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The Electric Family / Echoes Don’t Lie – CD-Review

The Electric Family / Echoes Don’t Lie – CD-Review

Platte eingelegt und sofort sitzt die Familie am Tisch. Es braucht nur Sekunden und man weiß, welche Band im Player liegt. Zurzeit hat ja ein jeder das Wort Nachhaltigkeit auf den Lippen, um Veränderungen anzupreisen. Die Electric Family dagegen zeigt gelebte Nachhaltigkeit, denn sie hat von Anfang an auf das richtige Pferd gesetzt und macht seit Beginn an nachhaltig starke Musik. Und die hat sich eingeprägt, denn wie im letzten Jahr auch, war unsere Tochter just dann zu Besuch, als Material der Electric Family ins Haus kam.

»Das ist doch der Tom, der da singt«, war ihr Kommentar, als das Mellotron-geschwängerte "Sacred Land" süß und mit herrlichem Gitarrenspiel aus den Lautsprechern floss. Apropos Gitarren, es ist völlig egal, wer da immer die Saiten bedient, sie alle haben es drauf, den Hörer mit ihren sphärischen und stimmungsgewaltigen Schwingungen zu verzaubern. Immerhin stehen acht Gitarrenspieler im Line-up des Albums, das für Familienverhältnisse recht schnell das Licht der Welt erblickte. Mussten die Fans auf den Vorgänger Terra Circus zehn Jahre warten, so dauerte es lediglich drei Jahre bis zur Fertigstellung vorliegender, sechster Studioplatte.

Es ist aber auch kein Wunder, dass die Electric Family vielleicht etwas länger braucht und nicht in jährlicher Taktung Alben produziert, denn neben kleiner Stammbesetzung ist dieses Musikerkollektiv meistens in wechselnder Besetzung am Werkeln. Immer wieder sind ehemalige Familienmitglieder mit an Bord und neue Musiker stoßen hinzu. So finden sich auf dem aktuellen Werk 21 (!) Einträge im Line-up und diese Namen dürften unseren Lesern aus vielen Reviews und Bands geläufig sein. Diese Runde muss unter einen Hut gebracht werden, da ja nicht untätig zu Hause rumgesessen wird, sondern jeder auch eigenen Tätigkeiten nachgeht.

Von daher ist es immer wieder erstaunlich, wie perfekt das jeweilige Kollektiv zusammen agiert. Auch wenn ein jeder Profi ist, so habe ich stets den Eindruck, dass hier eine organische Einheit am Musizieren ist. Schön zu hören auch bei "What Is In Your Head, Fred", einem Stück, das anfangs durch Rhythmik und Refrain fast als angepopter Krautrock daherkommt und dadurch eigentlich auch ins Radio passen würde – wäre da nicht der plötzliche Wechsel hin zu einer krautigen Gitarrenorgie. Da muss das Formatradio die Segel streichen. Die beiden Coverversionen des Albums, "I’ve Been Waiting For You" und "Mini Mini" beweisen, was möglich ist. So ist "I’ve Been Waiting For You" nicht mehr mit dem Neil Young-Original zu vergleichen, sondern ist zu einem Art Rock-Monster mutiert. Und "Mini Mini", diese quirlige Stück Pop-Chanson von Jacques Dutronc ist in der Family-Version für uns zum absoluten Sommerhit geworden. Der simpel gestrickte Rhythmus in Verbindungen mit Toms sonorer Stimme geht nicht mehr aus dem Ohr. Im Rezensenten-Haus bzw. beim abendlichen Grillen hinter dem Haus ist "Mini Mini" stets dabei und wird aus vollen Kehlen mitgesungen.

Der Star unter vielen auf "Echoes Don’t Lie" ist jedoch "Echo Room". Das liegt zum größten Teil an Roman Bunkas Oud, die dieser psychedelischen Doktorarbeit einen gewaltigen Touch World-Feeling verleiht. Auf sonorem und hypnotischem Rhythmus lässt Bunka sein Instrument reiten und verzaubert eine virtuelle Landschaft auf das Allerfeinste. Klasse auch die Vocals von Steff auf "Look" zu flirrenden Tasten und Rolfs sphärischer Gitarre. Art Rock mit Krautfeeling zum Niederknien. Ganz anders das rockig vertrackte "Cutflowers", auch wieder mit Steff am Mikro. Es ist schön, wie die Familie, was den Gesang betrifft, den Bruder singen lässt, dessen Organ am besten zur Nummer passt.

So ist bei "Another Giant Leap", "Three Miles To Roswell" und "Strange Things", alle Psychedelic-beheimatet, wieder Toms Bassstimme zu hören.  Und erneut muss man die Gitarrenarbeit erwähnen, die sich immer wieder wie aus dem Nichts heraus ins Geschehen einbringt und die jeweilige Szenerie aufmöbelt.

Als Fazit kann man sagen, dass "Echoes Don’t Lie" dem Hörer eine perfekte Balance zwischen progressiven, psychedelischen und krautigen Perlen in die Ohren liefert, von wo aus sie ohne Hindernisse gen Bauch und Hirn wabern. Wir waren uns nach wochenlangem, allabendlichem Hören absolut einig: Alle Daumen steil nach oben.


Line-up The Electric Family:

Torsten Glade (drums – #1,10,11, keyboards – #1)
Rolf Möller (drums – #3)
Hanno Jansen (drums – #8)
Marlon Klein (percussion – #2)
Steff Ulrich (drums – #4,5, vocals – #5)
Harry Payuta (bass – #1,8,10,11, sitar – #10)
Pascal Grünenfelder (bass – #2)
Stefan Strittmatter (guitar – #2)
Rolf Kirschbaum (vocals – #4,7, guitar – #1,4,5,7,11, bass & drum programming – #7)
Jojo Brandt (guitar – #8)
Bubi Hönig (guitar – #3)
Jochen Schoberth (guitar – #10)
Roman Bunka (oud – #7)
Tom 'The Perc' Redecker (vocals – #1,2,6,8-10, guitar – #1,2,3,6-11,, keyboards – #2)
Milla Kapolke (vocals & bass – #3)
Manu Kapolke (guitar & backing vocals -#3)
Madita Kapolke (backing vocals – #3)
Theo von Thyssen (backing vocals – #2,6)
Dewa Tattwa (keyboards – #3)
Peter Apel (guitar, bass & drum programming – #6,9)
Anders Becker (keyboards – #1,8,10,11)

Tracklist "Echoes Don’t Lie":

  1. Sacred Land (4:20)
  2. What Is In Your Head, Fred (4:30)
  3. I’ve Been Waiting For You (5:50)
  4. Cutflowers (3:25)
  5. Look (4:40)
  6. Mini Mini (2:05)
  7. Echo Room (7:23)
  8. Another Giant Leap (6:40)
  9. Three Miles To Roswell (5:25)
  10. Strange Things (4:06)
  11. Sacred Land Reprise (1:20)

Gesamtspielzeit: 50:16, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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