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The Gong Farmers / Guano Junction – CD-Review

The Gong Farmers / Guano Junction

Bevor ich mich mit der Musik auseinandersetze, möchte ich den Bandnamen anhand eines übersetzten Zitats von der Webseite allthatsinteresting.com erläutern, da mir die Herleitung selbst nicht bekannt war:»In mondhellen Nächten während der Tudor-Zeit von Wales und England mühten sich dunkle Silhouetten unter der Burg ab. Sie waren die "Nachtmenschen", die in der Nähe der Wände gruben und kratzten, bevor sie in die Ferne schlurften. Dem Namen nach waren sie die "Gongbauern" – sie entfernten menschliche Exkremente aus den Jauchegruben der Burgen.«

Passend dazu der Albumtitel "Guano Junction", also in etwa 'Vogelkackekreuzung', optisch recht hübsch und naiv auf dem Cover durch die drei weißen Wasservögel und ihre Hinterlassenschaften dargestellt, während zwei Krähen im Hintergrund ihren Kommentar dazu abgeben. Wenn man nun bei diesen leicht verstörenden Namen eine schräge Ironie oder Absonderlichkeit in der Musik erwartet, liegt man arg daneben. Ich glaube eher, dass die Band, die hauptsächlich aus Mark Graham und Andrew Keeling besteht, diesen Namen sensibel und mit Bedacht gewählt hat, denn die Idee dazu resultiert aus der Besichtigung eines irischen Schlosses aus dem Jahr 2018. Menschen, die in Anbetracht von Pomp und Adel gerade an jene denken, die in dunklen Tagen im wahrsten Sinne immer schon die Drecksarbeit machen mussten, sind mir prinzipiell sympathisch, denn sie adeln das Werk des kleinen Mannes, egal wie abschreckend dessen Tätigkeit auch immer gewesen sein mag.

Und tatsächlich treffen wir hier auf eine sanfte, sehr sensible Musik, die dem Vernehmen der Musiker nach vor allem mit Themen rund um Liebe und Verlust zu tun hat. Stilistisch bewegt man sich dabei in einem Dunstkreis zwischen melodisch progressiven, manchmal fast ambienten Passagen, die sich gerne immer auch dem Jazz öffnen. Weltmusik gibt ebenfalls die Richtung vor. In einigen Momenten des Albums werde ich sogar an Eberhard Schoener, den deutschen Tasten-Pionier und seine Musik aus den späten Siebzigern erinnert. Naturalistische Effekte wie ein fernes Gewitter oder ein knisterndes Kaminfeuer passen da sehr gut in den Kontext. Die menschliche Stimme wird tatsächlich oft eher wie ein weiteres Instrument genutzt, so gesehen macht es Sinn, dass in den Credits des Albums von Voice und nicht von Vocals die Rede ist. Dass "Guano Junction" in seiner Gesamtheit so einen warmen, romantisch melancholischen Duft verströmt, liegt nicht zuletzt an den Streichern, die sowohl solistisch als auch im Hintergrund Akzente setzen und die hier sehr schön mit den dezent eingesetzten Synthesizer-Tönen interagieren. Klasse.

Schon der Opener "As Sunlight Falls 1" umströmt einen mit zunächst sphärischen Klängen und organischen Tönen von Streichern sowie einer sonoren Stimme wie ein lauer Sommerwind in der untergehenden Sonne, nur um in eine weltmusikalischen kleinen Sensation namens "Drive" zu münden, wo sich Flöte und Saxophon beinahe zärtlich umgeben und gelegentlich ein Flair von Jan Garbarek und seinen norwegischen Kumpels aufkommen lassen. Dass sich Mark und Andrew eine ganze Reihe prominenter Freunde zur Unterstützung an ihre Seite gestellt haben, sollte unbedingt erwähnt werden, allen voran möchte ich hier den legendären Saxophonisten David Jackson erwähnen, der mit Van Der Graaf Generator Sternstunden geschrieben hat. So romantisch wie hier klang er dort aber nie. Für den titelgerechten Drive sorgt übrigens die akustische Gitarre. "Pip, Squeak And Wilfred 1" hat zu Beginn etwas von den bluesigen Nummern eines John Martyn und bezieht sich auf die Kriegsmedaillen seines Vaters, die Mark Graham zufällig entdeckt hat. Die Streicher verleihen dem Song seinen Schliff, den man sich gut und gerne in einem eher dunklen Hollywood-Film vorstellen könnte.

