Eigentlich ist eine Großmutter ja vor der Mutter zugange. Bei den Grandmothers Of Invention jedoch ist das anders. Die gründeten sich nach den Mothers Of Invention und zwar im Jahr 1980 durch die drei Mothers-Mitglieder Don Preston, Bunk Gardner und Jimmy Carl Black. Das heißt, erst mal hießen sie nur Grandmothers, der finale Name mit dem Zusatz Of Invention folgte nach einigen weiteren Umbenennungen.
Und in der 'Grandmother' steckt die 'Mother' drin, es passt also wieder. Die drei Gründer hatten es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, die Musik der Mothers originalgetreu mit all ihren wirren, unkonventionellen und den einen oder anderen Hörer oft verdutzt dreinblicken lassenden Kompositionen ungeschliffen und ursprünglich zu zelebrieren.
Und das taten sie, an jenem Abend des 18. November 2014 im Bremer Meisenfrei, wo sie während ihrer kurzen Tournee gastierten. Hut ab übrigens vor dem Meisenfrei, denn ich kenne wenige Blues-Clubs, die sich trauen eine solche Band zu buchen. Da muss man sein Publikum gut kennen, denn wenn der Bandname auch fest in der großen Musikhistorie verankert ist, so ist deren Musik keine leichte Kost. Hier fusionieren Rock und Jazz auf eine Art und Weise, dass man sich die Tage, an denen man sich darauf einlassen will, sorgfältig aussuchen muss. Es ist viel Experimentelles dabei, es wird dem Freestyle gefrönt und von Ausnahmen abgesehen, die dann aber auch voll reinhauen, will die erstmal chaotisch wirkende Melange erfasst und verdaut sein.
Hut ab aber auch vor den beiden Gründungsmitgliedern Preston und Gardner, die zum Zeitpunkt der Show bereits jenseits der Achtzig waren. Besonders bei Gardner ist das bemerkenswert, denn seinem Saxofon- oder Flötenspiel ist das Alter der Lunge in keinster Weise anzuhören oder gar abträglich. Im Gegenteil, die beiden Musiker agieren zu jeder Zeit souverän und stehen selbst im dichtesten Freestyle-Jam absolut im Bandgefüge. Kein Wunder aber auch, haben sie doch die Anfangsphase dieser Musik selbst mitgestaltet.
Über die Musik zu berichten, bedeutete wohl, Eulen nach Athen zu tragen. Der Zappa-Kosmos ist entweder bekannt, oder nicht. Für die einen ist er der Meister und womöglich größte Komponist der modernen U-Musik, für andere ist sein Wirken alles, außer Rock’n’Roll. Und ja, man muss sich Einhören, muss das zuweilen Wirre ertragen, weil man weiß, dass in der Regel zwischen dem scheinbaren Chaos die Perlen liegen. Die Stücke sind oft polyrhythmisch, was dem ’normalen' Hörempfinden durchaus widersprechen mag. Da startet man schon einmal mit schräg wirkenden Kirmestunes, denen sich dann das Saxofon hinzugesellt, sich hochschraubt und die Dominanz an sich reißt und urplötzlich dieser typische Zappa-Jam vorherrscht. Stilistisch finden sich Ausflüge in fast harmonische Folksequenzen oder durch das Flötenspiel gar ins Mittelalterliche.
"Who Needs The Peace Corps" ist ein Paradebeispiel für den Duktus der Mothers. Der Freestyle-Jam lebt neben dem instrumentalen Wirken auch durch die Interaktion der verbal miteinander kommunizierenden Musiker und wenn dann solche Sachen wie das berühmte Smoke On The Water Gitarren-Zitat kurz erklingt, ja dann sind wir in des Meisters Welt. Gleiches gilt für "Flower Punk (Bunk) (Hey Joe excerpt)". Da wird nämlich erst die Jimi-Version textlich als auch musikalisch intoniert, bevor die Mother-Version übernimmt:
»[…]Hey punk, where you goin' with that
Flower in your hand?
Hey punk, where you goin' with that
Flower in your hand?«
»Well, I’m goin' up to frisco to join a
Psychedelic band.
I’m goin' up to frisco to join a
Psychedelic band …]«
Dazu gibt es einen irren Gitarren-Wah-Wah-Part. Das mag den Kritikern zeigen, dass die Band auch Rock kann …
Durchaus mit Melodie und toller Bass- und Schlagzeugrhythmik versehen sind "I’m The Slime" oder "Trouble Every Day". Das Publikum jedenfalls sparte nicht mit Applaus. Es ist aber auch so, dass diese Truppe live auf der Bühne noch einmal ganz anders wirkt, als auf Konserve. Man kann dann auch den etwas experimentiellen und auf den ersten Blick wirren Passagen mehr abgewinnen, weil die Protagonisten bei ihrer Arbeit zu sehen sind. Für den entspannten Abend zu Hause im Ohrensessel sind die Mothers ungleich schwerer zu handeln. Da hat der Promoter schon recht wenn er schreibt: »Wer die Mothers Of Invention live erleben durfte, hat höchstwahrscheinlich ein nachhaltiges Erlebnis hinter sich.«
Das Doppelalbum "Live in Bremen" von den Grandmothers Of Invention ist Teil einer Live-Kollektion, die von Sireena Records sowie On Stage präsentiert und regelmäßig erweitert wird.
Line-up The Grandmothers Of Invention:
Don Preston (lead vocals, keyboards, electronics, I-phone)
Bunk Gardner (saxophone, flute)
Max Kuttner (guitar, vocals)
Eric Klerks (bass, vocals)
Christopher Garcia (drums, percussions, vocals)
Tracklist "Live In Bremen":
- Introduction
- Pound For A Brown
- Call Any Vegetable
- Absolutely Free
- Flower Punk (Bunk) (Hey Joe excerpt)
- Who Needs The Peace Corps?
- I’m The Slime
- Uncle Meat (Main Theme
– Drum Solo
– Let’s Make The Water Turn Black / Oh No - The Orange County Lumber Truck
– Synthesizer (I-Phone) Solo - Trouble Every Day
- Montana
- Stratus (excerpt)
Gesamtspielzeit: 39:36 (CD 1), 51:54 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2018 (2014)
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