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The Dogs D’Amour / Errol Flynn – CD-Review

CD-Review-The Dogs D'Amour-Errol Flynn

Der Verfasser dieser Zeilen kann sich noch sehr gut daran erinnern, wie ihm mitten in der Blütezeit des Sleaze Rock und Hair Metal sowie kurz vor der Grunge-Apokalypse plötzlich ein Album von vier ziemlich durchgeknallten Engländern den Glauben an den Rock’n’Roll zurückgab. The Dogs D’Amour lautete der (damals) etwas obskure Bandname und die Scheibe war schlicht und ergreifend "Errol Flynn" betitelt. Errol Flynn? Okay, der hatte Piraten, Freibeuter und auch Gesetzlose geschauspielert, war mir aufgrund seiner glatten, geschniegelten, künstlischen und aufgesetzten Art aber immer schon unsympathisch. Also nicht unbedingt ein Name, den ich mit einem explodierenden Schlagzeug, einem pumpenden und geradezu ums Überleben zu kämpfen scheinenden Bass, meistens fetten Bratgitarren sowie manchmal auch akustischen und schließlich herrlich kaputtem, versoffen klingenden Gesang in Verbindung brachte. Ein Gedanke, der sich aber bereits beim ersten Song dieser Scheibe ganz schnell in Luft auflöste.

Die Ursprünge der einzelnen Musiker gehen bis in die Siebziger zurück, die eigentliche Band wurde allerdings erst 1983 in London gegründet, wo logischerweise auch die ersten Gigs gespielt wurden. Nachdem 1984 das Debütalbum "The State We’re In" erschienen war, ging es nach einer längeren (Aufnahme-) Pause und nach mehreren Line-up-Wechseln erst 1988 mit "In The Dynamite Jet Saloon" weiter, bevor dem englischen Quartett im Jahr darauf der große Durchbruch gelang.

Und alles andere als unschuldig daran war das damals neue Album "Errol Flynn". Vielleicht auch, weil hier (ganz bewusst?) ein extremer Gegenpunkt zu Fönfrisuren und Spandexhosen aus Los Angeles gebildet wurde. Ob bewusst oder nicht, die Dogs brachten ihren Lebensstil bereits im ersten Song auf den Punkt. Ein flotter Rocker, in dessen Refrain Tylas herrlich kaputte Stimme auch schon gleich mal die Frage »How could anyone fall for a drunk like me?« (»Wie könnte sich jemals eine in ’nen Säufer wie mich verlieben?«) in den Raum stellt, während er wahrscheinlich selbst noch darüber nachgrübelte. Als auf anderen Erdteilen eher einer auf dicke Hose gemacht und sich in Selbstherrlichkeit verloren wurde, die Autos, Häuser und Partys nicht groß genug sein konnten, hatte man hier also die sich in die Verlierer-Ecke stellenden Pendants, die sich eher fragten, wie sie überhaupt mal eine Frau in ihrem Leben abbekommen könnten. Bei diesem ersten Song übrigens mit coolen Saxofon-Soli versüßt.

Das Thema Alkohol und Drogen spielte damals eine große Rolle in der Band und somit ist auch "Goddess From The Gutter" (genauso geil rockend und süchtig machend wie der Opener) eher auf Hochprozentiges als auf ein Mädchen gemünzt. Bei "Ballad Of Jack" ist natürlich Mister Daniel gemeint und "Princess Valium" spricht für sich selbst. Selbst der größte Hit der Briten, "Satellite Kid" (#26 in England) ist einerseits eine gesunde Selbstreflektion zu einer andererseits so alarmierenden wie irritierenden Beziehung des Protagonisten zum Alkohol. Aber falls sich dies alles düster, ungesund, pessimistisch und lebensverneinend anhören sollte – weit gefehlt! Denn diese Jungs hatten auch jede Menge Spaß in den Backen, jede Menge Lust zu rocken und einen gut durchgekneteten Hang zur Selbstironie.

Dass Frontmann Tyla ein selbsterklärter Fan des amerikanischen Poeten und Schriftstellers Charles Bukowski war, kann man durch die Herangehensweise an die einzelnen Texte ebenfalls sehr gut nachvollziehen. Viel Tragik, Romantik und die Lust am Leben, ausgelebt bis zum Maximum. Was dann natürlich auch seinen Tribut fordert… Verpackt haben die Dogs D’Amour diese zwölf Kleinode sowohl in fetzige Rocker, als auch packende Balladen, die sich sehr weit von dem üblichen Herz-Schmerz-Thema aufhalten.

Freunde des Filigranen werden hier wahrscheinlich eher Bauchschmerzen bekommen, denn diese Tracks kommen aus dem Bauch, aus der Hüfte geschossen und verfügen über sehr geile wie eingängige Melodien, rau gebracht, Schmirgelpapier-mäßig gesungen und sehr authentisch. Ein absolutes Highlight der damaligen Zeit, das auch die Band selbst nicht mehr toppen konnte. Der Nachfolger "Straight??!!" (1990) war zwar ebenfalls sehr stark (was mit Abstrichen auch für "More Unchartered Heights Of Disgrace" aus dem Jahr 1993 gilt), anschließend war allerdings erstmal Sendepause. Um den Jahrtausendwechsel wurde von dem Frontmann nochmal ein Versuch gestartet, der aber ca. zwei Jahre später wieder zu Grabe getragen wurde.

"Errol Flynn" von The Dogs D’Amour steht jedenfalls auch heute noch wie ein Fels in der Brandung aus den Jahren um 1990 und klingt auch heute noch so frisch und realistisch wie damals. Und dass Tyla heute noch unter uns ist, wäre alleine schon eine Party wert!


Line-up The Dogs D’Amour:

Tyla (rhythm guitars, vocals)
'Joe Dog' Almeida (lead & rhythm guitars)
Steve James (bass)
Bam (drums)

Tracklist "Errol Flynn":

  1. Drunk Like Me
  2. Goddess From The Gutter
  3. Hurricane
  4. Satellite Kid
  5. Errol Flynn
  6. Planetary Pied Piper
  7. Princess Valium
  8. Dogs Hair
  9. Trail Of Tears
  10. Ballad Of Jack
  11. The Prettiest Girl In The World
  12. The Girl Behind The Glass
  13. Things Seem To Go Wrong
  14. Oooh! Baby Glass

Gesamtspielzeit: 49:08, Erscheinungsjahr: 1989

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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