckt wurde, die Generationen verbindet.

Ein tief psychedelischer und schräger Sound aus Garagenrock, belagert vom Spirit der Velvet Underground (die ihrer Zeit schon immer weit voraus waren) verbindet sich mit Harmonien aus ganz frühen Tagen bis hin zu heutigem Noise Rock zu einem explosiven alternativen Gebräu. Vor allem aber hat die Musik ganz viel von dem Feuer, mit dem in der Post Punk-Ära auch moderne Bands dem aggressiv düsteren Duktus aus der frühen New Wave-Bewegung im Sinne beispielsweise von The Jesus And Mary Chain folgen und eben genau die Prise anarchischer Mainstream-Verweigerung einbringen, die mich gerade hier und jetzt aus meinem Stimmungstief zurück holt.

Das ekstatische Intro zum "Urban Alienation Blues" bietet gleich zu Beginn ein wildes Freak-out mit einem halbwegs klassisch anmutenden Unterbau, schon hier besonders prägnant in den sehr coolen Drums und der adäquaten stimmlichen Adaption sowie den niemals hoffähigen Gitarrenklängen, die sich zum Ende in psychedelische Höhen schwingen. Vater und Sohn schweben hier ausdrücklich ein Stück weit über der Mannschaft. Ein hypnotischer Ritt entreißt uns schon im ersten Song realen Bemessungsgrundlagen. Nein, mit betörender Melodik und traditionellen Songmustern will man uns nicht verführen. Wer folgen möchte, muss sich auf eine schmutzig dröhnende Reise einlassen – und das kann sehr wohl sehr bereichernd sein.

So lebt der Titelsong, "Satellite Heart", von seinem düster bedrohlichen Gesang, wie ich ihn zuletzt beim frühen Gothic-Meisterwerk kennen gelernt habe, "Raymond" von Turkey Bones And The Wild Dogs. Ist lange her.

Eine Spur geradliniger geht es zu in "Community Service", wo wir geilen, treibenden Garagenrock geboten bekommen. Die Intensität ist enorm und die mitreißenden, eintönigen Vocals prägen sich krachend in unser Kleinhirn, werden sogleich durch den tiefen Psych in "Your Blood My Veins" aufgelöst und ziehen hinein in einen unwiderstehlichen Sog. Hier mäandert die Gitarre fast ein wenig wie bei legendären Freunden der Stoner-Szene. Das Break im Mittelteil nimmt noch einmal eine gesteigerte Portion Energie auf und setzt eine gezielte Attacke auf unsere Sinne. Nur gut, dass die Songs von überschaubarer Länge sind, hier hätte es zu bewegungsbedingten Nackenproblemen führen können.

Völlig überraschend führt eine akustische Gitarre und ein fast schon domestizierter Gesang in "Yesterday’s Drugs" in so etwas wie ein Friedensangebot, ein reflektiver Moment auf dem Album, bei dem nur im Hintergrund ein vermeintlicher Sturm vergangener Tage in Form undifferenzierter Gitarrenklänge kreiselt. Dieser nimmt jedoch keine bevorrechtigte Rolle ein, die Drogen vergangener Tage scheinen vorerst besiegt.

Das herrlich marschierende "Sweet Disease" lässt Zweifel an der vorgenannten These aufkommen.  Die eigentümlich melodiösen, eintönigen Hooks entwickeln einen ganz eigenen Strom aus psychedelischer Energie. Im zurückgenommenen Part erscheint mir Asgers Gesang subtiler als sonstwo auf dem Album, bis er zu einem irren Steigerungslauf ansetzt.

Hier und da scheinen die Harmonien fast aus den süßen Sechzigern entnommen zu sein, nur um mit urbanem Sperrfeuer sogleich wieder zerlegt zu werden. Beispiel? "White Demon Black Soul". Wüstes Getrommel, krächzende Gitarren und dieser leidenschaftlich tobende Gesang treten bürgerlichen Anwandlungen in den Hintern, nur um sich wenig später in klassischem Lou Reed-Style als "Obsessed" zu bekennen. Eine Nummer, die wirklich wie ein Klassiker von Velvet Underground klingt. Ich muss unweigerlich an die Banane in unserer (Duisburger) Cubus-Halle denken, die in Anlehnung an Andy Warhols legendäres Cover in ihrer Adaption bei dem einen oder anderen für eine Menge Aufregung und Schnappatmung gesorgt hat. Das aggressiv punkige "Hurricane Veins" scheint genau diesen Geist aufnehmen zu wollen. Manchmal bedarf es der Dampfhammer-Methode, um den Menschen zu erreichen. Das wilde Geschrammel auf der Gitarre zum Ende des Songs bringt dies sehr schön rüber, eine Metapher aus kakophonischem Krach. Geil!

Scheint die Band auch so empfunden zu haben, denn die Jungs legen in der letzten Nummer noch einen drauf. Es gibt über einem zu Beginn fast klassischen Rhythmus ein sich immer mehr auflösendes Getöse, in dem am Ende allein der immer noch leicht schräge Gesang die einzige Konstante bleibt, während sich die Musik sinnbildlich selbst zerlegt. "Thunderdome" vertont, was geschah, wenn Pete Townshend am Ende von The Who-Konzerten seine Gitarre zertrümmerte.

Damit ist der Deckel drauf und touch down, ich habe die vorgenannten verstörenden Erlebnisse erst einmal aus meinem Speicher gelöscht. Wer sich in den frühen Achtzigern in der Independent-Szene wohl gefühlt hat, wird ein paar Freudentränen über "Satellite Love" vergießen, die Scheibe sprüht vor Authentizität und elektrischer Energie. Mir hat sie ein beknacktes Wochenende gerettet, sie hat mich eingenordet und meine Frustrationen kanalisiert. Wow, Musik auf Rezeptschein sozusagen. Das geht gut ab.


Line-Up The Brotherhood Of Sonic Love:

Asger Westh (vocal and guitar)
Rasmus Holmboe (guitar, piano and percussion)
Daniel Damkilde (Christensen, bass)
Aksel Westh (drums and percussion)

Additional musicians:
Martin Funder (guitar and synthesizer – #2, guitar – #5,7-10)
Simon Linnet (guitar #6)
Kristine Ringsager (backing vocals #2,8)
Sofie Westh (backing vocals #8)
Laurits Malmqvist Jakobsen (saxophone #10)

Tracklist "Satellite Heart":

  1. Urban Alienation Blues
  2. Satellite Heart
  3. Community Service
  4. Your Blood My Veins
  5. Yesterday’s Drugs
  6. Sweet Disease
  7. White Demon Black Soul
  8. Obsessed
  9. Hurricane Veins
  10. Thunderdome

Gesamtspielzeit: 41:00, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

Beiträge im RockTimes-Archiv

Über mich

News

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>