"Guano Junction 3", im Album vor der gleichnamigen Nummer 2 (und Nummer 1 gibt es rein gar nicht) ist eine Percussion-betonte Nummer, die recht eingängig rüber kommt, aber durch die Flöte aus jeder Art von 'kenn-ich-schon-Feeling' herausgelöst wird. "Evergreen" kontrastiert sehr schön mit schwebenden Synthie-Teppichen gegen eine monoton rhythmische, akustische Gitarre, die später zu einem kleinen Solo ihren Bruder begrüßt. Dabei liegen die Familienverhältnisse auf dem Album eigentlich ganz woanders. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Ben Keeling an der elektrischen Gitarre (wo genau er zu hören ist geht aus dem Begleitmaterial nicht hervor) der Enkel von Andrew. Ein Violinen-Break setzt einen faszinierenden Moment, inne zu halten. "As Sunlight Falls 2", sozusagen die Fortsetzung der Auftaktnummer. Ein wenig erinnert es mich an die Zeit, als ich den Jazz-Cellisten David Darling oft hörte. Archaische Klänge voller Ausdruckskraft; früher hätte ich nie geglaubt, dass man mit einem einzigen klassischen Streich-Instrument so viel Gefühl transportieren kann. Man lernt zum Glück dazu.

Mit "Vista Del Toledo" kommt tatsächlich ein leicht spanisch geprägter Geist auf, der mich klanglich allerdings eher mit Südamerika verbindet. Ein weiteres "Guano Junction"-Interlude von starker spiritueller Kraft, fast wie eine buddhistische Meditation, getragen von einer mythischen Flöte und einem leichten Crescendo der Perkussion. So wächst die Intensität dieser kurzen Nummer erstaunlich an. Ach ja, und dann kommt mir der bereits eingangs erwähnte Flashback auf Eberhard Schoener im Intro zu "Wednesday Afternoon", ich möchte dezent auf das Album "Video-Magic" hinweisen, wo im übrigen die Begleitmusiker genau die waren, die damals parallel die Band The Police bildeten und weltberühmt wurden. Cool, dieser Mix aus Siebziger Jahre-Elektronik und hier recht eingängiger, leicht funkiger Musik, die am Ende mit Bläsersatz und einer ausschwärmenden Flöte markant unterstrichen wird. Ein Gefühl von losgelöster Leichtigkeit macht sich breit, wird aber sogleich mit dem experimentellsten Stück auf dem Album geschreddert: "SHAVE!" Vangelis aus den Siebzigern ("Heaven & Hell"), aber unter Volldröhnung.

Doch dann holt mich jede Form von Emotion ein, "Winter Hill" wäre ein unfassbar geiler Filmsong, der in Streifen wie "Donny Darko" oder "American Beauty" perfekt gepasst hätte. Das tragende Piano und der Gänsehaut erzeugende Gesang verzaubern. Es geht wohl um eine Liebe, die fortgegangen ist. Der Song bewegt und berührt. Ein letztes Interlude namens "Dark Skies" spielt einmal mehr mit melancholischen Stimmungen, die menschliche Stimme wird auch hier nur summend eingesetzt, einen Text braucht es nicht. Die klassische Orgel vermittelt einen Hauch von Dramatik, das ausklingende Gewitter und die sanfte Gitarre aber lassen uns verträumt zurück. Die wunderschöne elektrische Gitarre trägt uns im Geiste fort und klingt ein wenig wie eine reduzierte Version von Eddy Van Halen, wenn er zum Ende des Blockbusters "Twister" das Outro spielt. Filmgerecht passt dazu der Abschluss dieses Albums, einer Retrospektive des dritten Songs, der insgesamt sehr viel moderner ausgestattet war, denn hier verzeichnen die orchestralen Instrumente ein klares Übergewicht.

Tja, was soll ich sagen? Wieder einmal bin ich dankbar und glücklich darüber, mit einer sehr speziellen, aber absolut wundervollen und für mich neuen Musik in Berührung gekommen zu sein. Die Melange von The Gong Farmers basiert auf verschiedenen Stilrichtungen, sie umfasst Weltmusik wie progressiven Rock, Ambient und Jazz. Der Farbton, den die Band hier setzt, ist jedoch vollkommen autark und besonders. Eine Musik für die Massen ist es nicht. Wer jedoch progressiv orchestrale Musik aus den genannten Grenzgebieten mag, wird hier eine Möglichkeit finden, ganz besonders viel Herz in den Kompositionen zu entdecken. Ja, diese Musik ist eine Herzensangelegenheit. Wenn man sich ihr hingibt, trägt sie einen fort und lässt allen unnötigen Ballast zurück. Wellness für die Ohren und die Seele.


Line-up The Gong Farmers:

Mark Graham (voice, synthesizers)
Andrew Keeling (classical guitar, flute piano, organ)
Alex Che (voices, synthesizers, electric guitar)
Cliff Hewitt (drums, percussion)
René van Commenée (drums, percussion)
David Jackson (saxophone)
Ricardo Odriozola (violin)
Ben Keeling (electric guitar, devices)
Martin Walker (electric guitar)
Brian Taylor (electric guitar, textures)
Noko440 (viola, string arrangements)

Tracklist "Guano Junction":

  1. As Sunlight Falls 1
  2. Drive
  3. Pip, Squeak, And Wilfred 1
  4. Guano Junction 3
  5. Evergreen
  6. As Sunlight Falls 2
  7. Vista De Toledo
  8. Guano Junction 2
  9. Wednesday Afternoon
  10. SHAVE!
  11. Winter Hill
  12. Dark Skies
  13. Pip, Squeak And Wilfred 2

Gesamtspielzeit: 47:31, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

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