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The Devil And The Almighty Blues / Tre – CD-Review

The Devil And The Almighty Blues / Tre

Am Holmenkollen toben üblicherweise die Geister des Winters, hoch droben über dem Oslofjord; dort, wo die Biathleten gerade die Wintersportsaison beendet haben. Monatelang geht es rau und eisig zu in der nördlichen Hemisphäre, womöglich färbt das ab auf die Kulturschaffenden am Fuße des berühmten Berges. Haben mich einst schon Lonely Kamel (ja, mit K) aus Oslo in ihren Bann gezogen mit ihrem knallharten Blues an der Grenze des Stoner, so haben sie inmitten ihrer Heimatgemeinde nun schon fast 10 Jahre lang wahre Brüder im Geiste gefunden. Die fünf Jungs von The Devil And The Almighty Blues kommen dem Begleitmaterial zu Folge ursprünglich aus Tromsö und somit von weit nördlich des Polarkreises – da, wo im Winter die Sonne kaum zu sehen ist. Und sie mischen den Underground ganz mächtig auf mit treibend heftigem, hartem Bluesrock, der mal Heavy, mal Stoner befruchtet und dann auch wieder sehr doomig daherkommt. Dunkel wie die Polarnacht, hart und griffig wie Väterchen Frost.

Schon der Auftakt ist ein Steigerungslauf aus retrospektiven, minimal und scheinbar endlos forcierenden Hooks mit leidenschaftlich rauem Gesang und grollenden Bässen. Das Tempo bleibt immer in mittleren Gefilden, die Wucht des Songs erwächst aus seiner Dynamik und der druckvollen Kompaktheit. Bis ein fast schon sludgeartiges Break radikal einbremst. Hypnotische Schläge und ein zunächst sehr sanfter Gitarrenlauf grooven wieder- und wiederkehrend in ein langsam anwachsendes Crescendo. Wir spacen hinaus in die unwirkliche Welt der Nordlichter, bis wir in das ursprüngliche Thema zurückfinden und dankbar Vertrautheit finden.

"One For Sorrow" bietet dann ein weiteres, herausragendes Merkmal dieses Albums. Der mehrstimmige Gesang zu Beginn des Songs ist ganz schwer krautlastig und verbreitet ein angenehmes Gefühl von Vintage. Ja tatsächlich, dieser Song könnte aus 1973 stammen. Und er nimmt eine schöne Beschleunigung zum Solo hin, jetzt wird klar, dass wir es hier mit einer fetten Beziehungskiste zwischen Blues und Heavy-Rock zu tun haben.

Der schleppend harte Blues in "Heart Of The Mountain" verstärkt bei mir den Retro-Eindruck, wenn mir plötzlich die ganz frühen UFO im Hinterstübchen erscheinen, damals noch vor ihrem Spacerock. Krachender Bass und sägende Gitarren explodieren über dem hier knallhart durchgezogenen Grundrhythmus. Fetziger Blues aus dem Herzen des Berges, wie sehr freut sich da der frühere Alpinist, der leider die wunderbare Bergwelt Norwegens nie live gesehen hat. Eigentlich ein Jammer.

"No Man’s Land" bietet den mit Abstand coolsten Groove auf dem gesamten Album. Fast eingängig zieht man hier die Takte durch den Song und gipfelt mit dem hymnisch vorgetragenen Refrain, ein unerwartetes Friedensangebot nach den vielen harten Eskapaden. Aber nur, um ganz dezent und dem Namen des Labels verpflichtet in "Time Ruins Everything" ein paar Klapperschlangen im letzten Licht des Tages durch eine imaginäre Wüste kriechen zu lassen. Stoner-Anleihen machen mir immer Spaß – und hier passen sie absolut hin.

Was mich unweigerlich zu einer grundsätzlichen Betrachtung dieser Musik aus Oslo führt.
Wer den Allmächtigen Blues schon im Namen trägt, bei dem muss man nicht lange rätseln, mit welchen Rhythmen wir empfangen werden. Dass die dann wiederum recht anders klingen als bei den Jungs am Muddy River und im großen Delta, wenn man selbst in Nachbarschaft von Lachsen, Elchen, Rentieren und wer weiß was sonst noch aufgewachsen ist, dürfte ebenfalls auf der Hand liegen. Die mögliche Beziehung zwischen rauer Natur und entsprechendem musikalischen Ausdruck haben wir ja schon betrachtet.

Was aber ist es, dass die Fan-Gemeinde bei den vielen Live-Acts und den zahllosen Festival-Auftritten der Band so euphorisch schwärmen lässt und was auch den Rezensenten beim vorliegenden Album zu einer Ovation herausfordert? Es sind essenzielle Erkenntnisse rund um den Blues. Keine Ahnung, wer es als erster zitiert hat: »Beim Blues sind die wichtigsten Töne die, die man nicht spielt.« Claptons Spitzname 'Slowhand' dürfte aus diesem Dunstkreis resultieren. Und Matte von My Sleeping Karma hat mir mal erzählt: »Immer, wenn wir unsere hypnotischen Schleifen ziehen, dann glauben die Leute, beim nächsten Ansatz geschieht irgendwas – und dann gehen wir wieder in die nächste Schleife.«

Das erzeugt Spannung, das dehnt und zieht; wie Adrenalin, das sich immer mehr anreichert. Nichts anderes als die doomige Entschleunigung, die uns die teuflischen Blueser ein ums andere mal bieten. All diese Stilelemente dienen einem Ziel: Intensität.

Und genau die dürfte es sein, warum The Devil And The Mighty Blues uns derart abgehen lassen. Aufgebaute Spannung, die sich irgendwann entladen darf, wunderbar beispielhaft im letzten Song "Time Ruins Everything", wenn sich aus langen, fast sanften, repetitiven Stoner-Elementen die Solo-Gitarre plötzlich kulminierend auf das wuchtig aufbrausende Rhythmus-Geflecht legt und uns Erlösung schenkt – total geil. Das sind die Momente, wo Musik völlig high macht, ganz ohne nebelige Substanzen oder zu viel 'Gluckgluck'. Positive Power, die sich in pure Begeisterung entlädt. Yeah, that’s Rock’n’Roll!

"Tre" ist, wie der Name vermuten lässt, das dritte Album der Band, das erschließt sich sogar dem nicht-norwegisch sprechenden Zuhörer. Die Musik ist dicht, dunkel und heftig, aber niemals wirklich düster. Ganz im Gegenteil, die Songs vermitteln mit ihren intensiven Energie-Schüben ein absolut optimistisches Lebensgefühl und grooven, dass man gerne dazu demnächst mal live die Sau rauslassen möchte. Oder eben den Elch.

Ende April begeben sie sich auf Tour durch Europa, teilweise in Begleitung der sehr geschätzten Colour Haze, Earthless oder Stoned Jesus. Wer mal wieder etwas für die Nackenmuskulatur tun möchte, dem seien sowohl dieses Album als auch die Live-Konzerte wärmstens empfohlen.


Line-up The Devil And The Almighty Blues:

Arnt Olaf Andersen (vocals)
Petter Svee (guitar)
Torgeir Waldemar Engen (guitar)
Kim Skaug (bass)
Kenneth Simonsen (drums)

Tracklist "Tre":

  1. Salt The Earth
  2. One For Sorrow
  3. Lay Down
  4. Heart Of The Mountain
  5. No Man’s Land
  6. Time Ruins Everything

Gesamtspielzeit: 48:36, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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